0315
Als ich die inzwischen gewohnte Tür aufstoße, höre ich laute Stimmen. Ich gehe hinein und sehe zwei kleinere Mädchen, die sich anscheinend streiten. Ich beobachte das Geschehen eine Weile, bis plötzlich die Eingangstür wieder aufgeht und er herein tritt. Er sieht mich und lächelt.
"Hey, willkommen zurück!"
Er hat sich an mich erinnert. Mein Herz hüpft ein wenig, wobei ich nicht weiß, warum. Seine freundliche, warme Stimme und sein Lächeln haben es mir einfach angetan.
"Hi... und danke" erwidere ich schüchtern.
Ich überlege, ob ich noch etwas hinzufügen soll, als seine Aufmerksamkeit von mir weg und zu den Mädchen gelenkt wird. Mit einem entschuldigenden Seufzer wendet er sich von mir ab und tritt hinter die zwei.
Aus einiger Distanz beobachte ich das Geschehen. Er baut sich vor den – im Vergleich zu ihm winzigen – Störenfrieden auf und bedenkt sie mit einem strengen Blick.
Augenblicklich verstummen die zwei.
"Wisst ihr, in Bibliotheken herrscht Ruhezone. Das heißt, ihr müsst so leise wie möglich sein" erklärt er ihnen.
"Aber sie behauptet, hübscher zu sein als ich" quengelt die eine.
"Stimmt ja auch" behauptet die andere.
Ich muss ein Kichern unterdrücken. Über so etwas streiten die sich? Wenn ich doch nur jemals solche Probleme gehabt hätte...
"Stimmt gar nicht. Nur, weil du größere Augen hast"
Bevor die andere etwas erwidern kann, hat er sich zu ihnen hinuntergebeugt und geräuspert.
"Ich finde ja, ihr beide seid jede auf ihre eigene Weise hübsch. Außerdem gibt es für Schönheit keinen Maßstab. Wie wäre es, wenn ihr, statt euch zu streiten, lieber darauf achtet, eure inneren Werte hervorzubringen?" der junge Bibliothekar lächelt sie freundlich an. Erst jetzt fällt mir auf, wie schön er eigentlich ist. Makellose Haut, volle Lippen, und diese intensiven Augen...
Die zwei Mädchen starren ihn genauso baff an, wie ich mich fühle. Dann nicken sie und verlassen scheu das Gebäude.
Der junge Mann seufzt und richtet sich dann wieder auf. Er bemerkt, dass ich ihm bewundernd zugeschaut habe und kratzt sich verlegen am Kopf.
"Ich hab' 'ne jüngere Schwester, deshalb..." er bricht ab und deutet dann auf das Buch in meinem Arm.
"Hat es Ihnen gefallen?"
Ich nicke und reiche es ihm, als er seine Hand danach ausstreckt.
"Das ist schön. Ich mag es auch sehr" er lächelt wieder freundlich und legt das Buch dann zu seinem Kollegen an die Ausleihe, der gerade mit einem anderen Besucher diskutiert.
"Also dann..." wir stehen uns eine Weile etwas hilflos gegenüber, bevor ich mich entscheide, zu gehen. Ich bedanke mich und verlasse die Bibliothek etwas überstürzt. Erst, als ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen höre, fällt mir auf, dass ich vergessen habe, mir ein neues Buch auszuleihen. Ich seufze und begebe mich auf den Weg Nachhause. Ich kann ja nächste Woche wiederkommen. Immerhin hat mein Leben in diesem Ort gerade erst begonnen.
Hochgeladen am: 15.03.19
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31 Freitage | K.N.J.
FanfictionNeue Stadt, neue Schule, neue Menschen ... In all dem Durcheinander suchte ich nach einem Halt, sei es ein Ort oder eine Person. Und da fiel sie mir ins Auge: Die alte Bibliothek. Von da an verbrachte ich meine Freitagnachmittage mit Büchern, Kakao...