»Inspired by
Claude Debussy - Claire de Lune«Ich streiche durch den Wald, meine Pfoten huschen über die Wurzeln der Fichten und Kiefern. Die Vögel haben schon längst aufgehört zu zwitschern. Es ist dunkel. Nur mein bester Freund ist hier bei mir. Er gibt mir Licht, in Zeiten, in denen es keines mehr gibt. Er ist immer für mich da. Mein bester Freund, der Mond. Meine Beine tragen mich schneller und schneller, ich will ihm hallo sagen. Will ihm danken, dass er da ist. Schneller, schneller, über Stock und Stein. Auf die Lichtung. Mit dem Felsvorsprung. Angekommen. Nun sitze ich hier. Auf dem Vorsprung. Und ich sehe ihn. Klar und deutlich. Meinen Freund, den Vollmond. Er ist da für mich, schenkt mir Licht, wenn all mein Licht erlischt. Schaut zu mir herunter, wenn ich mich einsam fühle. Und immer dann spreche ich zu ihm. Oh, mein geliebter Freund. Du stehst so weit weg von mir, doch trotzdem bist du da. Bist hier und spendest Trost mit deinem Mondlicht. Mit dir bin ich nicht alleine. Und ich rufe zu ihm auf, obgleich er nicht antwortet. Ich heule, heule ihm zu. Denn er ist da, auch wenn ich ihn nicht hören kann. Ich kann ihn sehen und auch spüren. Das reicht. Ich heule. Und unterhalte mich mit ihm. Bis seine große Schwester, die mich blendet, auftaucht. Bis er verschwunden ist. Aus meiner Sicht, doch nicht aus meinem Kopf. Er ist immer da. Mein bester Freund, der Mond.
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Hier sitze ich, an dem großen Fenster, und sehe hinaus. Auf den Wald. Es ist still hier im Haus. Draußen ruft ein Wolf, ganz in der Nähe. Er ist bestimmt alleine, er klingt so einsam. Ich verstehe ihn, fühle mich wie er. Verlassen, hilflos... einsam. Mit meinem rechten schwarzen Pulloverärmel wische ich mir die Tränen von vorher aus dem Gesicht und schniefe. Diese Tasse in meiner Hand. Die rote Flüssigkeit sieht so schön aus. Und doch möchte ich sie nicht trinken, ich bin hin und her gerissen. Doch ich wage es. Nehme einen Schluck vom liquiden Rot. Verziehe das Gesicht ein wenig und weiß, dass es wahr ist. Ich schmecke Eisen. Sehe aus dem Fenster und frage mich, woher das Getränk wohl kommt. Und warum es immer mich treffen muss. Plötzlich läuft mir ein warmer Schauer über den Rücken. Ich sehe herüber zur Tür, an den Tührrahmen gelehnt steht er da. Mit einem beruhigenden Blick, einem sanften Lächeln. Ich dachte, Leute seiner Art könnten das nicht. Aber ich bin nun auch eine von ihnen und ich tue es noch. Genau in diesem Moment. Ich lächle, zwar unsicher, aber ich tue es, was ihn einlädt, näher zu kommen. Mit langsamen, großen Schritten bewegt er sich auf mich zu. Seine kohlrabenschwarzen Haare hängen ihm in's Gesicht und er setzt sich mir gegenüber auf die Fensterbank und sieht hinaus, so wie ich es getan hatte. Die Reihe aus schneeweißen, spitzen Zähnen, sein Lächeln, wächst und er schenkt mir einen warmen Blick, der mir ein sichereres Gefühl gibt. "Es ist schön, nicht wahr?" Seine Stimme, sonst ein raues und gefährliches Knurren, jetzt weich wie ein Kissen. Stumm nicke ich und richte meinen Blick hinaus. Ich versuche mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich seine bernsteinfarbenen Augen in Verlegenheit bringen, wie wohlig ich mich fühle, wenn er in der Nähe ist, obwohl ich Angst habe. Angst, vor dem, was kommt und was aus mir wird. Vorsichtig beugt er sich zu mir vor und schiebt mir eine rote Haarsträhne aus der Stirn. Die Berührung lässt mich zusammenzucken. Seine Pupillen sind groß, wie der helle, dicke Mond neben uns, draußen vor dem Fenster, der sich in seinen Augenwinkeln wiederspiegelt. Mein Gegenüber streicht mit seinem Daumen unter meinen Augen entlang und entfernt die restlichen Tränen. Seine Hände, so warm und so weich, trotzdem so stark. Er greift mit seiner linken Hand nach der Tasse in meiner Hand und stellt sie neben mich auf das Holz. "Es ist okay. Du musst dich an alles gewöhnen", sagt er rau. Er ist immer noch so nah bei mir, eine Handbreite von meinem Gesicht entfernt. Mit seiner rechten streichelt er über meine linke Wange und dreht mein Kinn mit seinem Zeigefinger zu sich, um meinen Blick von dem Nachtleben im Wald auf das Nachtleben direkt vor mir zu lenken. Sein Blick wandert von meinen blauen Augen zu meinen zartrosanen Lippen, hin und her. Als würde er überlegen, als wäre er sich nicht sicher, ob es das Richtige wäre. Doch nun hat er einen Entschluss gefasst, ich sehe es ihm an. Leise haucht er an meine Lippen: "Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um auf dich aufzupassen. Versprochen." Er schließt die Lücke zwischen uns und küsst mich zärtlich. Dieses Monster, Tier, dieses starke, grobe Wesen vor mir ist zärtlich zu mir. Wie? Behutsam streicht er über meine Haare und zieht mich näher an sich, um einen Arm um mich zu legen. Zögernd entspanne ich mich und gebe mich diesem Gefühl hin, lasse meine Hände ihren Platz an seinem Hals und in seinem dichten Haar finden. Nach einer letzten, süßen Berührung unserer Lippen löst er sich von mir und sieht mir direkt in die Augen. "Versprochen", wiederholt er ernst.
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Sanfte Klänge von dem Flügel hinter dem ich sitze, meine Finger gleiten nur zu über die Tasten. Schwarz und weiß, so wie das Leben spielt. Ich fühle die Musik, fühle dieses Lied. Es ist so wunderschön. Wenn ich es spiele, sehe ich Dinge. Einen Wolf und Vampire. "Clair de Lune" ist so ein unbeschreiblich schönes Meisterwerk. "Du spielst fantastisch", höre ich ihn flüstern und schon habe ich Gesellschaft auf meinem Hocker. Er setzt sich eng neben mich und folgt aufmerksam meinen Bewegungen. Wann werden wir es uns endlich sagen? Was wir für einander empfinden? Mein bester Freund legt einen Arm um mich und grinst breit. "Irgendwann bringst du mir Klavierspielen bei." Ich lächle stumm und versuche, mich auf das Stück zu konzentrieren. Doch er beobachtet mich immer weiter. "Du zeigst solche Leidenschaft beim Spielen", merkt er an, "Man kann das Feuer, das die Musik in dir entfacht hat, förmlich sehen." Amüsiert grinse ich, spiele jedoch weiter. Seine hübschen, strahlend grünen Augen liegen immernoch auf mir. "Deine Augen leuchten vor Freude, es ist so schön", sagt er leiser und hält mich fester bei sich. Auch wenn ich es nicht will höre ich auf zu spielen und schenkte ihm nun meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Zögernd legt er eine Hand an meine Wange und bringt mein Gesicht näher zu seinem. "Du bist etwas Besonderes", flüstert er ernst und sieht meine Lippen an. Ich nicke und scherze: "Gut, dass wir der selben Meinung sind."
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»Clair de Lune« ist vermutlich mein allerliebstes, klassisches Stück der ganzen Welt. Da hat sich Claude Debussy etwas Wunderbares einfallen lassen.
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Graue Welt - Bunte Gedanken!
Poetry[🇩🇪/🇺🇸] Manchmal ist die Welt grau. Manchmal brauchst du Trost. Manchmal ist ein Buch das Beste, das du finden kannst, um deinen Kummer zu begraben. Durchbreche die Grenzen deiner Fantasie und lasse deinen Gedanken freien Lauf. Zersäge die Glied...