Am Flughafen angekommen, gehen wir direkt zum Terminal, aber nicht in das, wo alle anderen Fluggäste hingehen. Verwirrt folge ich Dacio, aber spüre Antonios Blick auf meinem Hintern. Es stört mich, jedoch will ich nicht, dass Dacio sich darum kümmert, denn das würde seinen Bruder nur darin bestärken, dass ich sein Betthäschen bin. Also lasse ich es über mich ergehen. Rose und Rowan fahren noch den Wagen weg.
Dacio greift nach meiner Hand, nur damit er mich wenige Sekunden später an dem Sicherheitspersonal vorbeiziehen kann. Seinen Bruder allerdings lässt er ohne zu zögern die komplette Kontrolle vollführen. Zurecht, wie ich nur wenige Sekunden später sehe, denn er wollte eine Tüte mit Drogen mitschmuggeln. Dacio ruft den Sicherheitsbeamten noch etwas zu, was ich nicht verstehen kann und zieht mich dann weiter auf den Flugplatz und in ein Flugzeug hinein.
„Was soll das?", frage ich ihn, als wir mehr oder weniger alleine sind. Er bleibt ruckartig stehen, dreht sich um und sieht mich verwirrt an. „Warum hältst du mich an der Hand wie ein kleines Kind und ziehst mich hier über den Flughafen, als wäre ich ein dummer Hund?", frage ich weiter, weil ich keine Antwort bekommen habe. Daraufhin seufzt Dacio und verdreht genervt die Augen.
„Genau deswegen. Weil du zu viele Fragen stellst. Wie soll mein Bruder denn glauben, dass wir wirklich zusammen sind, wenn du ständig nur Fragen stellst und nichts über mein Leben weißt, fliegt alles sofort auf. Außerdem wollte ich, dass du nicht in seiner direkten Nähe bist, weil er versuchen wird dich flachzulegen, auch wenn er uns die kleine Lüge glauben würde", seufzt er. Das ergibt Sinn und irgendwie fühle ich mich ein bisschen naiv, weil ich nicht daran gedacht habe.
Nur kurze Zeit später erreicht auch Antonio mit Rose und Rowan das Flugzeug, was im Übrigen eine Privatmaschine ist. Der Passagierraum ist geräumig und die wenigen Sitze sehen gemütlich aus, was ich aber selbstverständlich nicht ausprobieren darf, weil Dacio mich direkt weiterzieht, in ein weiteres Abteil, in welchem ein Bett steht, aber auch zwei Sessel und ein Fernseher. Es sieht hier aus, wie in einem gewöhnlichen Wohnzimmer, bis auf das Bett vielleicht. Staunend sehe ich mich um, während Antonio in das Zimmer gestolpert kommt.
„Sag mir bitte nicht, dass ich den ganzen Flug über mit deinen langweiligen Leibwächtern verbringen muss", sagt er genervt. Dacio seufzt genervt und sagt etwas zu ihm, was ich aufgrund der anderen Sprache mal wieder nicht verstehen kann, doch als ich mich zu ihnen umdrehe, bemerke ich ein dreckiges Grinsen auf Antonios Lippen. „Na dann, viel Spaß", sagt er ebenso dreckig und dreht sich dann um und schließt die Tür. Ein angeekelter Schauer erfasst mich.
„Was hast du zu ihm gesagt?", frage ich Dacio schnell, doch er schüttelt den Kopf. „Nicht wichtig, beziehungsweise nicht die Wahrheit. Ich will nur, dass ihr beide möglichst lange getrennt seid." Was glauben Menschen eigentlich, wenn sie sagen, dass etwas nicht wichtig ist. Erwarten sie dann von einem, dass es einen plötzlich nicht mehr interessiert, oder was? Ich jedenfalls will es nur noch mehr wissen als zuvor schon, auch wenn es mich auch ein bisschen davor graut. Ich habe eine lebhafte Fantasie, also denke ich mir natürlich nur das Schlimmste.
Da fällt mir ein: „Wirst du mich eigentlich auch küssen, damit deine Lüge glaubhafter wird?" Sein Blick ist in Null Komma nichts auf mich gerichtet und er sieht mir tief in die Augen. Stur erwidere ich seinen Blick, aber eher um seine schönen Augen zu mustern. Wie ist es nur möglich, so blaue Augen zu haben? Sie stehen in direkter Konkurrenz zu dem Blau des Himmels und sind um einiges blauer als das Meer. Sie sind beeindruckend und sie glänzen so schön, immer wenn er lächelt. So auch jetzt.
„Warum siehst du mich so an?", fragt er sanft. Ertappt drehe ich mich um und verdecke mein Gesicht mit meinen Händen. „Ich sehe dich gar nicht an", behaupte ich schnell, „beantworte meine Frage." Daraufhin lacht er nur. „Aha, verstehe. Du musst entscheiden, ob es für dich in Ordnung ist, wenn ich dich küsse, aber meinetwegen müssen wir nicht so extrem auf verliebtes Pärchen tun", beantwortet er meine Frage. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich darauf reagieren soll, also nicke ich nur. „Möchtest du schlafen?", fragt er weiter, „Der Flug ist recht lang, du solltest dich ausruhen."
Ich nicke kurz und lasse mich dann auf das Bett fallen, aber bleibe zunächst noch sitzen. In meinem Kopf schwirren eine ganze Menge Fragen, aber ich bin so müde, da ich ja auch nur die halbe Nacht geschlafen habe. Dies wird bekräftigt mit einem Gähnen und Strecken, weswegen ich mich dann langsam nach hinten sinken lasse und feststelle, dass dieses Bett verdammt gemütlich ist. Ich schlafe schnell ein und bemerke nur noch, wie Dacio sich ein Buch nimmt, von wo auch immer, und sich auf einen der beiden Sessel setzt.
Nach einem traumlosen Schlaf wache ich zwar erholt wieder auf, muss aber feststellen, dass wir uns in der Luft befinden. Folglich habe ich nicht den ganzen Flug über geschlafen, obwohl ich das eigentlich vorgehabt habe. Ich bin auch mittlerweile alleine in dem Abteil, Dacio wird wohl zu den anderen zurück gegangen sein. Schnell schwinge ich meine Beine aus dem Bett und stehe auf. Ich will unbedingt wissen, welches Buch Dacio gelesen hat. Es liegt noch auf einem kleinen Beistelltisch zwischen den Sesseln. Es hat einen einfarbigen, dunkelblauen Bund, auf dem kein Titel steht. Kurzerhand schlage ich das Buch auf und dort steht dann der Titel, aber er ist nicht in meiner Sprache geschrieben. Na toll, das ist jetzt wirklich frustrierend. Diese Sprache fängt langsam wirklich an, mich aufzuregen.
Das Buch lege ich also wieder zurück und gehe dann durch die Tür, die die beiden Abteile trennt, zurück zu den anderen. Rose und Rowan sitzen nebeneinander, während er aus dem Fenster sieht lehnt sie an seiner Schulter, mit Kopfhörern in den Ohren und schläft. Antonio hört ebenfalls Musik, doch nimmt sofort die Kopfhörer ab, als er mich sieht. „Na Süße, ausgeschlafen?", fragt er selbstbewusst. Mit verdrehten Augen gehe ich an ihm vorbei zu Dacio und setze mich neben ihn. Er sieht mich an und lächelt, ich vergesse immer wieder wie gut er dabei aussieht. Dann beugt er sich zu mir vor und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. „Gut geschlafen, mein Engel?", fragt er fürsorglich. Das bringt mich unwillkürlich zum Lächeln, obwohl ich auch wieder dieses Ziehen spüre. Doch diesmal werde ich nicht auf die Trauer über den Verlust eingehen, sondern stark bleiben und sie ignorieren. „Ja, sehr gut, Danke", flüstere ich verschlafen und hebe schnell die Hand, um meinen Mund beim Gähnen zu verdecken.
„Wann kommen wir ungefähr an?", frage ich Dacio. „Es dauert nicht mehr lange, nur noch circa eine halbe Stunde. Wenn du willst kannst du dir auch schon wärmere Kleider anziehen, dein Koffer steht drüben im Privatabteil", sagt er liebevoll. Ich kann mir das Grinsen nicht verkneifen. Ein Privatabteil im Privatflugzeug, das nenne ich mal Ironie.
Dann mache ich, was er gesagt hat und gehe wieder in das andere Abteil, damit ich an meinem Koffer ein etwas wärmeres Outfit raussuchen kann. Ich sehe schnell aus dem Fenster, aber da ich nicht mehr sehe als Schnee, weiß ich, dass es ziemlich kalt ist. Also suche ich mir ein einfaches T-Shirt raus, über das ich einen cremefarbenen Rollkragenpullover ziehe und darunter eine dunkelblaue Röhrenjeans. Ich finde noch ein paar feste Halbstiefel in einem hellen grau, die durch eine weiße Fellfütterung kuschelig und warm aussehen und schlüpfe schnell hinein.
An einem Haken neben der Tür hängt bereits mein neuer, dunkelbrauner Mantel, den ich gestern gekauft habe. Er ist schön und warm. Daneben hängt auch ein grauer Schal, mit passenden Handschuhen und Mütze. Ich fühle mich gutaussehend, also gehe ich mit neuem Selbstbewusstsein und gehe erneut zu Dacio und Antonio, die sich mittlerweile unterhalten.
„Wie sehe ich aus?", frage ich schüchtern, drehe mich einmal um die eigene Achse und lege dann eine sexy Pose, sowie einen sexy Gesichtsausruck auf.
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Chances
Teen FictionNach einem tragischen Schicksalsschlag lässt die junge Musikerin Charlot ihr altes Leben komplett hinter sich und wagt einen Neuanfang. Ob das gut geht, wird sich zeigen.