Ein knapper Mond verging, ohne dass sich an unserer Lage etwas änderte. Nur ein einziges Mal war Jagender Sturm zu uns gekommen, hatte gefragt, ob ich an meiner Überzeugung festhielt, den LichtClans die Wahrheit über die Wisperkatzen berichten wollen. Erst hatte ich mit dem Gedanken gespielt, ›Nein‹ zu sagen, damit ich hier rauskäme. Aber Vater hätte mich ohnehin durchschaut und mein Stolz hielt mich letztendlich davon ab, zu lügen.
Stattdessen hatte ich versucht, ihn zu überzeugen: ›Früher oder später werden sie es herausfinden. Und dann werden die LichtClans sich rächen!‹›Nun, wir können die Zeit, die uns bis dahin bleibt, ebenso gut nutzen, um uns vorzubereiten. Um genügend Stärke zu erlangen, um uns Territorium am Tageslicht erkämpfen zu können!‹ Mit diesen Worten war er davon stolziert und hatte sich seither nicht wieder blicken lassen.
Auch jetzt, einige Sonnenaufgänge später, kreisten meine Gedanken noch um das Gespräch mit Jagender Sturm, wanderten dann weiter zu den verschwundenen Wisperkatzen. Seit Kiesels Tod hatte ich nicht mehr von ihnen gehört.
Es gab nur einen Ort, der ihnen Zuflucht geboten haben könnte. Einen beinahe vergessenen Ort. Ob der dunkle Weg sie dorthin geführt hatte? Oder hatten sie sich endgültig in Nichts aufgelöst?
›Wolke!‹ Ein Wispern riss mich aus meinen Grübeleien und holte in die Wirklichkeit zurück. Ich wirbelte herum, versuchte zu ergründen, wer da gesprochen hatte. Flüsternde Birke war es nicht gewesen. Ihr gleichmäßiger, ruhiger Atem verriet mir, dass sie schlief.
›Du musst uns helfen!‹ Nun erkannte ich die Stimme. Sehender Schatten!
Kaum hatte ich es begriffen, erschien ihre Gestalt vor mir. So wie auch die Wisperkatzen konnte ich sie sehen und doch unterschied sie sich von ihnen. Um sie herum erschien nicht wie sonst ein Teil meiner Umgebung vor meinen Augen und auch ihr Pelz sah anders aus. Unzählige Sterne funkelten darin und bestätigten, was ich bereits vermutet hatte. Der letzte Zufluchtsort der Wisperkatzen war das seit vielen Katzengenerationen verlassene SternenClan-Territorium, von dem mir Sehender Schatten am Anfang meiner Ausbildung erzählt hatte.›Ihr habt es geschafft!‹, stellte ich erleichtert fest. ›Ist Kiesel bei euch?‹
Sehender Schattens Kopfschütteln schaffte es kaum, meine Freunde zu trüben. Vielleicht ist er ja doch in den SternenClan gekommen und die beiden sind sich nur noch nicht über den Weg gelaufen...
›Geschafft...‹, wiederholte Sehender Schatten und schüttelte den Kopf, wobei ihr Blick in weite ferne gerichtet war. ›Wir mögen das Land gefunden haben, in dem unsere Ahnen einst zuhause waren. Aber wie viel Macht hat der SternenClan, wenn kaum jemand von ihm weiß? Es sind unzählige Blattwechsel vergangen, in denen das Territorium am Silbervlies verlassen dalag. Nur wenige Katzen kennen diesen Glauben aus alten Legenden und sie denken, diese Zeiten seien längst vorüber, würden nie mehr wiederkehren. Du musst allen von der Wahrheit berichten!‹
Ungläubig starrte ich sie an. ›Wie stellst du dir das vor?‹ Dachte sie etwa, ich würde einfach an der Wache vorbei aus dieser Höhle hinaus spazieren und eine Versammlung der Clans einberufen können?
Eine Antwort sollte ich nicht erhalten. Sehender Schatten löste sich vor meinen Augen auf und einen Herzschlag später war nichts mehr von ihr zu sehen.
›Warte!‹, rief ich ihr hinterher, bewirkte damit jedoch nur, dass ich Flüsternde Birke weckte.
›Was ist los?‹, murmelte sie.
Ihr erzählte ich, was geschehen war und am Ende war sie ebenso ratlos wie ich.
›Wir haben keine Chance, hier raus zu kommen, oder?‹, miaute sie gerade, als vor unserer Höhle Miauen ertönte.›Die Wache dauert bis Sonnenuntergang. Dann wird dich Schwimmende Blüte ablösen.‹ Das war Rennender Fuchs gewesen, der wie so oft den Höhleneingang bewachte. ›Pass auf Flüsternde Birke auf. Sie hätte die größeren Chancen, wenn sie vorhätte, abzuhauen. Aber das brauche ich dir sicherlich nicht erzählen... Ich muss zugeben, dass ich dir anfangs nicht recht getraut habe, doch während der letzten Spähpatrouille im NebelClan-Territorium hast du mich eines Besseren belehrt. Du bist ein ebenso fähiger Krieger wie Schwimmende Blüte, deine Schwester!‹
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Zeit des Verrats
FanfictionDie drei Jungen Wind, Asche und Käfer wachsen in einer Zeit auf, in der Ruhm, Sicherheit und Frieden nichts weiter als langsam verblassende Erinnerungen der Krieger sind. Alles hat sich verändert. Finstere Gestalten lauern in der Dunkelheit und die...