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Schon drei Tage lang wurde ich von diesen Menschen umgeben, die man als „Gruppe" bezeichnen würde. Sie waren seltsam, doch beschwerte ich mich nicht. Reden wäre unnütze Energieverschwendung. Diesen Teil übernahm glücklicherweise Dimitri Dimitrov, mein Militärgenosse. Er war der Einzige, dem ich vertraute, auch wenn er viel zu viel Wert auf seine blankpolierte Splitterrüstung legte, die, ebenso wie meine, ein Zeichen in Form eines Wolfes trug. Das Zeichen der Militär.

Boris war bei uns. Er wurde mit Dimitri und mir geschickt, um hier, am Ende der Metro, zu erfahren, weshalb der Kontakt zu diesem Außenposten abgebrochen ist. Keine Händler sind mehr zurückgekommen. Boris ist eine Legende. Er war es, der sehr viele Gefahren von uns Menschen in der Metro abgehalten hatte, was sein vernarbtes Gesicht und das Blut auf seiner Axt zeigten. Mit ihm sollte man es sich nicht verscherzen, das machte ihn für mich sympathisch. Wer weiß, wo wir jetzt ohne Männer wie ihn wären. Jedenfalls nicht hier.

Auch, wenn die Metro ein dunkles, dreckiges Loch ist, so leben wir. Oben würden wir niemals überleben, dort sind zu viele Mutanten, vor allem tagsüber. Wie abstrus das doch klingt, Tag, dabei ist hier immer Nacht, es ist immer dunkel. 15 Jahre war es her, seit ich den Himmel gesehen habe, 15 ewige Jahre, in denen ich ausgebildet wurde, in dieser Scheiße hier unten zu überleben.

Boris und Dimitri waren gute Begleiter, die anderen dagegen...

Unsere „Gruppe" bestand noch aus vier weiteren Personen. Ivana Kusnezow, eine Chronistin, die mit uns vom Zentrum gekommen ist, um unsere Geschichte zu dokumentieren, war bei uns. Sie war mir egal, nicht merkwürdig, aber auch nicht sympathisch.

Putin hatte eine Wampe, die von seinem Wohlstand zeugte, und einen riesigen Rucksack. Er war Händler, der auf Geschäfte hoffte und sich deshalb uns anschloss. Gruppen sind hier unten sicherer, allein kommt man schlecht durch. Auch ihm Gegenüber war ich neutral eingestellt. Wenn man ihn mit Putin ansprach, bestand er darauf, dass man „Putin, der zweite seines Namens" sagte. Warum war mir unklar. Er behauptete, es hätte etwas mit der Geschichte unseres Landes zu tun, doch die interessierte mich wenig.

Ein gutaussehender Mann mit silberweißem Haar, der sich Wladimir Gorbatschoff nannte und viel zu jung für eine solche Haarfarbe war, hatte sich auch zu uns gesellt. Dessen Gründe waren mir unklar, doch misstraute ich ihm. Er war merkwürdig, es war klar, dass etwas an ihm nicht stimmte. Doch war sein Charme gewaltig, deshalb ließ ich ihn mitgehen, ohne Einwände zu haben. Hier unten würde es nicht funktionieren, jeden zu bekämpfen, den man misstraute. Wir waren unseres Wissens nach die einzigen Überlebenden der Welt, Misstrauen würde den letzten Rest der Menschheit vernichten.

Die Letzte unserer Gruppe war Anastasia Stroganoff, ein kleines, zierliches Mädchen, rothaarig und ebenfalls mit unglaublichem Charme. Wenn man sie sah, so zerbrechlich und hoffnungsvoll, brachte man es nicht übers Herz, ihr etwas abzuschlagen. Sie war zweifelsohne hübsch. Bei diesem Gedanken spuckte ich auf den Boden. Was bringt hier unten Schönheit, hier zählen Stärke und Durchhaltevermögen. Ich war nicht schön, doch das war gut so. Ich war stark und groß, sogar größer als Boris oder Dimitri. Perfekt geschaffen für dieses düstere Drecksloch.

Während wir so liefen, ich schweigend wie immer, Boris an meiner Seite und den Rest der Gruppe hinter mir, kam langsam Licht in Sicht. Die nächste Station: Sokol. Als wir dort ankamen, empfing uns ein Mann, der sich als Dimitri Wandovski vorstellte. Er lud Dimitri Dimitrov, Boris und mich, die Ausgesandten, zu sich in seinen Posten ein und bot uns erstmal wunderbar edle Menthol-Zigaretten an. Sie waren prächtig. Wir griffen nach ihnen und genossen sie. Dimitri musste wohlhabend sein, wenn er uns Zigaretten zum Rauchen anbieten konnte. Zigaretten und Magazine waren unsere Währung, er schenkte uns somit Geld zum Verbrauchen.

„Gut, dass ihr gekommen seid. Die Händler, die wir in die Richtung des Endes dieses Traktes ausgesandt haben, sind nicht mehr zurückgekehrt."

„Hierhin also auch nicht?", fragte Boris.

Dimitri schüttelte den Kopf.

„Bitte findet heraus, was nicht stimmt."

„Natürlich", antwortete mein Genosse.

Ich sagte nichts, ich lies reden.

„Wäret ihr so gnädig, mit Jegor Tarkov bei 450 Wache zu halten? Aber passt auf, er erzählt gerne", fragte Wandwovski.

„Das wird eine lange Nacht", meinte Dimitri zu mir.


Hart aber UngerechtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt