Aurora hatte ihn wirklich vermisst.
Immer hatte sie schon den Wunsch gehabt, von einem Wildschwein aufgefressen zu werden.
"Ausweichen!", rief Anthony seinen Freunden zu, welches sie zu gern befolgten.
"Ach echt?!", Aurora sprang zur Seite, als die Hörner des Tieres nur noch einen Daumen breit entfernt waren.
"Was will dieses Ding von uns?!", schimpfte Julius genervt und hob einen naheliegenden Stock hoch, den er Auroras Meinung nach zu lange betrachtete.
"Uns fressen oder einfach aus Spaß töten.", vermutete Anthony und versteckte sich hinter einem mageren Baum, man konnte ihn aber trotzdem noch sehen, "Das erinnert mich jetzt wirklich an die Titanen von Attack on Titan"
"Erstens, das hier ist kein Anime, zweitens, sei du mal leise. Du hast die zweite Staffel nicht einmal zuende geguckt.", fauchte Aurora zurück, als sie sich wieder aufsetzte.
Jetzt über Serien oder andere Sachen zu reden, die ihnen gerade nicht wirklich weiterhalfen, hielt sie nicht für den richtigen Zeitpunkt. Zwar hatte es lange gedauert Anthony zu überreden, Animes zu gucken, aber darüber wollte sie sich gerne unterhalten, wenn ihr aller Leben nicht in Gefahr schwebte.
"Ich hab eine Idee.", sagte Julius plötzlich, wobei er von ihr und Anthony wie ein Verrückter angestarrt wurde.
"Julius, deine Pläne sind nie gut! Lass das sein!", Aurora hielt ihn am Arm fest, als sie verstanden hatte, was er vorhatte.
Sie konnte nicht zulassen, dass er sich unnötig in den Tod stürzte und schon gar nicht, dass sie nur hilflos dabei zu gucken musste.
Dieser jedoch blickte ihr ernst in die Augen.
"Wenn es keiner macht, dann werden wir sterben. Und wir wollen alle nach Hause... aber erst muss das Ding weg.", er zeigte auf das Wildschwein, das schon den halben Weg hinter sich gelegt hatte und in nur wenigen Sekunden ihr Opfer erreichen würde.
"Nein.", erwiderte Aurora düster, "Entweder wir alle oder keiner. Anthony, komm hierhin-..."
"Damit ich Suizid begehe? Fein.", er trottete über die Wurzeln, "Ist das jetzt so ein 'alle für einen und alle für einen'-Ding?"
"Du hast 'alle für einen' zweimal gesagt. Es heißt 'alle für einen und einer für alle'.", bemerkte Julius und schien komplett vergessen zu haben, worum es vor einer halben Minute noch ging.
"Ja, das ist irgendwie ein Zungenbrecher für mich. Ich komme damit einfach nicht klar."
"Bist du irgendwie dumm?"
"Jap."
Genervt stöhnte Aurora auf.
So sehr sie die beiden Jungen auch zu lieben schätzte, manchmal waren sie zu offensichtlich, was ihre zwei Gehirnzellen betraf, die sie zusammen teilten.
"Ihr seid beide dumm und wo wir auch über Dummheit reden. Da ist halt so ein Lebewesen, was uns gerne auffressen würde und oh mein Gott.", ihre Stimme brach ab.
"Oh mein Gott?", Anthony runzelte die Stirn, "Also, wenn du das schon so sagst... Gott könnten wir jetzt wirklich gebrauchen."
"Oder Satan. Vielleicht wird der Tod dann nicht mehr sooo schmerzhaft.", sagte Julius und zuckte mit den Schultern.
"Jungs, haltet eure niveaulosen Klappen.", zischte Aurora, ehe sie ihr Gespräch fortführen konnten, "Fragt ihr euch denn nicht, warum ihr noch nicht Tod seid?"
"Vielleicht sind wir auch schon gestorben, nur wissen wir es nicht.", Anthony spielte mir den Augenbrauen, weswegen er von Aurora eine Ohrfeige bekam und laut aufschrie.
Julius prustete los, jedoch passierte ihm kurze Zeit später das gleiche und er gesellte sich seinem Freund auf dem Boden.
"Seht ihr? Es tut weh, also lebt ihr noch.", sagte sie trocken und entfernte sich von ihnen, wobei sie von den Jungen nur entgeistert angeschaut wurde.
Anders als Aurora selbst hatten sie das vor kurzem geschehene Ereignis nicht mit eigenen Augen sehen dürfen, da sie viel zu sehr damit beschäftigt waren, über ihre Dummheit zu diskutieren.
Das letzte, an das sie sich erinnern konnte, war der erschrockene Gesichtsausdruck des Tieres, als es gerade dabei war, seine Krallen beim Springen auszufahren.
Danach pulverisierte es sich zu Staub und war verschwunden.
Aurora konnte sich zu diesem Zeitpunkt kaum noch bewegen. Sie war wie erstarrt gewesen. Wahrscheinlich, weil es ihr wieder zu schnell passiert war.
Alles, was sie daraufhin sehen konnte, war ein Mann mit Pfeil und Bogen.
Er hatte einen gut gebauten Körper für sein mitteljähriges Erscheinen. Sein Brustpanzer war aus Eisen und mit einem griechischen Omega und einem Lorbeerkranz beschriftet, welches in den durch die Blätter scheinenden Sonnenstrahlen perfekt aufleuchtete.
Er hatte einen Köcher um seinen Rücken geschnallt, in dem noch mehr Pfeilspitzen herausragten und den Bogen benutzte er als Gehstock.
Der Unterkörper war hingegen etwas... schwieriger zu beschreiben.
Oder eher zu glauben.
Er hatte den Körper eines Pferdes.
"Lustig. Der ist ja ein Pferd.", kicherte Anthony hinter Aurora, die sich wegen der plötzlichen Anwesenheit so sehr erschrocken hatte, dass sie ihm abermals einen Schlag, dieses Mal auf den Bauch, verpasste.
"Chill mal deine Hand, Kind.", er hielt sich abwehrend die Arme vor seine Brust.
"Wenn der Typ ein Pferd ist...", wechselte Julius das Thema, "Dann kann man doch gut auf ihm reiten."
Sein Freund starrte ihn verstört an. In diesem kleinen Augenblick hatte Aurora wieder die Hoffnung, dass sich wenigstens einer von den beiden wirklich um ihre Lage Sorgen machen würde, stattdessen sagte er: "Du hast Recht, bro!!! Daran habe ich ja gar nicht gedacht."
Anthony gab ihm ein High-Five.
"Ich enterbe euch gleich wirklich, wenn ihr nicht für eine Sekunde ernst bleibt.", knurrte Aurora sie an.
"Okidoki, eins...", sie machten einen steifen Gesichtsausdruck, "Fertig."
Und wieder kam dieses dreckige Lächeln zum Vorschein.
"Oh großer Gott, lass sie irgendwann irgendwo irgendwie sterben.", betete sie verzweifelt und zerrte beide Jungen bei der Hand mit zum Mann, der ihr das Leben gerettet hatte.
"Ich habe mich, glaube ich, doch anders umschieden. Der Typ macht mir Angst.", Julius zögerte, je näher sie dem Pferdemenschen kamen.
Er blieb stehen und deutete auch den anderen zum Haltmachen, wobei dies gar nicht nötig gewesen war, zudem der Fremde auf sie zu... ritt.
Nun konnte Aurora auch seine feinen Gesichtszüge erkennen - er hatte nicht sehr viele Falten, aber er strahlte ein hohes Alter heraus. Seine tiefliegenden Augen schienen über tausend Jahre alt zu sein,... ob gutes oder schlechtes, er hatte vieles gesehen.
Sein langer Schnurbart passte perfekt zu seinem Auftreten.
Die langen Haare enthielten wenige helle Strähnen, sonst waren sie dunkel. Sie fielen gelassen auf seinen Schultern hinab und verschmolzen mit dem Wind, der sich durch das Labyrinth über ihnen hindurchgedrängelt hatte.
Seine Miene war kaum zu deuten. Weder schien er glücklich darüber zu sein, drei obdachlose Jugendliche auf seinem Spaziergang mit Pfeil und Bogen zu finden, noch darüber, dass einer von ihnen sich über seinen Pferdeteil lustig machte.
"Halt die Klappe oder du liegst wieder auf dem Boden, Anthony.", sagte Aurora wütend und bittete um Entschuldigung.
"Schon gut, Kind.", die Mundwinkel des Mannes zuckten.
Das Lächeln ließ Auroras pessimistische Gedanken dahinschweben. Er gab ihr das Gefühl von Geborgenheit und Vertrauen, welches sie an einem solchen Tag besonders brauchte.
Selbst, dass seine Augen sich schon fast zusammenschlossen, empfand sie als angenehm.
"Oh, sie sind ja...", Anthony lief rot an, "Tut mir Leid für die Bemerkungen."
"Ich höre sowas öfter von meinen Schülern, da ist nicht's neues dran.", er winkte ab. Wieder dieses Lächeln.
Aurora fing an ihn zu mögen.
Vielleicht auch einfach nur, weil er etwas gemeinsam mit Evan hatte. Sie musste irgendwann dafür sorgen, dass sie sich treffen.
"Sie sind Lehrer?", fragte sie neugierig, "Oder vielleicht auch anders.", sie zeigte auf seinen Unterkörper.
"Um deine Frage zu beantworten.", begann er, "Ja, ich bin Lehrer und nennt mich doch einfach Chiron. Alles andere werdet ihr im Camp erfahren und..."
"Welches Camp?", fragte Julius, "Und wo sind wir?"
Chiron zögerte, "Es ist ein Camp für Außergewöhnliche Kinder wie euch zum Beispiel. Und wenn ich fragen dürfte, woher kommt ihr denn?"
"Außergewöhnliche Kinder", lachte Anthony, "Genau, das hören wir oft. 'Oh, guck mal da ist dieses ADHS Kind, wie wär's wenn wir ihn für sechs Stunden in einem Raum einsperren, wo nichts drin ist. Das ist bestimmt lustig! Und nur Buchstaben an die Wände zu malen, weil er Legastheniker ist'. Nein, danke. Das mache ich nicht noch einmal mit. Wir haben schlechte Erfahrungen, was Camps angeht."
Er musterte Chiron ernst wie um Widerspruch zu erwarten.
Aurora wusste, was er gemeint hatte. Als die Camper erfahren hatten, dass sie Waisenkinder waren und auch an bestimmten Krankheiten leideten, wurden sie das Opfer Nummer eins.
"Alle meine Schüler sind so wie ihr. Keine Sorge.", sagte er jedoch ruhig und Aurora erkannte eine Spur von Traurigkeit und Mitleid in seinen Augen.
"Anthony, sei nicht so hart zu ihm.", flüsterte sie ihm deswegen zu. Er nickte nur.
"Wir kommen aus einem Waisenheim...", sagte Julius, als ob er nur darüber nachgedacht hätte, wie er es am besten formulieren sollte, "Aber ich kann dir nur sagen, dass es in Europa liegt. Wenn du natürlich weißt, was das ist."
Aurora seufzte erleichtert.
Er hatte verstanden, woran sie gedacht hatte. Wenn ein Fremder eine solche Frage gegen einen stellt, hieß es ganz einfach nur, dass ihr aktueller Standort viel weiter weggelegen war, als sie sonst gedacht hatten. Er interessierte sich für ihre Sicht der Umgebung und es war ein Zeichen dafür, dass die richtige Antwort falsch gewesen wäre.
"Wo sind wir, was sind Sie, warum bin ich hier.", wechselte Anthony das Thema.
Manchmal waren die beiden anstrengend und befanden sich unter dem Niveaupunkt Null, aber Aurora war froh gewesen, dass sie wussten, wann es streng werden würde.
"Vielleicht solltet ihr erst mit mir mitkommen. Ich habe euch gefunden und das zählt am meisten.", er deutete ihnen ihm zu folgen.
"Was meinst du mit 'Ich habe euch gefunden'?", fragte Julius und hatte sich wie die anderen keinen Schritt weiterbewegt.
Chiron überlegte. Dann lächelte er wieder.
"Weißt du, Julius... viele meiner Schüler nennen diesen Moment, den Plottwist ihres Lebens.
Nun folgt mir, meine Helden. Es wird Zeit, dass ihr ein paar meiner Schüler und gleichzeitig euer neues Zuhause kennenlernt."------------------------------
Jaja, ich weiß... bis jetzt komplett langweilig, aber im nächsten Kapitel kommt's... glaube ich
Und wow danke für die Reads und Stars und alles lol
Btw das ist Chiron
Und ich habe so einen Ohrwurm von "break up with your girlfriend, i'm bored"
Irgendwie verbinde ich Aurora oft mit Ariana Grande und ihren Liedern
Die Lyrics entsprechen halt ihrem Leben (z.B. one last time, breathin', god is a woman, dangerous woman, no tears left to cry, 7 rings und thank u next)
Die Beziehung zwischen Julius und Anthony verbinde ich mit "brothers" von Kodaline... ehemm
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The New Generation
FantasyDas Leben als Waisenkind war nie einfach gewesen, zudem man öfters ein Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch wurde. Selbst die Erwachsenen schienen keine Interesse an ihnen zu haben, welches schließlich dazu führte, dass die Gruppe aus fünfundzw...