Ich zitterte. Ich bekam kaum Luft, so heftig schlug mein Herz. Aber ich rührte mich nicht. Das Messer an meinem Hals ließ mich erstarren. Ohne es zu wollen, starrte ich in die Kamera. Was wollten diese Männer nur von mir? Was würde jetzt passieren? Sie würden mir hoffentlich nicht vor laufender Kamera die Kehle aufschlitzen. Oder doch? War es das, was sie wollten? Ich hatte von solchen Videos gehört. Videos von echten Morden. Sie waren manchen Menschen viel Geld wert. Mein Körper versteifte sich vor Angst. Ich wollte nicht sterben. Nicht jetzt. Nicht hier. Und sowieso nicht so grausam. Verzweifelt holte ich Luft. Ganz langsam und vorsichtig.
Verdammt. Sie hatten mich jetzt vermutlich genau da, wo sie mich haben wollten. Die Panik stand mir sicher ins Gesicht geschrieben. Ich musste mich irgendwie beruhigen. Aber mit dem Messer am Hals war das einfach nicht möglich. Zu sehr hatte mich die Angst im Griff, dass der Mann jederzeit meine Kehle aufschlitzen könnte. Ich versuchte mir irgendwie Mut einzureden. Die Männer hatten Masken auf. Sie wollten mich nicht töten. Bitte. Sie wollten etwas anderes von mir.
„Herzlich willkommen zu unserem ersten Video", riss mich die Stimme des Mannes hinter mir plötzlich aus meinen Gedanken. Ich zuckte zusammen. Ein kleiner Funke Hoffnung keimte in meinem Inneren. Wenn es nur das erste Video war, würden sie mich vielleicht doch nicht töten? Allerdings graute mir gleichzeitig davor, was das für mich bedeutete. Wie viele Videos hatten sie geplant? Zu welchem Zweck? Wie lange würde ich das hier ertragen müssen?
„Ich verzichte darauf, mich selbst vorzustellen. Ich bin nicht der Mann, um den es hier geht. Stattdessen möchte ich Euch gerne unseren Gast vorstellen. Vermutlich fragt ihr euch alle, wer dieses schöne verängstigte Mädchen ist, das hier vor mir sitzt. Die meisten von euch haben vermutlich schon von ihr gehört. Ihr erkennt sie nur nicht, weil es schon viele Jahre her ist, dass ihre Geschichte durch die Medien ging. Aber ich möchte euch nicht länger auf die Folter spannen. Vor mir sitzt Isabella Sanders, besser bekannt als Isabella Halloway."
Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter, als er meinen alten Namen aussprach. Mit diesem Namen hatte ich längst abgeschlossen. Was hatte das alles nur zu bedeuten? Was wollten diese Männer von mir? Mein Kinn zitterte, während der Mann weitersprach.
„Na, erinnert ihr euch wieder? Ja, sie ist ein paar Jahre älter geworden. Aber wenn ihr genau hinseht, seht ihr doch das kleine verschüchterte Mädchen hier sitzen, nicht wahr? Ok, ihr Gesicht ist ein wenig geschwollen. Aber das ist jetzt nicht so wichtig. Denn ich will auf etwas anderes hinaus. Vielleicht kennt ja nicht jeder unsere Isabella hier, aber vermutlich hat doch jeder schon einmal etwas von ihrem Vater gehört, nicht wahr? Mike Halloway."
Mir gefror das Blut in den Adern. Was hatte das alles mit meinem Vater zu tun? Er saß seit fast zehn Jahren hinter Gittern.
„Was würde ich jetzt dafür geben, deinen Gesichtsausdruck zu sehen, Kleine. Aber ich werde ihn mir später auf dem Video ansehen. Ja, du hast richtig gehört, es geht um deinen Vater. Der sitzt doch im Knast, werdet ihr jetzt alle denken. Und natürlich habt ihr Recht. Sonst wäre das alles hier auch gar nicht nötig. Vielleicht wird euch langsam klar, worauf das alles hinauslaufen wird, nicht wahr? Hast du eine Vermutung, Isabella?"
Mein Blick erstarrte, als er neben mich trat und sein Gesicht in mein Blickfeld schob. Ich bekam kaum noch Luft. Das alles hier war zu viel für mich.
„Du darfst jetzt sprechen, kleine Isabella", sagte er sanft, doch sein Blick sprach eine andere Sprache. „Hast du eine Idee, wieso wir dich entführt haben?"
Panisch sah ich ihn an. Ich war völlig überfordert. Nur einen Augenblick später wurde mein Kopf zur Seite gerissen. Seine Faust hatte meine rechte Wange getroffen. Schmerzerfüllt stöhnte ich auf. Ich atmete gegen die Tränen an, die mir sofort in die Augen schossen. Dann hob der Mann mein Kinn.
„Ich habe gesagt, du darfst jetzt sprechen. Also sprich!", fauchte er mich an. Meine Wange pochte, der Schock saß tief, aber ich wusste, ich musste etwas sagen, wenn ich verhindern wollte, dass er noch einmal zuschlug.
„Ich... ihr... ihr wollt... meinen Vater", flüsterte ich und versuchte, seinem Blick auszuweichen. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen. Das hier war so erniedrigend. Wer würde dieses Video zu sehen bekommen? Im nächsten Moment war mein Kinn wieder frei und ich hörte ein begeistertes Klatschen. Der Mann lachte.
„Bravo, Isabella. Und jetzt noch einmal so, dass alle es hören können. Schön in die Kamera. Was wollen wir?"
Er sah mich finster an, ich zitterte am ganzen Körper, mein Schädel pochte. Das einzig Positive seines Schlags war gewesen, dass er dafür sein Messer von meinem Hals genommen hatte. Doch als ich ihm einen Moment zu lange zögerte, berührte die kalte Klinge wieder meinen Hals.
„Wir haben hier nicht ewig Zeit, Kleine. Willst du unsere Zuschauer langweilen?"
Entsetzt spürte ich, wie sich das Messer in meine Haut schnitt. Ich zuckte zusammen und riss meine Augen auf. Panik schoss durch meinen Körper.
„Willst du jetzt etwas sagen, Isabella?", raunte er von hinten.
„Ihr... ihr wollt meinen Vater", presste ich angsterfüllt hervor, während ich versuchte, trotz aller Umstände nicht zu panisch zu wirken. Vermutlich war ich darin kläglich gescheitert.
„Und noch einmal etwas lauter, dass es auch wirklich alle verstanden haben", forderte er mich auf, während der Druck auf das Messer leicht zunahm. Ich spürte bereits, wie eine dünne Spur Blut von der Wunde über meinen Hals lief.
„Ihr wollt meinen Vater!", schrie ich fast.
Das Messer verließ endlich meinen Hals und ich atmete erleichtert durch. Dann hörte ich den Mann hinter mir wieder sprechen:
„Wir melden uns wieder mit genaueren Anweisungen. Das lassen wir jetzt erstmal sacken. Also bis zum nächsten Video."
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Entführt - Im Dunkeln (Leseprobe)
Mystery / ThrillerBand 1 und 2 der Entführt-Reihe. Die 16-jährige Bella wird eines Abends plötzlich auf der Straße angegriffen, entführt, gefesselt und in einen Kellerraum gesperrt. Was wollen diese Männer von ihr? Und was hat das alles mit ihrem Vater zu tun, der se...