Drei

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DREI

Melek:
„Die Liebesnächte ihrer Eltern können Sie getrost weglassen", sagt sie und schaut mich wie zu erwarten mit einer nicht zu deutenden Mimik an. Ich habe es mir inzwischen doch auf einem Stuhl bequem gemacht. Stumm sitze ich da und lausche auf mein Inneres. Was wird es mir diesmal sagen? Was soll ich ihr diesmal erzählen? Der Frau, die vor mir sitzt und ständig mit einem Kugelschreiber herumspielt. Das macht mich ganz wahnsinnig! Kann sie das nicht lassen! Es regt mich auf und geht mir auf den Sack!

«Dann sag es ihr doch», kontert meine innere Stimme und bringt mich fast zur Weißglut.

'Wenn du so erpicht darauf bist, dann sag du es ihr doch!', murre ich in Gedanken und sehe mit feindseligen Blicken dem Kugelschreiber entgegen.

„Geht es Ihnen gut?"

Wie ich diese Frage hasse! Natürlich geht es mir gut!

«Dann wärst du nicht hier, meine Liebe.»

Ich antworte meiner inneren Stimme nicht.

„Warum sind Sie gerade wütend?", reißt sie mich aus meinen Gedanken.

«Weil du blöde Kuh immer mit dem Stift herumspielst!»

„Halt. Die. Klappe!"

„Bitte?"

„Ich meine nicht Sie", stammle ich und senke den Blick.

«Jetzt denkt sie, du seist wahnsinnig und steckt dich erstrecht in eine Klapse.»

„Wen meinen Sie dann?", will sie wissen und schaut mich fordernd an.

„Ich war zu sehr in Gedanken vertieft und habe nicht mitbekommen, dass ich das laut gesagt hab", versuche ich ihr zu erklären. Die Frau, welche sich mir bei unserem ersten Gespräch als Frau Bachmann vorgestellt hat, nickt leicht und senkt ihren Stift zu Papier. Ich schlage die Augen nieder und versuche mich zusammenzureißen. So etwas darf mir nicht nochmal passieren! Ich darf die Kontrolle nicht noch einmal verlieren! Ich muss meine Wut im Zaum halten, bevor sie mich wirklich noch einweist.

„Ich werde Sie nicht einweisen", sagt sie mit einem Lächeln im Gesicht, als ob sie gerade meine Gedanken gelesen hätte. Ich nicke. Anscheinend scheint es, als würde ich ihr nicht so recht glauben wollen. Daher atmet sie ein und aus. Dann verlassen Worte ihren Mond. „Das kann jedem einmal passieren, Melek. Sie brauchen sich nicht Sorgen zu machen, dass ich Sie in die psychiatrische Klinik schicke."

„Dann ist ja gut", erwidere ich und merke, dass sie wieder die Wörter sagen will. Doch ich lasse es nicht darauf ankommen. „Was soll ich nun erzählen?"

„Momentan nichts. Die Sitzung ist vorbei. Erst in den nächsten Stunden können Sie wieder erzählen", meint sie und steckt ihr Notizbuch in eine Schublade. Der Stift landet auf dem Deckel des Buches. „Was möchten Sie denn nächstes Mal erzählen?"

Ich zucke mit den Schultern. „Was wollen Sie denn wissen?"

„Wie wäre es mit ihrer Geburt, Melek?"

Ich nicke und wende mich ab, nachdem ich mich vom Stuhl erhebe.

„Wir sehen uns", sage ich und schlüpfe aus der Tür, noch bevor sie etwas sagen kann.

«Hast du mal daran gedacht zu fragen, wann ihr euch trefft?», murrt meine innere Stimme und wenn nicht so viele Augenpaare auf mir liegen würden, hätte ich mir bestimmt selbst eine rein gehauen. Doch ich lasse es bleiben und öffne die Tür erneut. Diesmal trifft mich eine fragende Miene. Ich trete herein und schließe die Tür.

„Wann soll ich nächste Woche hier sein?", kommt es über meine Lippen.

„Einfach um dieselbe Uhrzeit", antwortet sie und zieht sich ihre Jacke an.

Meine Kindheit (Secret Cases, Band 0)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt