Plötzlich wurde ich durch einen lauten Türknall aus meinem Schlaf gerissen und schreckte auf. Als ich mich kurz orientierungslos in dem kleinen Raum umsah, erkannte ich meine Schwester Sora, welche vor unserer Zimmertür stand und mich erschrocken anblickte. "Tut mir leid. Vorhinst habe ich das Fenter geöffnet und dann gerade den Zug unterschätzt. Ich wollte dich nicht wecken." sprach sie entschuldigend. "Ist schon okay, wir wollten ja sowieso noch raus gehen." Antwortete ich ihr und suchte zeitgleich mit meinen Augen nach einer Uhr im Zimmer, welche ich dann auch auf meinem Schreibtisch fand. "Es ist schon nach 12 Uhr." stellt ich fest und stand anschließend flink auf. "Lass uns gleich los gehen, bevor sie alle Unterrichtsschluss haben und wir uns nichtmehr ungestört umsehen können." meinte ich und lief zu meiner Schwester, welche die Tür erneut öffnete. "Ja, komm. Lass uns losgehen." aufgeregt nickte sie bestätigend zu ihrer Aussage und schloss die Tür hinter sich, nachdem wir den Flur betreten hatten.
Langsam gingen wir den langen Gang entlang, der von vielen Türen geziert wurde, auf denen die unterschiedlichen goldenen Ziffern für die Zimmernummern angebracht waren, und an dessen Wände Portraits und Gemälde von Personen und Landschaften hingen. Sachte strich ich mit meinen Fingern über einen filikran gearbeiteten Rahmen eines alt aussehenden Bildes, auf welchem ein eindrucksvoller Mann mit königlicher Robe abgebildet war. Ohne groß auf die Person an sich zu achten, bewunderte ich den alten, vergoldeten Rahmen, der unglaublich aufwendig gearbeitet aussah. Für solche Dinge hatte ich mich schon immer interessiert. War es nicht unglaublich, was man alles so fertigen konnte? Ich selbst hatte mich auch schon an den unterschiedlichsten Handarbeiten versucht, aber gerade das Schnitzen fiel mir besonders schwer, da meine Werke danach immer etwas verkorks aussahen. Aber was solls? Schließlich kann einem ja nicht alles liegen.
Durch das aufgesetzte Räuspern meiner Schwester wurde ich aus meinen Bewunderungen gerissen und schaute ertappt zu ihr. Sie hatte für solche Dinge nicht sehr viel übrig, weshalb es auch kein Wunder war, dass sie nun etwas ungedultig dreinschaute. "Ich komme ja schon!" Meinte ich versöhnlich und holte den Abstand auf, der zwischen uns entstanden war, da sie erst ein paar Schritte später stehen geblieben war. "Wenn wir so weiter machen werden wir nie fertig." Sprach sie belustigt und schüttelte leicht den Kopf. Leicht nickte ich und lächelte ihr breit entgegen. Dieser Ort war einfach unglaublich!
Als wir die Treppe nach unten genommen hatten standen wir in einem großen Eingangsbereich, wovon eine Tür zu einem weiteren Flur wegführte, auf welchem die Zimmer der Jungen lagen, was ein Schild verdeutlichte, und zum anderen ermöglichte eine große Eingangstür das Gebäude zu verlassen und den Hof zu betreten. Nachdem wir noch einmal kurz den Flur der männlichen Vampire von weitem abgecheckt hatten und dabei zu dem Entschluss kamen, dass es da nicht viel anders aussah als bei uns oben, verließen wir unser jetziges Wohnhaus durch die Eingangstür und standen nun draußen im Dunkeln, wo nur eine kleine Lampe über der Tür etwas Licht spendete und den Weg ein Stück weit erleuchtete. Neugierig gingen wir los, nachdem wir uns kurz ermutigend zugenickt hatten.
Normalerweise liefen wir nicht einfach so mitten in der Nacht durch die Weltgeschichte. Dachte ich und lächelte leicht, als ich an mein naives Menschenich zurückdachte. Das hieß nicht, dass ich jetzt besser war, aber damals dachte ich wirklich, dass keine Fabelwesen existierten. Spöttich lachte ich einmal auf, als ich daran zurückdachte. Hätte ich nicht selbst irgendwann die unnormalen Kleinigkeiten in meinem Alltag bemerkt, dann würde ich Cayden noch immer für verrückt halten. Appropo Cayden, wo war der eigentlich? Als er vorhinst unsere Koffer weg geschafft hat, ist er danach nichtmehr aufgedaucht.
"Hörst du das? Das klingt wie rauschendes Wasser." Sprach Soraya und unterbrach so meine Gedankengänge. Neugierig spitzte ich meine Ohren und lauschte in die Dunkelheit. Tatsächlich. Das hörte sich an, wie wenn der Wind leichte Wellen an das Ufer drückte. "Lass uns da mal hingehen." meinte ich zu ihr und verließ anschließend mit ihr zusammen den Weg, auf welchem wir bisher gegangen waren. Wenn ich das richtig sah, waren wir gerade auf dem gepflasterten Stück vor dem Zentralgebäude angekommen, zwischen dem die Wege des Wohngebäudes der Feen und dem der Hexen zum Hauptgebäude führten.
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Blutsschwestern-Die Schwestern des Todes
VampireDas einst so normale Teenagerleben der Zwillinge Soraya und Lucielle nimmt eine plötzliche 180° Wendung, als sie von dem Schicksal heimgesucht werden. So werden Jungs und die kleinen Streitereien mit der eigenen Schwester mit einem Mal zur Nebensac...