Erwachen

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Ich spürte, wie ich langsam wieder zu Bewusstsein kam. 

Die Vorgeschichte meiner Mutter machte mir immer noch zu schaffen. Ich hatte einen älteren Halbbruder. Kaum zu glauben. 

"Seine wunderschönen eisblauen Augen", hallte es in meinen Gedanken. In meinem Kopf malte ich mir aus, wie er wohl aussehen mag. Hatte er Ähnlichkeiten mit meiner Mutter? Sah er sogar vielleicht mir ähnlich, wegen den Genen unserer Mutter? Doch dann fiel mir etwas ein.

Sein Vater hatte nach der zweiten Frau noch eine Frau.  Vielleicht hatte Enzo den beiden Kindern vorgegaukelt, sie wäre ihre Mutter. Das bedeutet, mein Halbbruder weiß gar nichts von meiner Mutter. Unserer Mutter. Er denkt vermutlich, er wäre nun ein Waisenkind. Er hätte keine Eltern mehr. Doch das stimmt nicht. Er hat noch seine Mutter.

Noch einmal stellte ich ihn mir in meinen Gedanken vor. Einmal mit schwarzen Haaren, dann mal mit blonden. Einmal war er sogar rothaarig. Doch immer waren seine Augen eisblau, so wie meine Mutter es sagte.

Bei meiner Kreativität musste ich anfangen zu lächeln und sofort bemerkte ich, dass ich nicht alleine war. 

"Lidia!" 

Ich spürte eine feste Umarmung von zwei starken Armen. 

Ich machte meine Augen auf. Es war Nevra, der mich so stürmisch umarmte. Ich befand mich in meinem Zimmer und lag in meinem Bett. Ich hätte erwartet, dass ich auf der Krankenstation bin. 

Ich erwiderte seine Umarmung. Er löste sich ein wenig und nahm mein Gesicht in seine Hände. Seine Augen wirkten glasig als würde er gleich anfangen zu weinen. 

"Ewelein hatte mir zwar versichert, dass es dir gut gehen würde und du nur erschöpft bist, aber ich hatte trotzdem Angst." 

Er sah mich eindringlich an. 

Ich dachte darüber nach als wir uns zuletzt gesehen hatten. Da fiel mir nur eine Sache ein: 

Der Kampf mit Naytili. 

"Wo ist Naytili?", platzte es aus mir heraus.

Er schien sichtlich verwirrt. Kein Wunder. Das war mein erster Satz, welchen ich zu ihm sagte seit ich wach bin.

"Im Kerker. Wir haben sie eingesperrt." Er wurde sehr ernst und dachte nach.

"Mit deiner Hilfe."

Ich nickte. Ich ließ den Kampf in meinen Gedanken Revue passieren. 

"Was ist alles passiert? Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich an alles erinnern kann." 

Nevra setzte sich an die Bettkante. 
Er sah mich eindringlich an und biss sich auf die Lippe.
"Lidia, es war wirklich.."

"... beängstigend?" Ich sah in seine Augen. Ich wollte nicht, dass er Angst vor mir hatte.

Verwundert rückte er näher.
"Nein. Ganz und gar nicht. Eher beeindruckend. Du hattest.."
Er schluckte und sah kurz auf die Seite.
Als er mich wieder ansah, fuhr er fort.
"...du hattest Flügel. Engelsflügel"

Ich erinnerte mich. Bevor ich diesen Wutanfall bekam, spürte ich etwas schweres auf meinem Rücken.
Es waren meine Flügel.

"Wie sahen sie aus?"
Nevra lächelte. "Schön. Sie waren wunderschön."
Seine Finger streichelten meinen Unterarm.
"Bevor du auf Naytili losgegangen bist, breiteten sich so etwas wie Schatten auf deinem Rücken aus. Sie verformten sich zu zwei wunderschöne Engelsflügel. Aber sie waren nicht weiß.. nicht wie die eines reinblütigen Engels. Manche Federn deiner Flügel waren schwarz... Nachdem wir Naytili eingesperrt hatten, sagte Huang Hua, dass die schwarzen Federn das Teufelsblut in dir symbolisieren."

Stars can't shine without darkness - Eldarya FF {ABGESCHLOSSEN}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt