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Wir redeten nicht. Alle waren darauf bedacht, kein Geräusch zu machen und aufmerksam zu bleiben. Wir achteten auf jedes kleinste Indiz, welches uns auf die Spur des Mutanten führen könnte. Bald meinte Wladimir, ob Boris das Licht von ihm weghalten könne.

„Es blendet mich etwas", behauptete er.

Boris tat dies und leuchtete nun nur an meiner Seite, nicht mehr in der Mitte. Dadurch konnte ich mehr sehen. Mittlerweile war ich mir sicher, dass Wladimir etwas an sich hatte, was nicht normal war. Man sagte, dass es Magie gab, doch waren meist die magischen Werke am Ende doch wissenschaftlich erklärbar. Ich war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte.

Manche Menschen waren fest davon überzeugt, dass die Magie tatsächlich vorhanden und einsetzbar war. Durch Geschöpfe wie Mutanten war es nicht schwer, sich das einzubilden. Doch beruhten diese wiederum nur auf erklärbaren Tatsachen. Vielleicht war Wladimir eine Art Mutant. Keiner, der gefährlich werden könnte und aus dessen Körper plötzlich Tentakeln sprießen, sondern einer, der einfach einen veränderten genetischen Code hatte, der ihn zu manchen Sachen befähigte, die wir normalen Menschen nicht konnten. Letzten Endes war es mir aber egal, was Wladimir war, solange er auf meiner Seite und mir nicht im Weg stand und eventuell sogar einen Nutzen für mich mit sich brachte.

Hinter mir hörte ich Anastasias Stimme, die etwas leise flüsterte, doch hörte ich gar nicht hin. Was auch immer sie sagte, es war sicher nicht wichtig. Ivana war zum Glück immer leise. Sie blickte nicht so grimmig, wie ich es vermutlich immer tat, doch war auch sie schweigsam. Das war sehr angenehm. Putin, der zweite seines Namens durchbrach ebenfalls nach einer Weile die Stille.

„Ich würde jetzt am liebsten eine meiner vielen Zigaretten rauchen, doch könnte ich dann nicht mehr meine Waffe halten", sagte er großspurig. Ich musste schnauben. Er prahlte mit seinem Besitz. Ich hatte schon schlauere Menschen gesehen, jene, die ihren Reichtum nicht offen preisgaben. Hier war es gefährlich, zu sehr über seinen Wohlstand zu reden. Putin hatte Glück, dass wir anscheinend nicht vorhatten, ihn zu berauben. Ich jedenfalls hatte momentan wichtigeres im Kopf.

Als ich kurz nach hinten linste, fiel mir auf, dass der Köter immer wieder versuchte, an Putins Rucksack hochzuspringen. Dieser trat ihn dann immer weg, doch gab der Hund nicht auf. Es war offensichtlich, was sich in dem Rucksack befinden musste. Doch Putin machte nicht den Anschein, uns momentan etwas von seinem Essen abgeben zu wollen.

Mein Magen grummelte und ich wurde noch mieser gelaunt. Momentan war ich noch nicht so hungrig. Natürlich wurde man hier unten immer von dem Bedürfnis nach Nahrung geplagt, doch war man das so gewohnt, sodass man erst aß, wenn man es wirklich nötig hatte. Zurzeit war es Putin noch verzeihbar, dass er uns nichts abgeben wollte. Er musste natürlich auch auf sich selbst achten und ich verstand, dass man als Händler seine Ware nicht einfach so verschenkte. Erst recht nicht, da er uns nicht wirklich kannte. Doch würde ich mit ihm in dem Falle, dass wir Nahrung dringend benötigten und er seine dennoch für sich behalten wolle, ein ernstes Wörtchen reden müssen. Mit ernstem Wörtchen meinte ich natürlich, dass ich meine Axt sprechen lassen würde.

Weiter liefen wir hinein in die Dunkelheit, die die Umrisse des schmalen Ganges verschlang. Die Gaslampe warf zitternde Schatten auf die Wände, die im Laufe der Zeit einem von Mal zu Mal unheimlicher vorkamen. Ich spürte, wie meine Gruppe immer unruhiger wurde. Wir wussten, dass wir dem Mutanten immer näherkamen. Ich selbst hatte keine Furcht, doch die Anspannung war dennoch vorhanden. Bereit, jeden Moment angreifen zu müssen, kamen wir nur langsam voran.

Nach langer Zeit gabelte sich vor uns der Weg in zwei Gänge. Wir mussten entscheiden, ob wir rechts oder links gehen wollen.

„Wir gehen links", entschied ich und wollte gerade in den linken Gang gehen, als Wladimir unsere Gruppe zum Stehen brachte. Er beugte sich hinunter und untersuchte den Boden. Kurz darauf richtete er sich wieder auf und an uns.

„Es sind Blutspuren am Boden. Sie führen nach rechts."

„Also rechts", antwortete ich und lief los. Meine Genossen folgten mir.

„Die Blutspuren waren frisch", flüsterte Wladimir ganz leise. Dennoch verstanden wir es alle. Noch vorsichtiger liefen wir voran. In Momenten wie diesen verfluchte man die Finsternis viel mehr, als man es sonst auch tat. Im Zentrum und an einigen Stationen war wenigstens „tagsüber" künstliches Licht. Hier, weit vom Zentrum entfernt und mitten in den Gängen, konnte man nicht darauf hoffen.

Urplötzlich gab Wladimir uns ein Zeichen, damit wir anhielten. Wir alle befolgten seine Anweisung sofort. Ich sah nichts, deshalb achtete ich auf Wladimir, der seine Stechkin auf einen gewissen Punkt richtete, als ob er sehen würde, dass dort etwas ist. Ich richtete Meine Axt in dieselbe Richtung und hörte, dass der Rest der Gruppe es mir gleichtat. Gespannt hielt ich meinen Atem an und wartete auf Wladimirs Reaktion.


Hart aber UngerechtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt