Vergangenheit

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Meine Mutter begann zu erzählen.

"Ich wurde als Mensch geboren. Ich war durch und durch ein Mensch. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, dass es diese Welt hier gibt. Eines Tages jedoch habe ich einen jungen Mann kennen gelernt. Es war nicht dein Vater. Er hieß Enzo. Ich habe mich in ihn verliebt und ich schwebte auf Wolke 7. Er war so unglaublich toll... Aber je länger ich mit ihm zusammen war, desto mehr wurde ich ein Teil seines Lebens. Und somit konnte er mir nicht mehr verheimlichen, was er ist. Er war ein Fairywesen. Komisch, nicht wahr? Anfangs war ich verblüfft und verwirrt, aber er zeigte mir diese wunderschöne Welt und diese ganzen Fairys und Gefährten. Ich war wirklich begeistert."
Sie schwärmte vor sich hin.

"Wir waren so glücklich gemeinsam... Aber das sollte sich ändern."
Sie schluckte und wirkte nachdenklich.

"Lidia, bitte hör mir nun zuerst zu, bevor du etwas sagst, ja?"
Ich nickte.
Noch einmal atmete sie tief ein und aus.

"Ich wurde schwanger. Ich war so überwältigt und... einfach glücklich. Doch er... Seit dem Moment als ich ihm davon erzählt hatte, veränderte er sich. Er wurde immer gemeiner und... eigenartiger."
Sie machte eine kurze Pause.

"Ich sollte es später erfahren, dass..."
Sie schluchzte.
"...dass er noch eine andere Frau hatte. Ein anderes Menschenwesen."

Ihre Augen füllten sich mit Tränen.

"Ich war so aufgelöst."
Sie sah auf den Boden.
Einige Tränen tropften auf den Boden.
Ich wollte ihr zu verstehen geben, dass sie nicht weiter zu reden braucht, aber sie tat es dennoch.

"Ich habe das Baby bekommen. Mein erstes Kind... so wunderschön."

Ich biss mir auf die Lippen.
"Ein Mädchen oder ein Junge?"
Sie schien sich über die Frage zu freuen.
Meine Mutter sah mich an. Ihre Augen waren mit Tränen gefüllt, aber sie lächelte.

"Es war ein Junge. Er war so wunderschön. Ich werde nie seine atemberaubenden, eisblauen Augen vergessen."

Ich erinnerte mich an das Gespräch mit Alajea. Sie fragte mich, ob ich die beiden Kinder der Carstairs Familie kannte. Dieses Gerücht stimmt also. Ich hatte einen Halbbruder.

Für einen kurzen Moment wirkte meine Mutter euphorisch. Sie schwelgte in Erinnerungen und ihre Tränen ließen nach.

Doch plötzlich traf es sie wie einen Blitz.
"Jedoch hielt mein Glück nicht lange an. Ich konnte ihn nur einen kurzen Moment sehen und war sofort in meinen Sohn verliebt. Doch dann wurde er mir weggenommen. Enzo hat ihn mir entrissen und...und seitdem habe ich ihn nie wieder gesehen. Er müsste nun zu einem jungen Mann herangewachsen sein."

Wieder schluchzte sie und Tränen ronnen ihrer Wange entlang.

"Wie bereits gesagt, ich war ein normales Menschenmädchen. Und trug einen Faelin in meinem Bauch. Einen Halbmenschen und Halbfairy. Die Geburt war äußerst anstrengend und... ich wäre beinahe gestorben."

Ich schluckte.

"Dann kam dein Vater, Alaric. Er rettete mich, indem er mich in ein Fairywesen verwandelte. Es stellte sich heraus, dass einer meiner Vorfahren ein Engel war. Jedoch müsste das 100 Jahre oder mehr zurück liegen. Dennoch hatte ich Engelsblut in mir, wenn auch nur einen einzigen Tropfen. Das braucht nämlich dein Vater, um jemanden verwandeln zu können. Der Mensch muss Fairyblut in sich haben, auch wenn es nur ganz wenig ist. Er machte mich zu einem Engel und später verliebte ich mich in ihn."

Sie sah mich an.
"Er war ganz anders. Er war kein Teufel, er war so toll und.. so einfühlsam. Ich erfuhr erst später, was er wirklich war. Der Teufel. Doch es störte mich nicht. Im Gegenteil. Dadurch habe ich ihn viel besser verstanden. Und dann bekamen wir dich. Unsere süße kleine Tochter, Lidia."

Sie sah mich an.
"Deine Augen verzauberten mich von der ersten Sekunde an."
Sie streichelte meine Wange.
"Diese Farbe... Ein sattes braun. Doch wenn man genauer hinsieht, ist es ein rot. Beinahe blutrot. Die Farbe des Teufels."
Schnell wich sie mit ihrer Hand zurück als hätte sie sich verbrannt.

"Aber du bist kein Teufel. Du bist auch kein Engel. Du bist ein Amonilos. Und du wirst Alaric stoppen können. Das weiß ich."

Wir schwiegen.

"Mein Halbbruder..." Ich flüsterte dies eher zu mir als zu meiner Mutter.

"Ja.. du hast einen Halbbruder."
Wieder liefen Tränen an ihrer Wange hinunter.
"Er war so wunderschön."

"Er war?", fragte ich augenblicklich. Ohne darüber nachzudenken platzte es aus mir heraus.

"Nein.. ich.. ich weiß nicht, ob er noch lebt... Aber ich denke schon. Mit einem Kind, auch wenn du es nur für ein paar Minuten in den Händen gehalten hast, baut man so eine enge Verbindung auf und... Ich glaube, ich hätte etwas gespürt, wenn er tot wäre."

Sie sah mich an.
"Ich erfuhr später, dass Enzo noch eine Frau hatte und sie ebenfalls ein Kind gebar. Jedoch starb sie bei der Geburt...so wie es fast bei mir gewesen wäre."

Ich sah auf den Boden und meine Mutter fing an zu schluchzen.
Ich nahm sie in den Arm.

"Enzo holte sich noch eine Frau. Jedoch bekam er mit ihr kein Kind. Unglücklicherweise starben die Eltern sehr früh. Ich konnte nicht herausfinden, woran sie starben."

Sie schluchzte.

"Ich.. ich möchte gar nicht wissen, wie es den beiden Kindern ergangen ist. Sie haben ihre Eltern sehr früh verloren. Ich hoffe, sie haben trotzdem überlebt. Sie müssten noch recht jung gewesen sein als das passierte."

Sie starrte in den Himmel.
"Mein kleiner Sohn." ,flüsterte sie.

Auch in mir bildete sich Trauer. Ich spürte wie die Tränen in meinen Augen immer mehr wurden.

"Hatte er einen Namen?"
Sie sah mich an.
"Mein Halbbruder? Konntest du ihm einen Namen geben?" Eine Träne lief über meine Wange und ich wischte sie weg.

Sie versuchte zu lächeln.
"Ja, habe ich. Doch sein Vater hat ihn höchstwahrscheinlich anders genannt."
Sie sah auf den Boden und dachte nach. Ich wollte nicht weiter nachhaken. Schließlich gestand sie mir gerade, dass ich einen Halbbruder habe. Und sie hatte ihn verloren. Ich spürte diese enorme Trauer in mir aufsteigen.

Noch immer war sie in Gedanken versunken als sie endlich weiter sprach.
"Anscheinend habe ich eine Vorliebe mit Namen, die mit 'L' beginnen."
Ich sah sie gespannt an.

Ihre mit Tränen gefüllten Augen sahen mich traurig an.
"Sein Name ist Lance."

Stars can't shine without darkness - Eldarya FF {ABGESCHLOSSEN}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt