Die ganze Fahrt über zerbrach ich mir den Kopf darüber, was diese Männer von mir wollten und was jetzt mit mir passieren würde. Gleichzeitig versuchte ich irgendwie mit meiner Panik klarzukommen. Ich konnte und wollte einfach nicht wahrhaben, was hier passierte. Ich musste träumen. Das konnte nicht die Realität sein! War ich ein Zufallsopfer oder war ich gezielt ausgewählt worden? Aber was hatte ich denn schon zu bieten? Mein Vater saß im Knast, meine Mutter und ich hielten uns gerade so über Wasser. Mama könnte nie irgendein Lösegeld bezahlen.
Ich zitterte am ganzen Körper. Waren diese Männer Perverse und nur auf meinen Körper aus? Würden sie mich vergewaltigen? Würden sie mich zu einer Sexsklavin machen? Ich hatte darüber gelesen, so etwas gab es. Und ich war durchaus attraktiv, groß und schlank, feines brünettes Haar, warme braune Augen und eine gute Figur. Dazu ein zärtliches Gesicht mit sanften Wangenknochen und einer schmalen hübschen Nase. War ich deshalb ausgewählt worden? Ich wusste es nicht und es machte mir eine höllische Angst.
Meine Hände waren bereits eingeschlafen und kribbelten unangenehm. Der Kabelbinder war viel zu eng. In dem Sack über meinem Kopf müffelte es, die Luft staute sich und war verbraucht. Ich sehnte mich nach Sauerstoff. Nach frischer Luft. Und bei alldem hatte ich vollkommen den Überblick verloren, wie lange wir schon fuhren. Jedes Mal, wenn wir langsamer wurden oder ganz anhielten, blieb mein Herz stehen. Aber es schienen nur Ampeln oder Kreuzungen zu sein, denn wir fuhren jedes Mal weiter. Keiner der Männer sprach mit mir. Sie ließen mich einfach achtlos auf dem Boden liegen und mit der Ungewissheit und meiner Panik kämpfen.
Als der Wagen ein weiteres Mal langsamer wurde, schlug mein Herz erneut höher. Der Wagen stoppte und ich hielt bangend die Luft an. Standen wir wieder an einer Ampel? Doch schon im nächsten Augenblick musste ich voller Entsetzen feststellen, dass dem nicht so war, denn das Motorengeräusch verstummte! Ich erstarrte und mein Herz setzte einen Moment aus, ehe es zu rasen begann. Eine neue Panikwelle schoss durch meinen Körper. Ich wollte nicht ankommen! Ich hatte panische Angst vor dem, was die Männer mit mir vorhatten.
„So, da wären wir, Schätzchen", hörte ich einen von ihnen und da wurde ich bereits berührt. Ich zuckte zusammen und mein Körper versteifte sich weiter. Ohne es verhindern zu können, wurde ich aus dem Van gezogen und schließlich von jemandem auf seinen Armen getragen. Ich zitterte und kämpfte gegen die Tränen. Was würde nun passieren? Wo brachten diese Männer mich hin? Ich wollte sie danach fragen, sie anflehen, es mir zu erzählen, doch ich konnte nicht. Das Klebeband auf meinem Mund zwang mich unbarmherzig zum Schweigen.
Erschrocken hörte ich eine Tür und schon wenige Augenblicke später veränderte sich die Geräuschqualität um mich herum. Wir schienen in einem Haus angekommen zu sein und ich wurde weiter getragen, stocksteif vor Angst. Ich glaubte, es ging eine Treppe hinab. Meine Kehle schnürte sich zu. Würden sie mich in einen Keller sperren? Der Gedanke war derart beängstigend, dass meine Brust sich schmerzhaft zusammenzog. Da hörte ich bereits die nächste Tür und wenig später wurde ich auf einen Stuhl gesetzt. Jemand nahm meine Hände hinter die Stuhllehne, dann spürte ich, wie ein Seil um meinen Oberkörper gewickelt wurde, das mich fest an den Stuhl band. Ich schrie in das Klebeband, versuchte mich zu wehren, aber ich hatte keine Chance. Verzweifelt und mit rasendem Herzen saß ich schließlich auf dem Stuhl und konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Unaufhaltsam liefen sie über meine Wangen, während ich nur mit Müh und Not ein Schluchzen unterdrücken konnte.
„Mmmmh!", versuchte ich die Männer anzuflehen, mich wieder gehen zu lassen. Doch leider war ihnen das – wie nicht anders zu erwarten war – egal. Ich zitterte am ganzen Körper und kämpfte verzweifelt gegen meine Fesseln an. Doch die Männer wussten, was sie taten. Es gab kein Entkommen. Ich fühlte mich schrecklich unwohl und die panische Angst, die ich empfand, raubte mir meine Sinne. Waren die Männer noch hier und beobachteten mich? Oder waren sie gegangen? War ich alleine? Durch den Sack über meinem Kopf konnte ich verdammt nochmal nichts sehen.
„Mmmmh!", schrie ich noch einmal hysterisch. Die Stille und meine durch den Sack erzeugte Blindheit schürten die Angst wie Öl, das ins Feuer gegossen wurde. Was um alles in der Welt passierte hier? Wo waren die Männer und was hatten sie mit mir vor?
Ein plötzlicher Schlag auf meinen Hinterkopf ließ mich erschrocken verstummen.
„Halt deine Klappe, Kleine. Hier hört dich sowieso niemand. Und wir werden dich nicht gehen lassen, das kannst du vergessen. Wir brauchen dich noch. Und jetzt sei still und versuch zu schlafen."
Ich atmete flach und viel zu schnell, meine Verzweiflung wuchs. Ich konnte einfach nicht fassen, in welcher Lage ich mich befand. Nur wenige Sekunden später hörte ich, wie eine Tür ins Schloss fiel und anschließend abgeschlossen wurde. Panisch schrie ich auf. Mein Herz schlug nun so schnell, dass ich Angst hatte, es würde mir aus der Brust springen. Ich bekam kaum noch Luft. Verzweifelt wimmerte ich vor mich hin und kämpfte mit den Tränen. Die Männer hatten mich hier eingesperrt, gefesselt, geknebelt und blind! Noch einmal versuchte ich gequält, mich aus den Fesseln zu befreien. Doch der Kabelbinder war unerbittlich und schnitt sich bei jeder Bewegung schmerzhaft in meine Haut. Auch das Seil um meinen Oberkörper saß fest. Trotz der Aussichtslosigkeit meiner Lage versuchte ich es verbissen weiter. Ich musste es einfach schaffen. Ich musste mich von diesem Stuhl befreien! Doch dann fiel mir die Tür wieder ein. Auch sie war verschlossen. Selbst wenn ich mich von dem Stuhl und meinen Fesseln befreien könnte, säße ich noch immer in diesem Kellerraum fest. Aber... wäre das nicht immer noch besser, als hier auf diesem Stuhl zu sitzen? Meine Arme und Handgelenke schmerzten bereits. Schlafen sollte ich? Wie um alles in der Welt stellte dieser Mann sich das vor? Wie sollte ich denn schlafen können, wenn ich nicht wusste, was hier los war, was die Männer von mir wollten und was sie mit mir machen würden? Wie sollte ich schlafen können, wenn ich mich nicht bewegen konnte, an einen Stuhl gefesselt, geknebelt und mit einem Sack über dem Kopf? Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ich auch nur eine Sekunde Schlaf finden würde. Das war schlicht und ergreifend nicht möglich.
Niedergeschlagen dachte ich an Lisa und an meine Mum, bis ein wenig Hoffnung in mir aufkeimte. Mama würde bemerken, wenn ich heute Abend nicht nach Hause kam! Ganz bestimmt würde sie in ihrer Sorge sofort Lisa anrufen und von dieser erfahren, dass ich schon vor Stunden nach Hause gefahren war. Und dann würde meine Mum die Polizei rufen. Ohne jeden Zweifel. Sie war, was mich betraf, immer sehr ängstlich. Dazu hatte sie, nach allem, was wir durchgemacht hatten, ja auch jedes Recht. Sie würde die Polizei rufen. Diese würden Zeugen aus dem Bus befragen und mich auf diese Weise bitte, bitte schnell finden und befreien. Ich ertrug das hier nicht! Ich wollte sofort weg von hier!
Bitte, ich will hier weg!
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Entführt - Im Dunkeln (Leseprobe)
Mystery / ThrillerBand 1 und 2 der Entführt-Reihe. Die 16-jährige Bella wird eines Abends plötzlich auf der Straße angegriffen, entführt, gefesselt und in einen Kellerraum gesperrt. Was wollen diese Männer von ihr? Und was hat das alles mit ihrem Vater zu tun, der se...