Rettung in Sicht?

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(Sicht Alexander Kelly)
Gestern Abend wollten wir alle früh ins Bett gehen aber die drei kleinen konnten überhaupt nicht schlafen und haben die ganze Zeit nur geweint. Tagsüber war es Mark noch halbwegs gut gelungen sie abzulenken, aber gegen Abend vermissten sie sowohl unseren Vater, aber auch unsere Mutter total. Gegen 19 Uhr als ich Lucas, Sarah und Jacob Bettfertig gemacht hatte setzten wir uns noch ein bisschen vor den Fernseher. Lucas legte sich mit dem Kopf auf Davids Schoß und ich hielt Jacob eng umschlungen fest. Meine Schwester saß auf dem Boden vor uns und starrte auf den Fernseher. Es lief Lucas' Lieblingsserie, ich glaube sie heißt Paw Patrol oder so ähnlich. Er schaute aber gar nicht hin sondern starrte nur an die Decke. Plötzlich richtete der kleine sich auf und fragte nur "Wann kommt Papa nach Hause?"
Ich sah das David gerade antworten wollte aber ich stieß ihm in die Seite und antwortete schnell "Ich... ich weiß es nicht. Keiner weiß das. Aber Papa wird auf jeden Fall bald zurück sein. Unsere Onkel und Tanten machen alles damit er schnell wieder kommt, wahrscheinlich müssen wir nur etwas Lösegeld bezahlen und dann ist Papa wieder da. Und die Polizei ist sicher auch schon ganz nah dran ihn zu retten."  Ich war mir selber zwar überhaupt nicht sicher ob irgendwer auch nur annähernd eine Ahnung hatte wo Dad war und wie es ihm ging und ob er überhaupt noch.. naja.. lebt, aber ich wollte meinen kleinen Geschwistern Hoffnung machen denn diese stirbt ja bekanntlich zuletzt. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen als mein Handy klingelte. Es war mein Onkel Jimmy. „Hey Jimmy"
„Hey Alex, bei euch den Umständen entsprechend alles in Ordnung? Hör mal ich weiß es ist spät, aber ich habe da eventuell eine Idee wie wir euren Vater finden könnten." er war total hektisch und redete so schnell das ich erst ein wenig brauchte um seine Worte zu verstehen. Mit einem Blick auf die Uhr bemerkte ich das es tatsächlich schon kurz nach Mitternacht war. Die Zeit war viel schneller vergangen als gedacht. „Ähm naja... Wir sind alle noch wach und die drei kleinen sind nicht zu beruhigen. Sie brauchen und vermissen Dad... so wie David und ich genau so.." fügte etwas leiser hinzu. „Ja ich weiß... ihr braucht ihn mehr als je zuvor, aber hör mal, denkst du du kannst den Standort von Paddy's Handy bestimmen?" „ich weiß nicht ich habe sowas noch nie gemacht. Aber ich denke es müsste gehen wenn sein Handy an ist." „Weißt du was kleiner? Ich hole dich ab und wir versuchen es einfach mal. Schaden kann es nicht und ich glaube du weißt das es auf wenige Tage oder Stunden ankommen kann...." den letzten Teil des Satz sagte mein Onkel so leise das ich glaubte das ich ihn gar nicht hören sollte. „Ja.. ist gut. Ich sag Mark Bescheid das er nach den kleinen guckt. Aber ein Laptop wäre ganz praktisch."
Dann fiel mir ein das auch meine Cousins und Cousinen gerade in der Nähe waren. "Jimmy, Wir müssen Gabriel, Helen, Alex und Luke dazu holen." "Wir können es auf jeden Fall probieren."
Eine halbe Stunde später stand Jimmy vor der Tür. Er vergewisserte sich das es meinen Geschwistern gut ging und hatte auch noch einige Süßigkeiten für sie dabei und dann ging er auch noch kurz zu Mark. Nach etwa 10 Minuten kam er wieder zurück und verabschiedete sich von meinen Geschwistern. Ich ging zu David und zog ihn in eine Umarmung. Dabei flüsterte ich ihm noch etwas ins Ohr „Du packst das schon, wenn was ist ruf einfach an. Aber ich hab keine Zweifel das du das nicht schaffen könntest." „Danke Bruderherz. Und viel Glück! Bitte... du musst das schaffen.." antwortete mein kleiner Bruder fast schon flehend und ich sah in seinen Augen eine Träne aufblitzen. „Wenn ich etwas mache, und wenn ich es richtig mache, dann mache ich es auch gut. Ich schaffe das schon mach dir keine Sorgen."
„Kommst du Alex? Wir sollten los fahren wir müssen noch die anderen abholen!" rief Jimmy mich zur Tür und so gingen wir schnell zum Auto. Wir holten Luke, Alex, Gabriel und Helen ab und fuhren zu Jimmys Haus. Im Auto sagte niemand etwas. Meine Cousins hatten alle jeweils einen Laptop dabei. Jimmy raste über die Autobahn und in Rekordverdächtiger Zeit waren wir auch schon angekommen.
Wir gingen direkt leise in den Keller um die Kinder meines Onkels und die anderen Familienmitglieder die hier unterkamen nicht zu wecken. Wir setzten uns an einen großen Tisch und bauten die Laptops auf. Als alles vorbereitet war kamen Jimmy und Patricia. Meine Tante begrüßte uns nur mit Umarmungen und war etwas erstaunt ihren Sohn zu sehen, sagte aber nichts. „Also hört mal zu. Ich habe keine Ahnung ob es funktioniert, und wie erst recht nicht. Folgende Situation: wir haben von Paddy's Handy aus 2 WhatsApp Nachrichten erhalten... und einen Videoanruf." Leitete meine Tante die Situation ein. "Was für Nachrichten?!" Fragte ich schnell.
"Alex... ich weiß nicht ob ihr und vor allem du das sehen solltest.." Jimmy sah besorgt in die Runde. "Please... it's about my Dad. I want to know everything. Please don't hide anything I'm 17 years old!"
"Okay... so here we've got this voice message and ehm... this picture." Sie zeigte es erst den anderen und an ihren Reaktionen sah ich das es nichts positives sein konnte. Der Schock stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
Ich nahm etwas skeptisch Patricias Handy entgegen und als ich meinen Vater sah hatte ich einen kurzen Moment das Gefühl mein Herz würde stehen bleiben. Dazu noch diese Sprachnachricht. Die schwache Stimme von Papa. Seine Worte brannten sich auf meine Seele ein. "I love you too Daddy. And I miss you." sagte ich laut, den Blick immer noch auf das Bild gerichtet. Ich wollte es nicht laut sagen. Ich wollte es nur denken. Ich merkte wie meine Augen feucht wurden und wie ich tatsächlich anfing zu weinen. Ich stand auf und ging einfach weg. Nach oben. Ich ging vor die Haustür, setzte mich auf die Treppe und schaute in den Himmel, in die Sterne. Ich spürte Mama ganz nah bei mir. Ich hatte noch nie vor jemand anderem außer Papa geweint. Außer an der Beerdigung meiner Mutter. Da war die ganze Familie anwesend. Aber sonst habe ich nie jemand anderem meine Gefühle gezeigt. Als ich klein war natürlich auch meiner Mom. Aber seit sie... nicht mehr da ist... ist das Verhältnis zu Dad noch besser geworden als es sowieso schon war. Papa war die ganze Zeit für mich und meine Geschwister da. Immer. Und jetzt war er weg.
Jetzt war der Tod irgendwie wieder präsent. Die Angst Papa zu verlieren. Die Erinnerung an Mama. Den einen Tod noch lange nicht komplett verarbeitet, droht sich schon der nächste an. Ich hatte Angst. Die Tränen liefen mir wie Wasserfälle aus den Augen. So sehr ich auch versuchte es zu unterdrücken, ich konnte nichts machen.
Irgendwann merkte ich wie sich jemand neben mich setzte. Es war mein Onkel Joey. Ich sackte an seiner Schulter zusammen und eine Weile sagte er gar nichts sondern ließ mich einfach nur meine Gefühle heraus lassen. "Danke Joey." "Hey kleiner. Ich weiß wie schwer es ist. Ihr Kinder habt gerade erst eure Mutter verloren das ist nunmal auf Deutsch gesagt einfach nur scheiße. Und dann das mit eurem Vater. Glaub mir das ganze geht mir auch näher als es vielleicht wirkt. Ich mein dein Vater ist mein Bruder! Mein kleiner Bruder! Du hast selbst drei „kleine" Brüder und eine kleine Schwester. Das ist auch nicht einfach. Für keinen von uns. Aber umso mehr müssen wir jetzt zusammen halten. Alle. Als Familie. Und das tun wir. Das weißt du. Das weiß ich. Das ist einfach so. Und wir werden das alle zusammen auch schaffen."
"Weißt du was? Du hast Recht! Ich werde jetzt für Dad da sein." Entschlossen ging ich in den Keller zu den anderen zurück, und es war mir verdammt egal wie zerstört ich aussah. Es war meine Familie und Familie hielt zusammen. In schönen, aber auch in solchen schrecklichen Momenten. Joey hatte mir ein Stück weit die Augen geöffnet. "Okay Leute packen wir's an. Wir müssen meinen Vater aus dieser Hölle befreien." alle nickten zustimmend und so setzten wir uns an die Rechner, versuchten es mit Dutzenden Programmen und probierten alles Menschenmögliche. Ich war meiner Familie so unfassbar dankbar das sie das alles machten. Irgendwann früh morgens gegen halb 5 brachte Jimmy uns allen ein Tablett mit Kaffe und Keksen. Nach dieser Stärkung gelang uns tatsächlich ein kleiner Durchbruch. Wir konnten das Handy orten. Zwar auf einen großen Radius, aber es war ein Anfang. Wir konnten den Standort auf einen Wald eingrenzen. Irgendwo dort musste er sein.
Wir hatten jetzt die ganze Nacht gearbeitet, und ein kleines Ergebnis hatten wir schon. Etwas erschöpft setzten wir uns an die Wand auf den Boden. Helen und Luke saßen neben mir und irgendwann fielen uns einfach nur noch die Augen zu. Morgen war auch noch ein Tag. Und ausgeschlafen waren wir sowieso zu mehr zu gebrauchen. Ich hoffe einfach nur das es nicht zu spät sein wird. Mit diesem Gedanken schlief auch ich als letzter ein.

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