Erschrocken sah ich auf. Wer mochte noch zu dieser Zeit in dieser Gegend unterwegs sein?
Mit besorgten Mienen traten Fanni und Timea in Begleitung eines mittelgroßen Mannes in das Licht der Straßenlaterne.»Äh, ja, hallo... Ich wollte eigentlich nur mal meine Ruhe haben, weil....weil meine Geschwister gerade echt anstrengend sind.«, nuschelte ich.
Betont unauffällig blinzelte ich mir die letzte Träne aus den Augen.
»Okaay, dann wollen wir dich gar nicht weiter stören. Wir zeigen Timeas Freund Matti gerade Miskolc. Er ist extra von Budapest hierher gekommen, um uns zu besuchen.«
Ich spürte die Abneigung Fannis gegenüber des rothaarigen Mannes, Timeas Freund. Er fixierte erst etwas belustigt meinen schneeweißen Schopf, dann mich lauernd, wie ein Camaleón, das auf ein Insekt wartete. Die breiten Augenbrauen, die ihm ein kritisches und unfreundliches Aussehen verliehen, und der bereits stark ausgeprägte Bartflaum ließen ihn viel zu alt für Timea wirken. Irgendwie umgab ihn eine Aura, die auf einen unliebsamen und unsympathischen Charakter verwies. Dadurch stach der große Kontrast zu der fröhlichen und gutmütigen Persönlichkeit der Griechin hervor. Die beiden waren ein sehr ungleiches Paar; passten meiner Meinung nach nicht zusammen.
Während ich noch seine Haare, die im schwachen Licht der Straßenlaterne wie ein Lagerfeuer leuchteten, betrachtete, nickte er mir mürrisch zu, meine ausgestreckte Hand ignorierend.»Ah, äh, hi... Ich bin...Seba...«, versuchte ich es dennoch mit eine Begrüßung.
Er antwortete nichts, sah sich gelangweilt um und ließ sich schließlich bereitwillig von Timea zur Hauptstraße zurückziehen.
Fanni lächelte mich entschuldigend an und schlich dann hinter den beiden her. Ich hörte, wie sie zu den beiden sagte, dass sie müde wäre und schon einmal nach Hause gehen würde. Dann entfernten sich ihre Schritte und ich ließ meine zufrieden wirkende, aufgesetzte Fassade fallen.Wieder rollten Tränen über meine Wangen.
Erschrocken zuckte ich zusammen, als mir jemand von hinten die Hand auf die Schulter legte. Fanni setzte sich von der anderen Seite auf den Findling. Sie sagte nichts; gab mir die Chance, zu sprechen, wann ich wollte.Ich schämte mich dafür, hier zu sitzen und zu heulen wie ein Zweijähriger, dem jemand das Spielzeug weggenommen hatte. Zwei unendliche Minuten lang schwiegen wir einfach nur, dann überwand ich mich und befolgte Chiaras ersten Rat.
»Wie du weißt, komme ich aus Ecuador. Ich habe dort mit meiner Familie in einem Slum gewohnt, bis mein Vater hier ein Jobangebot bekommen hat. Da ich damals noch minderjährig war, musste ich mit, musste all meine Freunde, die ich von Kindesbeinen an kannte, zurücklassen...«
Ich brach ab; wusste nicht mehr, ob ich wirklich schon bereit war, über Chiara zu reden. Fanni schien meinen inneren Konflikt zu spüren.
»Weißt du was? Ich muss dir auch etwas erzählen; etwas, von dem selbst Timea nichts weiß. Ich scheine hier glücklich zu sein: Ich habe eine sehr gute Freundin und einen Studienplatz in einer der renommiertesten Musical-Schulen Europas. Aber ich vermisse Alaska so wie du Ecuador, meine Familie und die Einsamkeit, aber auch Schönheit, der Natur. Meine Familie bildet dort schon seit Generationen Schlittenhunde aus. Die größten und bekanntesten Musher holen ihre Hunde von uns. Eigentlich wollte ich die Hundeschule als ältestes Kind übernehmen, aber dann hat Timea mich nach dem Abschluss überredet, mit ihr in die Franz-Liszt-Musikakademie zu gehen. Heute bereue ich diese Entscheidung zutiefst. Ich habe zu viel für die Musik geopfert, zu viel aufgegeben. Singen, tanzen und komponieren ist nicht das, wofür ich brenne. Ich lebe Timeas Traum, nicht meinen, und das jeden Tag. Für mich gab es nie etwas schöneres, als auf dem Schlitten zu stehen und mit einem Hundeteam zu trainieren. Der Moment, in dem ein Junghund verstanden hat, was er als Alpha zu tun hat, macht einen als Ausbilder stolz. Oder wenn man mit einem ganzen Hundeteam monatelang geübt hat; sie verstanden haben, dass sie sich wie ein Hund bewegen und wie einer atmen müssen. Die Krönung ist dann natürlich noch, wenn ein junger, unbekannter Musher das Team kauft und gleich bei einem wichtigen Rennen startet, in dem es um alles oder nichts geht. Du siehst zu, wie er die ersten vier Tage langsam, aber sicher, hinter dem Feld zurück fällt und am fünften Tag auf einmal aufholt. Während sich die anderen Teilnehmer bei einem Schneesturm unterstellen, kämpft er sich vorwärts und liegt am Ende des Schneesturms nur 100 m hinter dem vordersten Team. Und dann kommt der Endspurt und du denkst nur: 'Das kann gar nicht gut gehen. Die Hunde sind die letzten 20 km schon schnell gelaufen, noch dazu durch Neuschnee.' Und dann wirst du von deinen vierbeinigen Schülern eines besseren belehrt. Obwohl sie noch ein Stück hinter dem erholten Ersten liegen, fliegen sie förmlich; unaufhaltsam kommen sie der Ziellinie näher. Ungefähr 15 m vor dem Ziel überholen sie das andere Team und rasen so schnell über die Linie, dass das Publikum vor lauter Schneegestöber nichts sehen kann. Dann bricht der Applaus los und du denkst nur: What?! Deine kleinen Welpen sind gerade Alaska-Meister geworden!«
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Arany Város - Einsam in der Goldstadt
Ficción General================== Gute Freunde sind wie Sterne: Man sieht sie nicht immer, aber man weiß, dass sie immer für einen da sind. ================== Der 19-jährige Sebastián vermisst seine Heimat Ecuador. Seit er mit seiner Familie vor 5 Jahren nach Misk...