𝒫𝐫𝐨𝐥𝐨𝐠

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„DAS GESTÄNDNIS

VON  ______________

SIE WAR JUNG UND SIE WAR SCHÖN, DOCH NUN IST SIE TOT, UND SIE WAR NICHT DIE ERSTE, UND SIE WIRD AUCH NICHT DIE LETZTE SEIN. HAT IHR DENN KEINER BEIGEBRACHT, WELCHE GEFAHR EIN FREMDER IN DER DUNKELHEIT DER NACHT MIT SICH TRUG?"

Das dunkelbraune Paar Augen des Polizeichefs hüpfte von einer Zeile zur nächsten. Die Buchstaben waren unordentlich niedergeschrieben und verblasst, dennoch schaffte er es die einzelnen Worte zu entziffern, welche sich auf insgesamt zwei Seiten verteilten, bis er zu den letzten Zeilen gelangte.

„DIESER BRIEF SOLLTE ABGEDUCKT WERDEN, DAMIT ALLE IHN LESEN KÖNNEN. VIELLEICHT KÖNNTE ES DAS MÄDCHEN IN DER DUNKLEN GASSE RETTEN – ES LIEGT AN IHNEN. SIE HABEN ES IN DER HAND, NICHT ICH."

„Was denken Sie?"

Der Redakteur der San Francisco Chronicle hatte die letzten Minuten stillschweigend auf dem gegenüberliegenden Bürostuhl gesessen, die Finger ineinander verschränkt. Normalerweise hätte er mit seinem Anliegen zu einem der Beamten der unteren Ränge gehen müssen, doch kannte er Jose Santiago, den Chief des San Francisco Police Departments, seit Jahren. Lokale Presse und Polizei pflegten gerade in Großstädten einen engen Kontakt, der von beidseitigem Nutzen war.

„Es könnte sich um einen Scherz handeln", begann Chief Santiago und fuhr sich nachdenklich über die dunklen Bartstoppeln, doch der schlaksige Redakteur gegenüber ihm schüttelte hektisch den Kopf und unterbrach ihn, noch bevor er weitersprechen konnte.

„Sir, Sie haben doch selbst die Details gelesen, die der Autor des Briefes beschreiben konnte-"

Er holte tief Luft und Santiago konnte ihm die Nervösität ansehen, was nicht besonders verwunderlich war. Ein Mörder, der sein Unwesen in der eigenen Stadt trieb, war furchterregend. Doch ein Mörder, der über seine Taten schrieb, Warnungen ausstoß und forderte, die eigenen Worte in der Presse veröffentlicht zu sehen, war das Wahnsinns.

„Haben Sie bereits eine Kopie des Briefes angefertigt?"

„Natürlich." Der Redakteur richtete sich wieder auf, rückte sich das braune Brillengestell auf der Nase zurecht und fügte hinzu, „selbstverständlich bin ich mir im Klaren, dass das Original bei der Polizei am besten aufgehoben ist."

Der Chief ließ ihm in Form eines geistesabwesenden Nickens seine Zustimmung zukommen, während sein Blick wieder zu den Zeilen vor ihm hinabglitt. Die Tatsache, dass der Brief bereits in Klarsichtfolie gelegt worden war, erleichte ihm und den Kollegen im Labor die auf sie zukommende Arbeit ungemein.

„Ich arbeite lange genug in meinem Job, um zu wissen, wie man sich in Fällen wie diesen zu verhalten hat", fuhr der Redakteur fort, der sich wieder gefangen hatte und dessen Auftreten nun um einiges selbstbewusster schien als Sekunden zuvor. „Es ist nicht der erste Brief mit vermeindlichen Hinweisen zu einem Fall... auch wenn dieser sich deutlich von den bisherigen abgrenzt."

In all den Jahren trafen immer wieder Briefe, manchmal auch Anrufe, mit möglichen Hinweisen ein – gerade zu jenen Fällen, die die Medien dominierten. Die Mehrheit davon stammte allerdings von älteren Stadtbewohnern, die der Überzeugung waren, bei dem Täter handele es sich um ihren heimlichtuerischen Nachbarn, dessen Geheimnis sich als Affäre mit der Sekretärin entpuppte, oder von Schülern und Studenten, die meinten sich einen Spaß zu erlauben. Doch die Details, die der Verfasser dieses Briefes schilderte, waren vor der Öffentlichkeit unter Verschluss gehalten worden.

Santiagos Blick fiel auf die Uhr über der Tür seines Büros und erinnerte ihn daran, dass sein nächster Termin bereits auf ihn wartete.

„Vielen Dank für Ihr Erscheinen und der Sicherung potenzieller Hinweise." Er erhob sich seinem ledernen Bürosessel, wobei er leise seufzte – sein Rücken machte ihm schon wieder zu schaffen – und streckte dem Redakteur der San Francisco Chronicles die Hand entgegen. „Sie haben richtig gehandelt, im Sinne des Schutzes San Franciscos."

Dieser richtete sich nun ebenfalls auf, packte mit der linken Hand nach seiner Aktentasche und erwiderte mit der rechten den Handdruck, bevor er sich zur Türe des Büros begab.

„Entschuldigen Sie", wendete der Redakteur sich noch einmal an den Chief, „eine Sache wäre da noch."

„Und die wäre?"

„Sollte meine Zeitung auf die Forderung des Briefschreibers eingehen und ihn drucken lassen, oder sind Sie sich sicher, dass wir nichts zu befürchten brauchen?"

Der Polizeichef zögerte einen Moment, in dem sein Blick wieder zurück auf die unleserlichen Zeilen vor ihm fiel.

„Veröffentlichen Sie ihn."

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𝐙𝐎𝐃𝐈𝐀𝐂 | ✎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt