die Erkenntnis

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Zu dem Zeitpunkt, dachte ich mir nicht viel, was meine Angst betraf. Ich dachte, dass das normal sei, weil meine Gesundheit rein theoretisch immer noch gefährdet war. In der Schule schlief ich mehrfach ein, da meine Leber immer noch nicht zu 100% geheilt war. Ich hatte Glück, dass sich die Lehrer so verständnisvoll gezeigt haben-

So ging es einige Zeit weiter. Meine Lieblingsband wurde für mich so etwas wie Rettungsanker. Sie wurden meine Helden. Ich weiß noch, als die Nachricht kam, dass sie in Berlin ein Konzert geben wurden hab ich geweint vor Glück und als ich keine Karten bekam, da alles innerhalb von Minuten ausverkauft war habe ich ebenfalls geweint. Sie waren für mich so viel mehr als eine Band. Sie haben mir geholfen eine so schwierige Zeit durchzustehen. 

Ungefähr 2 Wochen später fuhren wir, wegen einer Familienfeier nach Sachsen. Ich wohne in MV also haben wir viel Platz und keine hohen Berge. Je südlicher wir kamen, desto enger und kurviger wurden die Straßen. Kurz gefasst, die Fahrt war für mich die Hölle. Immer wieder musste ich mir vorstellen, wie wir mit einem anderen Auto zusammenkrachen oder gegen einen Baum fahren würden. Ich versuchte wirklich mich abzulenken, doch es funktionierte nicht mehr. Als wir endlich ankamen, stürmte ich sofort mit zitternden Knien aus dem Auto und bekam einen Heulkrampf. Meine Eltern machten sich unheimlich dolle Sorgen und ich erzählte ihnen, dass ich schon zu Hause diese Angst bekommen hatte. 

Da war sie also. Die Erkenntnis, ein Trauma zu haben.

Die Zeit in Sachsen war für mich der absolute Horror. Immer wieder machten wir mit der Familie Ausflüge und fuhren dementsprechend viel mit dem Auto rum. Meine Mama meinte, dass wir beide auch in der Unterkunft bleiben könnten, doch ich wollte das nicht. Dann hätte zwangsläufig meine gesamte Familie von meinem Trauma erfahren und ich wäre die arme, kleine, bemitleidenswerte gewesen. Außerdem war es mir peinlich. Ich verstand einfach nicht, wieso ich Angst vor Unfällen hatte, da bei meinem Unfall ja niemand anders beteiligt war und ich selbst die Schuld trug. Also stand ich das mehr oder weniger durch. 
Was mir wirklich sehr half, war mir immer wieder zu sagen: Du kannst deinem Papa vertrauen. Er fährt wirklich sicher und vorsichtig. Er wurde niemals ein Risiko eingehen, während du im Wagen sitzt. Er könnte notfalls immer ausweichen usw.

Als wir wieder zu Hause waren, fragte meine Mutter mich ein paar Dinge um mich besser zu verstehen. Mein Vater nahm das ganze glaub ich nicht ernst. Er war noch nie so überzeugt von solchen Dingen wie Psychologie oder ähnliches. Dafür hat meine Mutter hingegen umso besser reagiert. Sie entwickelte mit mir einen Plan, um mich wieder sicherer zu fühlen und sogar wieder Fahrrad fahren zu können. Eigentlich hatte ich schon, nur wenn ich an ein Fahrrad dachte Angstzustände aber durch meine Mutter, konnte ich diese Angst überwinden. 

Zuerst sind wir immer zusammen gefahren, auf Straßen die groß und gerade waren, sodass ich mich erstmal wieder an das Fahren ansich gewöhnen konnte. Kurven waren besonders schlimm, doch auch das ging nach einiger Zeit. Trotzdem hatte ich immer das Gefühl, nachdem ich wieder vom Fahrrad stieg, gleich zusammen zu brechen, da ich einfach keine Kraft mehr hatte. Sowohl physisch als auch psychisch. Was für mich mit am schlimmsten war, waren Berge. Das konnte ich einfach nicht. 

Erst nach einigen Monaten, ich glaube es war Ende Oktober konnte ich wieder durch die ganze Stadt fahren. Ich war so erleichtert und habe vor Glück geweint. Es war als wurde mir eine so schwere Last von den Schultern genommen, von der ich noch nicht einmal wusste, dass sie da war. Ich dachte. Endlich! Endlich habe ich dieses Kapitel abgeschlossen! Doch so war es nicht.

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