Shelter

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Doch bestimmt hat seine weitere Existenz ohne seinen Lockenkopf keinen Sinn mehr...


Arya sitzt missmutig beim Abendessen, während der Rest seiner Familie gierig das traditionelle Gericht in sich hinein schaufelt. Die Drei haben entschieden, ihn vorerst bei sich aufzunehmen, bis er die Trauer überwunden hat. Wenn das nur so leicht wäre...

Pesar, du isst ja gar nichts!", meint sein Vater lächelnd und bietet ihm den randvollen Teller mit dampfendem Tschelo an, Arya lehnt dankend ab: „Sorry, aber ich habe keinen Hunger!" Er rutscht tiefer in den Stuhl, während seine Gedanken zum wiederholten Male abschweifen. Jays Beerdigung, das Video, die aufmunternden Kommentare...

Arya sehnt sich so sehr nach ihm, seinem Lockenkopf, der immer fröhlich gewesen ist. Nach seinem Rap, seinen Küssen...nach seiner Geborgenheit. Er vermisst seine Gitarre, seine Musik, die ihn in der Trauer - Phase wenigstens etwas am leben hält und gerade in seiner Berliner Wohnung allein in der Ecke steht. Und hier ist er wieder bei seinen Eltern in Ulm, die auch schon längst eine Unterkunft gefunden und das Heim hinter sich gelassen haben. Ob er wohl morgen zurück fahren darf?

Verstohlen blickt er zu seinem Vater hinüber, der sich nun von dem rissigen Mahagoni - Holztisch erhebt und abräumt. Er holt tief Luft, weiß aber, dass es sein Pedar womöglich nicht erlauben wird. Dafür hängt er viel zu sehr an seinem Sohn und angehenden Hollywood - Regisseur.

Noch nicht mal dem Amerikaner haben sie vertraut, als Arya seinen Eltern das erste Mal von ihm berichtet hat. Sie haben geglaubt, er wäre schwul und wollten erstmal nichts mehr mit ihm zu tun haben. Irrtum, natürlich sind die beiden nicht zusammen gewesen. Das hat zumindest sein Vater geglaubt und tut es glücklicherweise noch immer. Er weiß noch nicht mal, dass Jay kürzlich das Zeitliche gesegnet hat, wäre aber doch ziemlich glücklich darüber. Während Arya selbst bereits überlegt hat, sich umzubringen.

„Dad, ich...", setzt er an, stockt. Der ehemalige Aktivist beäugt sein Ein und Alles misstrauisch, was den jungen Mann zum Grübeln bringt. Er möchte gerne zurück nach Berlin, zu seiner Vergangenheit. Zu dem Jay, den er nie mehr haben wird.

Arya hat sich entschieden. Noch einmal nimmt er einen tiefen Atemzug und sagt laut und selbstbewusst: „Ich würde gerne wieder zurück nach Hause, nach Berlin! Versteht ihr?" Er schaut seinem Vater tief in die Augen. „Verstehst du, Papa?"

Sein Gegenüber wird blass, reagiert erst nicht. Dann, nach einer kurzen Weile, antwortet er. Der sonst ruhige Tonfall trieft vor Hass: „Es geht bestimmt wieder um diesen Jay Samuelz, oder? Ich habe dich doch gebeten, solange du hier bist, nicht mehr..." Es geht schon wieder los.

Seine Frau fällt dem Aktivisten ins Wort, wechselt kurz etwas mit ihm in Aryas Muttersprache. Sie versucht, ihn umzustimmen.

Oh ja, das Verhältnis zwischen seiner Mutter und ihm ist besser als das mit seinem Vater. Sie, eine bildhübsche Frau und Poetin, kann ihrem Sohn jeglichen Wunsch kaum abschlagen. Außer, wenn ihr Mann in der Nähe ist - und das ziemlich oft. Lass ihn doch seiner Wege gehen!, übersetzt Arya still für sich und sagt keinen Mucks, ehe er wieder vor ihm steht.

Zum letzten Mal: Du bleibst hier, verstanden? Du bist zwar schon längst erwachsen, aber ich bin immer noch dein Herr und Meister, kapiert? Und falls dir das nicht passt, werde ich ganz schnell ungemütlich..." Fies grinsend beugt er sich zu Arya etwas herunter - der Regisseur hat trotz seinem sportlichen Ehrgeiz eine geringe Statur - und dreht sein Kinn unsanft zu ihm herum. „Also, ich warte. Gehst du zurück oder bleibst du gefälligst hier? Ich rate dir, letzteres zu wählen..."

Jay und Arya/ Der Lehrer One - Shots Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt