~Lucielle ~
Gehetzt rannten Sora und ich hinter Luna, Rick und Jenny hinterher, die voraus zu unserem jetzigen Klassenzimmer sprinteten. Gerade als wir die Tür mit der Zimmernummer 221 erreichten, klingelte es zum zweiten Mal und kündigte so den endgültigen Unterrichtsbeginn an. Erleichtert öffnete Luna just in dem Moment die Tür und ließ uns alle eintreten, bevor sie uns folgte und die Tür hinter ihr ins Schloss fallen ließ. Zu unserem Glück war noch kein Lehrer da und unser eintreten hatte auch kaum ein Schüler bemerkt, da sie alle mit ihrem Sitznachbarn, ihrem Schulzeug oder sonstigen anderen Dingen beschäftigt waren.
Hilflos schaute ich zuerst zu meiner Schwester und dann zu unseren neuen Leidensgenossen. Ich hasste diese Situation, wenn man als ‚die Neue' dasteht und nicht weiß, was man tun soll. Da Rick unsere hilflosen Gesichter wahrscheinlich auch bemerkt hatte, schaute er mit einem mitleidigen Ausdruck in den Augen zu uns und meinte „Setzt euch am besten da hinten hin, der Platz ist noch frei." Dankbar lächelte wir ihm zu und folgten ihnen etwas weiter in den Raum hinein, wo sich Rick und Jenny auf einen Platz ziemlich in der Mitte des Zimmers niederließen, der genau zwei Reihen vor jenem Tisch lag, wo er zuvor hingedeutet hatte. Als wir diesen erreichten, ließen wir uns erleichtert nebeneinander nieder und packten erstmal unsere Schulsachen aus. Soweit ich wusste hatten wir jetzt Mathe, also kein besonderes
,Vampirfach', dachte ich und freute mich aber trotzdem auf die kommende Stunde, da meine Schwester und ich damals auf der alten Schule sowas wie die Matheasse in der Klasse gewesen waren.Plötzlich spürte ich einen leichten Windhauch, der mein Gesicht streifte und drehte meinen Kopf verwundert nach rechts, wo ich Luna entdeckte, die sich auf einen Platz neben uns fallen ließ. Sie saß also auch in der letzten Reihe. Doch verwundert stellte ich fest, dass sie keinen besonders glücklichen Eindruck machte, als mein Blick auch schon auf ihren Sitznachbarn fiel, der ihr einen vernichtenden Blick zuwarf. Als er sich von ihr abwendete verzog sich sein Mund zu einem hämischen Grinsen. Instinktiv war mir nun klar, dass es sich bei ihm um einen Werwolf handeln musste, mit denen wir die meisten Fächer teilten und die uns nicht wirklich friedlich gestimmt waren. Aber wahrscheinlich beruhte das auf Gegenseitigkeit.
„Och nein, wieder zwei neue Vampire. Langsam ist das echt nichtmehr aushaltbar. Dieser ekelhaft Gestank nach Tod, eure hässlichen, Untoten Vissagen und das unzumutbare Verlangen nach Blut. Irgendwann fallt ihr noch über uns her." Angewidert verzog Lunas Sitznachbar sein Gesicht und warf uns abwertende Blicke zu. Fassungslos merkte ich wie mir der Mund aufklappte und sich wie ein hilflose Fisch auf trockenem Untergrund verzweifelt auf und zu bewegte. Wie konnte eine Person bitte nur so dreist sein?! Da mir tatsächlich die Worte fehlten und es meiner Schwester sichtbar auch so ging, wendete ich meinen Kopf von diesem Volltrottel ab und streifte kurz Luna mit meinem Blick, die den Werwolf hasserfüllt anschaute und gerade zu einem Konter ansetzt, als die Tür zum Klassenraum laut ins Schloss fiel.
Etwas überrumpelt entdeckte ich darauf hin einen kleinen, etwas älteren Mann mit Schnauzer weiter vorne im Raum, der gerade seine Tasche auf das Pult ablegte und sich dann der Klasse zuwandte, die sich daraufhin erhob. Das war also unser neuer Mathelehrer.
Wie in Trance vergingen die nächsten Minuten, wo sich der Lehrer kurz für sein Zuspätkommen entschuldigte und uns zwei als neue Mitschüler vorstellte, uns aber nicht nach vorne holte. Sympathisch. Dann begann er gleich mit trockener Mathematik, die wir glücklicher Weise schon auf unserer alten Schule dran hatten.Ich konnte mich also beruhigt in meinem Stuhl zurücklehnen, was mir Sora kurze Zeit später auch gleich tat, und den Lehrer, dessen Namen wir noch nicht kannten, da er sich namentlich nicht vorgestellt hatte, den Stoff vortragen lassen. Der Satz des Pythagoras. Der war echt leicht.
In Gedanken versunken dachte ich noch einmal über vorhinst nach. Klar, Luna, Rick, Jenny, Rose und die anderen hatten uns schon erzählt, dass die Vampire mit den Werwölfen auf Kriegsfuß standen, aber ich hätte nicht gedacht, dass sie gleich so persönlich wurden. Etwas verletzt pinselte ich schnell das Tafelbild des unbekannten Lehrers ab und dachte dann weiter nach. Wir hatten ihm doch garnichts getan und keinen Grund für seine angriffslustig Haltung gegeben.
Wahrscheinlich sollte ich das einfach nicht so persönlich nehmen.
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Blutsschwestern-Die Schwestern des Todes
VampirgeschichtenDas einst so normale Teenagerleben der Zwillinge Soraya und Lucielle nimmt eine plötzliche 180° Wendung, als sie von dem Schicksal heimgesucht werden. So werden Jungs und die kleinen Streitereien mit der eigenen Schwester mit einem Mal zur Nebensac...