Kapitel 11

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Die Unmöglichkeit, Mensch zu sein

❝Die Unmöglichkeit, Mensch zu sein❞

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DIE NÄCHSTEN WOCHEN verbrachte Elle all ihre Freitagabende am selben Ort: der Bibliothek. Gemeinsam mit Harry lasen sie einander Bukowskis Gedichte vor, sprachen über deren Bedeutung und was ihnen an diesen gefiel. Es war ein milder Winter, wie so üblich in der Westküstenmetropole. Das Weihnachtsfest zog vorbei und das neue Jahr rückte näher, und dennoch hielten die beiden an ihrer unausgesprochenen Freitagsverabredung fest.

Den Freitag nach Weihnachten brachte Elle selbstgebackene Plätzchen mit, die Harry freudig verschlang, bis ihm schlecht wurde, und den ersten Freitag im neuen Jahr präsentierte er ihr eine kleine Schneekugel mit der Golden Gate  Bridge darin, nachdem Elle ihre Liebe zu der Stadt mit einem von Bukowskis Gedichten verglichen hatte.

Auch an diesem Freitagabend an einem der letzten Januartage hatte es sie es wieder in der gemütlichen, kleinen Lounge im obersten Stockwerk der Bibliothek getrieben. Die Sonne war längst untergegangen. Elles Blick fiel durch die großen Fensterscheiben und im Schein der Straßenlaternen beobachtete Elle die Passanten auf den Straßen, von denen eine Traube Menschen in diesem Augenblick in den anhaltendenden Bus stiegen. Wohin sie sich wohl alle an diesem Abend auf den Weg machten? Fuhren sie nach Hause, um sich vor den Fernseher zu setzen, oder die Küche aufzuräumen? Oder entschieden sie sich doch noch für die Richtung in eine der städtischen Discos und Bars?

„Möchtest du noch ein weiteres Gedicht hören?", riss Harrys fragende Stimme sie aus ihren Gedanken. Sie warf noch einen letzten Blick aus dem Fenster, dann wandte sie ihm wieder das Gesicht zu und nickte mit einem sanften Lächeln auf den Lippen, bevor sie an der Tasse zu ihrer Rechten nippte.  

„Es heißt ‚Die Unmöglichkeit'", kündigte er an und räusperte sich, bevor er zu lesen begann.

„Van Gogh bittet seinen Bruder um Farbe

Hemingway testet seine Schrotflinte an sich selber

Céline geht als Arzt pleite

die Unmöglichkeit, Mensch zu sein

Villon als Dieb aus Paris verbannt

Faulkner betrunken in den Gossen seiner Stadt

die Unmöglichkeit, Mensch zu sein

Burroughs erschießt seine Frau

Mailer sticht auf seine mit dem Messer ein

die Unmöglichkeit, Mensch zu sein

Maupassant wird wahnsinnig in einem Ruderboot

Dostojewski wird an die Wand gestellt

𝐙𝐎𝐃𝐈𝐀𝐂 | ✎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt