Neun

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Sieht so aus, als hätte ich fast den Upload vergessen ^^'

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Es gab Zeiten, da glaubte ich nicht daran, jemals eine Person zu finden, der ich vertrauen würde. Dann traf ich ihn. Völlig unerwartet ist er aufgetaucht und warf mich aus der Bahn.
Wir haben uns in der Schule kennengelernt. Da ist er aufgetaucht, war plötzlich in meiner Klasse und gehörte von Anfang an zu den „Coolen". Ich war ein Mauerblümchen, meistens wurde ich sogar von dem Lehrer vergessen, aber das störte mich nie großartig. Ich wollte ja nur meine Lieder schreiben und brauchte diese unnötige "Bildung" eigentlich gar nicht.
Doch dann kam er. Er sah verflucht gut aus, groß, stark und im Gegensatz zu allen anderen Jungs im Jahrgang, sah er auch ziemlich erwachsen aus. Sein ungepflegter Bart und die verwuschelten Haare hatten etwas Wildes in sich, was ich unbedingt aus nächster Nähe erleben wollte, doch ich traute mich nie, ihn anzusprechen. In den Pausen stand er draußen in der Raucherecke und rauchte. Verdammt, er sah dabei so unverschämt heiß aus. Ich wollte ihn, das gebe ich zu, aber was hätte jemand wie er schon von jemandem wie mir?

Immer wieder beobachtete ich ihn, schrieb Lieder über ihn und bedachte dabei jedes noch so kleine Detail. Ich liebte es, ihn stundenlang zu beobachten und immer wieder etwas Neues zu lernen. Bald schon konnte ich jeden seiner Schritte nachvollziehen. Wusste was er dachte, wie er dachte, ich kannte seine Redensarten, ich wusste einfach alles von ihm. Ich kannte auch alle seine Vorlieben und konnte fast schon vorhersehen, wann er beim Unterricht mal wieder da war oder wie meistens den Unterricht schwänzte, um zum Teil einfach nur draußen auf einem Baum zu sitzen. Ich vergötterte ihn.

Irgendwann sprach er mich an. Er erzählte mir, dass er vor einer Weile bemerkt habe, dass ich ihn beobachten würde. Auch er hätte mich dann beobachtet, vor allem im Musik Unterricht. Er sprach total begeistert davon, wie ich Gitarre spielte und versprach mir, dass ich Talent besaß. Es machte mich glücklich, dass er sowas sagte, aber genauso unangenehm, sodass ich nicht einmal mehr wusste, was ich sagen solle.
Er nahm mich dann einfach mit zu sich, aber ich hatte nach wie vor noch kein einziges Wort mit ihm gewechselt. Ich war viel zu überfordert mit der Situation, also bekam ich kein einziges Wort über die Lippen.

Als ich aufwache, spüre ich vertrocknete Tränen auf meinen Wangen. Die Erinnerungen an meinen Verlobten schmerzen immer wieder aufs Neue. Ich wusste damals, dass er der Richtige ist und ich weiß es heute immer noch. Nur ist er heute tot. Draußen ist es noch dunkel, aber ich kann nicht mehr schlafen. Zu sehr fürchte ich mich davor, wieder von ihm zu träumen. Es würde doch nur weh tun. Also ziehe ich mir schnell einen hellblauen Pullover an, darunter eine schwarze Jogginghose. Dann schleiche ich mich schnell aus meinem Zimmer, die breite Treppe hinunter und durch die hohe Eingangstür hindurch. Die angenehm kühle Nachtluft empfängt mich mit einem sanften Windhauch. Ich habe die Nacht schon immer geliebt. Mit schnellen Schritten, die immer drei Stufen auf einmal überspringen, springe ich die breite lange Treppe herab. Unten angekommen drehe ich mich um und betrachte die Villa. Beeindruckend einerseits, übertrieben andererseits.

Aber egal, ich drehe mich zur Seite und laufe in den Garten. Ich sehe wieder die wunderschönen Blumen und gehe schnurstracks auf diese zu. Meine Mutter hatte früher einen Blumenladen, bevor ich von zuhause abgehauen bin. Ich fühle mich automatisch wohl und wie zuhause. Mein Weg führt mich zu einem kleinen Springbrunnen, an dem eine rote Rose hinaufklettert. Ich setze mich auf den Rand des Brunnens und fahre mit meinen Fingerspitzen durch das Wasser. Es ist kalt und erfrischend. Ich verwische die Spiegelung des Mondes im Wasser, dann sehe ich noch ein weiteres Mal zurück zu der Villa und sehe eine Gestalt an einem der Fenster stehen. Beim näheren Hinsehen erkenne ich einen schwarzhaarigen Mann, der rauchend am Fenster steht und in die Nacht hinausblickt. Ich beobachte ihn eine Weile, doch erkenne einfach nicht wer es sein könnte.

Ich versuche nicht weiter auf ihn zu achten, doch als ich mich fünf Minuten später noch einmal dorthin umdrehe, ist die Gestalt verschwunden. Überrascht verwerfe ich alle übrigen Gedanken an ihn, sicherlich ist er wieder schlafen gegangen. Ich mache mir also keine weiteren Sorgen darüber und konzentriere mich wieder auf mich. Ich liebte meinen Verlobten natürlich über alles. Aber das ist jetzt vorbei. Und damit muss ich jetzt klarkommen. Plötzlich spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. Daraufhin springe ich und schlage den Arm weg. Der Mann vor mir hält meine Arme fest, damit ich mich nicht weiter wehren kann.

„Was soll das?", fauche ich und bemerke erst dann, dass es nicht Dacio ist, der mich festhält, und auch nicht Rowan. Es ist ein relativ junger Mann, Anfang zwanzig vielleicht, mit heller Haut und glänzenden braunen Augen. „Was machst du hier in meinem Garten?", fragt er forsch.
„Dein Garten?", erwidere ich verwirrt. „Der Garten gehört Dacio White!"
Daraufhin lässt er mich los und schnaubt abwertend. „Du bist also sein neues Betthäschen? Du musst dich verirrt haben, kannst wohl nicht schlafen, bist bestimmt so wund gevögelt, dass...", weiter lasse ich ihn gar nicht sprechen. Und ich sage auch weiter nichts, mein Handabdruck auf seiner Wange sollte genügen. Ich stürme an ihm vorbei und laufe schnellstmöglich zurück in die Villa. Dieser eingebildete Volltrottel.

Kurz bevor ich mein Zimmer erreichen kann werde ich wieder von hinten festgehalten. „Was ist denn nun schon wieder?", frage ich wütend und drehe mich dann ruckartig um. Diesmal ist es aber Dacio, weswegen ich sofort wieder eine kleinlaute Entschuldige murmele. Er allerdings zieht mich mit in mein Schlafzimmer und wirft mich grob auf das Bett.

„Was fällt dir ein mich so anzuschreien?", fragt er gereizt. „Es tut mir leid, ich wollte nicht...", setze ich an doch er verwirft meinen Satz mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Es ist mir egal, warum du es getan hast oder ob du es wolltest. Ich will, dass das nie wieder vorkommt. Und ich will auch keine Erklärung dafür, warum du nachts um zwei draußen herumgeisterst. Es darf einfach nie wieder vorkommen! Hast du das verstanden", sagt er ernst, während er hin und her läuft, wie ein Raubtier auf der Jagd. Dann legt er mir einen Haufen Blätter hin. „Lese sie dir durch und unterschreibe sie, beim Frühstück erkläre ich dir dann alles", sagt er und verlässt dann das Zimmer. Ich fühle mich schuldig, auch wenn ich nicht erklären kann wieso.

Halbherzig überfliege ich den Vertrag, finde nichts Neues darin und Nichts, was mich stört, also unterschreibe ich. Dann schnappe ich mir meine Gitarre und spiele eines meiner ersten eigenen Lieder. Ich liebte sie schon immer. Ich spiele und spiele und bemerke dabei nicht, wie draußen schon langsam die Sonne aufgeht. Als ich irgendwann hungrig werde, laufe ich mit dem Vertrag die Treppe hinunter und lege ihn vor Dacio mit den Worten: „Jetzt will ich aber auch meine Erklärung." Dacio nickt nur. Doch dann entscheidet er sich um. „Erzähle mir zuerst, warum du gestern in der Umkleide geweint hast und was dich hierhergebracht hat. Vertrau mir einfach."

Dann beginne ich zu erzählen. Meine ganze Geschichte. Ich muss erneut weinen und Dacio zeigt sich erstaunlich mitfühlend.

ChancesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt