Jammin' - for real! (2019)

2 0 0
                                    

Mein Herz pumpt auf Hochtouren. Was habe ich mir eigentlich gedacht? Hab mich mal wieder überschätzt, waren wohl drei Spezi zu viel und jetzt sitze ich hier. Jeder Act zieht an mir vorbei wie ein Schnellzug, ich kann sie gar nicht genießen, ich würd's so gerne. Denn die Leute haben sich ja auch was dabei gedacht. Warum sie auf die Bühne steigen, sie haben einen Grund, haben sich was dabei gedacht. Im Gegensatz zu mir. Ja na klar, komm,' du singst gern, hier kannst du's. Lass' die Sau raus, mach' Party, beweg' die Menge. Hab ich mir gedacht, bevor ich gesagt hab, dass ich's mach'. Jetzt sitze ich im Publikum und kann schon gar nicht mehr zuhören. Ich hatte noch nie so krasses Lampenfieber, was ist denn jetzt los?! Ich kann mich nicht mehr konzentrieren, gehe nur den Text in meinem Kopf durch. Wieder und wieder. Aber ich weiß, dass, was ich vor 7, vor 6, vor 5, vor 4, vor 3 Tagen, vorgestern und gestern noch kannte, dass das, was ich vor 4 Stunden noch hätte hinbekommen können, wie aus meinem Hirn geblasen ist. Ich krieg das schon irgendwie hin, jetzt ist's eh zu spät und wenn ich die Lyrics verdreh, dann fällt's keinem auf, weil das Lied eh keiner kennt, denke ich mir und ich atme tief aus und sehe zu dem Mädchen neben mir, das mir Mut macht, indem es mich freundlich anlächelt.

Shit. Mein Name. Die haben meinen Namen gesagt. Ich bin dran. Ich bin jetzt dran.
Wie von der Tarantel gestochen renne ich an der Bühne vorbei, werde ausgelacht und man ruft mir: "Falsche Richtung!", hinterher, aber ich brauche auch Sound, denn Instrumente spielen kann ich nicht, vor allem, wenn ich keine dabei hab. Also renne ich zum Mischpult und regle die Technik, das sollte klappen. Ich sprinte zurück zur Bühne und springe mit einem ordentlichen Satz herauf, anstatt das Treppchen zu benutzen, zur Hölle, meine Sportlehrkraft wäre so stolz auf mich. Das Mikro wird mir in die Hand gedrückt, mir wird ein aufmunterndes Lächeln gegeben und nun stehe ich alleine auf der Bühne. Vor mir über 100 Menschen. Aber die Hälfte kann ich nicht sehen, weil mich mehrere Scheinwerfer blenden. Awesome.
Was mach' ich hier?
Es geht los.
Das Playback beginnt zu spielen und ich nicke zu mir selbst, groove mit ein paar abgewrackten Dancemoves vor so vielen Leuten ab und... lächle. Normalerweise wäre mein Lampenfieber jetzt komplett weg. Ist es aber nicht. Es ist noch da. Mayday, wir haben ein Problem. Da ist der Einsatz. Ich beginne zu singen. Drei fangen an zu klatschen, dann acht, dann fünfzehn, es werden immer mehr, bis plötzlich alle klatschen.
Oh wow. Sie stehen auf! Manche stehen echt auf! Das Zittern in meiner Stimme kann zwar nur ich hören, aber es ist da. Und solange es nicht so ist, wie ich es will, zitterfrei, selbstbewusst und alle Töne getroffen, da kann es noch so gut sein, dann ist es aber trotzdem scheiße, weil es nicht so ist, wie ich wollte.
Ich schaff' das, come on. Ich steh' schon hier oben, ich singe, ich tanze, ich lache, ich fühle mich großartig.
We're jammin'. I wanna jam it with you. We're jammin'. And I hope you like jammin', too. Das ist das Bühnenleben. Und obwohl meine Knie nicht das machen, was sie sollen, obwohl meine Stimme sich verhält wie eine Spinne, da tänzele ich doch zu dem einen Kerl von vorher herüber und nicke ihn an, singe ihn an, deute auf ihn und er nickt und lacht und klatscht. Ich nicke, tanze weiter, obwohl ich nicht tanzen kann, singe weiter, obwohl ich nicht davon überzeugt bin, singen zu können. Aber würde ich hier stehen, wenn ich's nicht könnte? Würd' ich's von mehreren Leuten hören, wenn ich's nicht könnte? Dass ich recht gut singen kann? Wahrscheinlich nicht. Und das zählt.
Ich jamme. Ich jamme so ab. Ich fühl' mich, ich jamme, es ist so geil hier oben.
Jam's about my pride and the truth I cannot hide. To keep you satisfied. True love that now exists is the love I can't resist so jam by my side! Und alle klatschen und wippen und manche singen sogar mit.
--- Warte mal. Wie ging der Text? Improvisation, ich verdreh zwei, drei Zeilen, wiederhole mich, keinem fällt's auf. Ich überspiele die Unsicherheit gekonnt und singe mich an's Ende des Songs, an's Ende der Bühne. Der Applaus ist... wow. Einfach wow. Manche Klatschen nur, manche Jubeln. Einige stehen immer noch und springen lauthals jubelnd auf und ab. Oh wow. Das hab ich geschafft, das hab ich verdient?
Ich lache. Ich lache laut, verbeuge mich trottelig und theatralisch und übergebe das Mikrofon, die Menge ist immer noch laut und jubelt mich an, ich steige hinab, zurück auf Grund und Boden und gehe gechillt, immer noch laut lachend an den Reihen vorbei. Manche halten mir die Hände raus und ich schlage ein. Hier bin ich ein Superstar. Ich lasse mich überglücklich auf meinen Stuhl plumpsen und grinse.
Wow! Ich hab das echt geschafft!

»«»«»«

Auf der Bühne zu stehen ist eines der schönste Dinge auf dieser Welt.

Und mit diesem Text über eine der coolsten Erfahrungen aus meinem 2019 entlasse ich euch aus meiner Poetischen-Philosophie-Woche.
Ich hoffe ihr hattet Spaß oder dass es euch gefallen hat, denn mir hat es saumäßig gefallen, diese ganzen antiken Krümel auszubuddeln. Wie ich schon in der Beschreibung der Story sagte, wäre ich ohne die Version von Bonny, die diese ganzen Krümel geschrieben hat, nicht die selbe Bonny wie heute und ich gebe ihr nicht genug Credit dafür. Und weil sie sich gewünscht hätte, diese pseudo-philosophische und -poetische Scheiße irgendwann mal hochzuladen... here you go. Ihr hattet einen Einblick in meine Welt.
Bis bald.

<3

Graue Welt - Bunte Gedanken! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt