Ich hörte, wie die Schritte stoppten und wieder ein Schlüssel im Schlüsselloch gedreht wurde. Dann wurde die Tür geöffnet. Mein Herz raste und ich hielt einen Moment die Luft an. Ich hatte Angst. Was würde jetzt passieren? Das Licht ging an und ich kniff erschrocken meine Augen zu.
„Guten Morgen, Kleine. Hast du noch ein bisschen geschlafen?"
Das musste der Mann mit den braunen Augen sein. Er hatte mich auch gestern „Kleine" genannt. Der mit den grauen Augen nannte mich Schätzchen. Mit dem dritten Mann, der ebenfalls den Raum betrat, hatte ich nur bei meiner Entführung auf der Straße Kontakt gehabt. Alle drei trugen schwarze Skimasken und waren auch sonst von oben bis unten schwarz gekleidet. Das war ganz schön furchterregend. Wie eine Mauer bauten sie sich vor mir auf. Mir steckte ein dicker Kloß im Hals und ich versuchte verzweifelt, ihn runterzuschlucken.
„Sie sieht zumindest nicht so aus, als hätte sie viel geschlafen", schmunzelte der Grauäugige.
„Bitte, was... was wollt ihr von mir?", flüsterte ich ängstlich. Die ganze Nacht hatte ich mich mit der Frage herumgeschlagen und jetzt konnte ich sie das erste Mal stellen.
„Na wer sagts denn! Hat da jemand seine Sprache wieder gefunden?"
„Meine Mutter hat kein Geld", stammelte ich weiter vor mich hin und sah den Männern nacheinander flehend in die Augen.
„Wer sagt denn, dass es hier um Geld geht?", fragte der Grauäugige amüsiert.
„Ich... was wollt ihr dann von mir?"
Ein brennender Schmerz auf meiner Wange ließ mich zusammenzucken. Schockiert starrte ich den Braunäugigen an. Unter seiner Skimaske glaubte ich einen Schnurrbart zu erkennen. Aber dieses Detail brachte mich auch nicht weiter.
„Du hast hier überhaupt nichts zu melden, Kleine. Ich habe dich heute Nacht gewarnt. Ich will keinen Mucks von dir hören. Daran hat sich nichts geändert. Hast du das verstanden?"
Entsetzt sah ich ihn an. Mit feurigem Blick sah er mir in die Augen. Dieser Mann machte mir wirklich Angst. Als er gerade seine Hand wieder hob, nickte ich schnell.
„Ja", schob ich kleinlaut hinterher. „Ich... ich hab's verstanden."
Der Mann funkelte mich mit seinen braunen Augen an, dann nahm er seine Hand wieder herunter.
„Das will ich hoffen", sagte er. „Also, du hast sicher eine Ahnung, wieso wir gekommen sind. Wir haben dir ja gestern von deinem großen Auftritt erzählt." Er hielt inne, nahm mein Gesicht in seine Hände und schmunzelte zufrieden. „Ja, das ist wirklich schön geworden", meinte er und strich über meine schmerzende linke Schläfe. Ich zuckte von der Berührung zurück. Mein Gesicht fühlte sich geschwollen an und vermutlich war es ordentlich rot und blau verfärbt. Der Grauäugige hatte ordentlich zugeschlagen.
„Und jetzt hast du auch noch eine hübsche rote Wange", schmunzelte er zufrieden. „Am besten warten wir nicht mehr lange und fangen direkt an."
Mein Puls schnellte in die Höhe. Womit fangen wir an? Ich wollte wirklich danach fragen, aber ich traute mich nicht. Ich konnte diese Männer noch nicht einschätzen. Ich wusste nicht, was passieren würde, wenn ich mich ihren Wünschen widersetzte. Der Braunäugige schien ganz klar das Sagen zu haben. Was würde passieren, wenn ich gegen seinen ausdrücklichen Befehl noch einmal etwas fragen würde? Panisch sah ich die drei Männer an. Alle drei schmunzelten zufrieden, während sie mich anstarrten. Ich verspürte den Drang, sofort im Boden zu versinken, um ihren Blicken irgendwie zu entkommen. Ich wollte einfach nur weg von hier! Dann zog der mir unbekannte eine kleine Kamera aus seiner Jackentasche. Das Herz rutschte mir in die Hose und mein Atem stockte. Schockiert blieb mein Blick an der Kamera hängen. Der Braunäugige lachte.
„Wie ich sehe, hast du die Situation bereits erfasst. Ist ja auch nicht allzu schwierig. Du hast vermutlich bereits letzte Nacht deine Schlüsse gezogen. Also, wir möchten, dass du dich von deiner besten Seite zeigst. Du schaust schön traurig drein und sagst kein Wort, es sei denn, du erhältst den ausdrücklichen Befehl dazu. Ansonsten überlässt du das Reden mir. Hast du das verstanden? Nicke bitte."
Ich schluckte, aber ich nickte. Mein Kinn begann zu zittern. Ich hatte Angst und war nervös. Im selben Moment knurrte leider auch mein Magen. Ein leises Lachen war zu hören.
„Das Schätzchen hat Hunger."
„Das tut im Moment nichts zur Sache", ließ sich der Braunäugige nicht drausbringen.
Tränen stiegen mir in die Augen. Würden die mir wirklich nichts zum Essen geben? Verzweifelt versuchte ich, gegen meine Tränen anzuatmen. Ich wollte ihnen eigentlich nicht den Gefallen tun, auf dem Video auch noch zu weinen. Meine Mutter würde dieses Video zu sehen bekommen. Ziemlich sicher. Ich wollte nicht, dass sie sich zu große Sorgen machte – wobei dieses Unterfangen ziemlich aussichtslos war. Es reichte, dass ich gefesselt und offensichtlich verprügelt auf diesem Stuhl saß.
„Also gut. Mach die Kamera an", hörte ich den Braunäugigen wieder sagen. Die drei hatten in meiner Anwesenheit noch nie einen Namen erwähnt. Der dritte Mann nahm die Kamera höher und drückte vermutlich auf Aufnahme. Mein Herz begann wieder zu rasen. Der Braunäugige stellte sich hinter mich.
„Hast du uns gut drauf?"
Der dritte nickte. „Ja, der Weitwinkel hält, was er verspricht. Man sieht wirklich alles."
„Ok, sehr gut", meinte der Mann hinter mir.
„Und, bist du bereit, Isabella?", hörte ich ihn dann fragen. Ich schluckte nur. Ich bekam kein Wort heraus. Und auch sonst hätte ich nur kräftig den Kopf schütteln können. Ich war ganz sicher nicht bereit. Noch schlimmer wurde es, als ich spürte, wie sich etwas kaltes, dünnes an meinen Hals legte. War das ein Messer? Panisch hielt ich die Luft an.
„Nur die Ruhe, Kleine. Und keine unüberlegten Bewegungen. Ja, das ist ein Messer an deinem Hals."
Der Grauäugige mir gegenüber sah mich währenddessen grinsend an.
„Na dann kann's ja losgehen."
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Entführt - Im Dunkeln (Leseprobe)
Mystery / ThrillerBand 1 und 2 der Entführt-Reihe. Die 16-jährige Bella wird eines Abends plötzlich auf der Straße angegriffen, entführt, gefesselt und in einen Kellerraum gesperrt. Was wollen diese Männer von ihr? Und was hat das alles mit ihrem Vater zu tun, der se...