Kapitel 6

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~Lucielle~

Etwas mitgenommen saß ich am frühen Morgen auf der Couch in unserem Wohnzimmer, während ich einen heißen Kaffee trank und nebenbei die Nachrichten schaute.

Vor einer Weile war ich von dem Geschrei meiner Schwester aus dem Schlaf gerissen worden, weshalb ich mich gleich besorgt auf den Weg in ihr Zimmer machte und sie dort kreischend und um sich schlagend, in ihrem Bett, vorfand. Später erklärte sie mir, noch immer etwas verstört, dass sie nur einen Albtraum gehabt hatte. Wahrscheinlich nahmen sie die aktuellen Informationen zur Existenz der Übernatürlichen Gruselgestalten doch etwas mehr mit, als gedacht. Als sie sich dann langsam wieder beruhigt hatte, ging ich hinunter in die Küche, um mein verschlafenes Ich wieder etwas zu ermuntern. Ach, und siehe da, hier war ich immer noch.

Mittlerer Weile waren die Nachrichten, welche ein älterer Sprecher im Fernseher verkündete, nur noch Nebensache, da meine Gedanken längst wieder zu dem Aufeinandertreffen mit Cayden in der vorherigen Nacht gewandert waren. Schon den gesamten Abend über hatte ich an nichts anderes Denken können, als daran, ob er recht hatte oder nicht. Waren wir tatsächlich Vampire? Stellte ich mir immer wieder die die abnormale Frage. Doch ich kam zu keinem greifbaren Entschluss und tentierte so eher zur Verneinung. Aber mal schauen, wenn er heute tatsächlich vorbeikommen wollte, um das mit uns zu klären, ließ ich mich vielleicht überzeugen.

Wie als hätte man meine unausgesprochenen Gedanken zu unserem bevorstehenden Besuch gehört, wurde ich plötzlich ruckartig aus meinen Gedanken gerissen, als es an der Tür schellte und ein lauter, durchdringender Ton die Stille durchbrach. Einen Moment wartete ich reglos ab und hoffte, dass Sora die Tür öffnen würde, doch vergeblich. Also gab ich schließlich nach, schaltete den Fernseher aus und ging mit schnellen schritten zur Tür.

Kaum hatte ich diese geöffnet, schaute ich sogleich in die grünen Augen Caydens. Angespannt ließ ich die unbewusst angestaute Luft aus und trat mit einem leichten Lächeln auf den Lippen einen Schritt zur Seite, um ihm den Eintritt zu gewähren. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er schon so früh kommen würde, weshalb ich noch einen kurzen Moment überrascht so stehen blieb, bevor ich die Tür wieder schloss. Zum Glück waren unsere Eltern schon sehr früh zu alten Bekannten abgereist, denn sonst hätte dieses Treffen unter erschwerten Bedingungen stattfinden müssen. Dachte ich erleichtert und machte mich dann auf in das Wohnzimmer, wo Cayden sich schon selbstsicher auf den Platz fallen gelassen hatte, auf welchem ich ein paar Minuten zuvor noch saß. Wie hatte er dieses Zimmer so schnell und sicher finden können? Fragte ich mich, als ich daran zurückdachte, wie schnell er an mir vorbei getreten war und sogleich weiter in die Richtung des Wohnzimmers lief.

Etwas beschämt richtete ich meinen Blick wieder von ihm ab, als ich merkte, wie er mich ebenfalls anschaute. „Ich hole mal schnell Soraya." Meinte ich etwas unwohl zu ihm und verließ dann schnell den Raum, als er mir mit einem kurzen Nicken antwortete. Oben angekommen klopfte ich kurz an die Zimmertür meiner Schwester und steckte dann meinen Kopf in den Raum. Zu meiner Überraschung war dieser ausnahmsweise halbwegs ordentlich und es lief wie fast immer leise das Radio im Hintergrund. Als ich Sora an ihrem Schreibtisch entdeckte, meinte ich schnell zu ihr „Kommst du mal bitte mit runter? Cayden ist da.". Nach einem kurzen Zögern nickte sie und folgte mir dann in die untere Etage, wobei sie komischerweise immer einen großen Bogen um jegliche Sonnenstrahlen machte, welche direkt durch die Fenster schienen. Unten angekommen ließen wir uns ebenfalls auf die Couch fallen.

Nach einer kurzen Ruhepause ergriff schließlich der Mann unter uns das Wort. „Sorry, wegen meinem kleinen Wutausbruch von Gestern, aber es nimmt mich immer etwas mit, wenn die Leute nicht akzeptieren wollen, was sie sind. Denn ihr zwei seid, genau wie ich und viele andere, Vampire. Lasst mich ausreden!" Unterbrach er bestimmt seine kleine Rede und bedachte mich dabei mit einem mahnenden Blick, als ich Anstalten machte ihm ins Wort zu fallen. Resigniert ließ ich wieder meine Schultern sinken und lehnte mich erneut zurück, als er wieder anfing zu reden. „Diese Art der Fabelwesen existiert und hat, genau wie viele andere Arten auch, eine lange Entstehungsgeschichte, aber diese kann euch bei Gelegenheit jemand anders näherbringen. Zusammen mit den Wesen der Arten Werwolf, Gestaltwandler, Feen, Hexen und Dämonen könnt ihr auf der sogenannten 'Evil Akademie' lernen eure Fähigkeiten und Gaben zu kontrollieren. Auf dieser Schule unterrichte auch ich im Fachgebiet Kampf, denn neben allen Grundfächern schult euch diese Schule ebenfalls in den Bereichen Magie, Heilung und, wie schon genannt, Kampf. Einen dieser Teilgebiete könnt ihr auch als euren späteren Tätigkeitsbereich wählen und euch so darauf spezialisieren. Wenn ihr euch zum Beispiel für Kampf entscheidet, könnt ihr später als Wache oder Soldat am königlichen Hof des Vampirkönigs arbeiten. Richtig gehört, viele Arten der Fabelwesen haben einen Anführer und wir haben einen König, aber dazu werdet ihr auf der Akademie auch noch einiges lernen." Besonders während er den letzten Teil sprach, schwoll seine Brust vor stolz an, dann aber nahm er sich eine kurze Atempause, bevor er bittend hinzu fügte „Bitte nehmt diese Möglichkeit ernst und kommt ab dem nächsten Semester, zusammen mit vielen anderen Schülern, zu uns. Die Schulleitung regelt auch alles mit euren Eltern und ihr könnt lernen eure Triebe zu kontrollieren.". Als wir auf diese Flut aus Informationen nicht reagierten, setzte er verzweifelt noch hinzu „Wenn ihr mir immer noch keinem Glauben schenkt, dann kommt wenigstens mit und falls ihr mich dann immer noch nicht ernst nehmt, könnt ihr wieder gehen. Versprochen!". Ergeben nickten Sora und ich ihm schließlich zu, nachdem wir uns gegenseitig einen ratlosen Blick zugeworfen hatten und uns so im Stillen das Einverständnis gaben.

„Okay, wir machen es. Aber wenn wir dann trotzdem nicht genug überzeugt sind, gehen wir wieder und zwar ohne Wiederrede." Teilte Sora ihm dann unsere Entscheidung in Worten mit, während sie drohend ihren Zeigefinger hob und ich ihn mit einem entschlossenen Blick bedachte.

Erleichtert gab Cayden ein einfaches Nicken als Antwort und erhob sich von seiner Sitzgelegenheit. „Das freut mich, ich dachte schon, dass wir das mit Gewalt lösen müssen," gab er mit einem Zwinkern von sich „aber das ist ja nun nichtmehr nötig. Ihr werdet in kürze nochmal von uns hören und dann werden wir auch alles Wichtige wegen dem Internat klären.". Sprach er weiter, während er sich auf den Weg in den Flur und von da aus nach draußen machte.

Etwas überfordert durch seinen plötzlichen Aufbruch, nickten wir leicht und sahen ihm dabei zu, wie er mit einer leichten Handgeste zur Verabschiedung in den hellen Straßen des Dorfs verschwand.

Noch kurz hielten wir so inne, bis ich die Tür schloss und am Ende meiner Kräfte zu Sora murmelte „Worauf haben wir uns da nur eingelassen?". Da sie darauf auch keine Antwort wusste, drehte sie sich schulterzuckend um und ging die Treppe nach oben.

Blutsschwestern-Die Schwestern des TodesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt