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Mit einem leisen Schrei schrecke ich schweißgebadet auf.

Ich hatte schon wieder diesen verdammten Alptraum vom Unfall. Zitternd mache ich das Licht auf meinem Nachttisch an und greife nach meinen Handy. Es ist zwei Uhr morgens, ich bin hundemüde, will aber aus Angst, den Alptraum erneut durchleben zu müssen, nicht weiterschlafen. Wahllos gehe ich durch meine Kontakte, bin kurz versucht, Aiden anzurufen, lasse es aber doch bleiben. Ich gehe auf WhatsApp, suche den Chat zwischen Aiden und mir und lese ein wenig, was wir so in den letzten Jahren geschrieben haben. Bei manchen Erinnerungen, die der Chat weckt, muss ich schmunzeln, bei anderen wiederum merke ich nur noch mehr, wie sehr mir Aiden doch fehlt. Ich wiederstehe dem Drang, ihm zu schreiben, lege mein Handy weg und mache das Licht aus. Es dauert nicht lange, bis ich wieder einschlafe.

Als mein Wecker klingelt, ziehe ich mich relativ schnell an, wie immer komplett schwarz, bevor ich ins Erdgeschoss gehe und Tee und Kaffe für Mom und mich herrichte. Da ich schon fertig bin, bevor Mom runter kommt, räume ich meine Tasse schon mal auf.

"Mom, ich muss los, dein Tee steht auf dem Tisch! Bis später!", brülle ich durch das gesamte Haus.

Schnell verlasse ich dass Haus, als ich meine Schuhe angezogen habe. Im Auto atme ich tief durch, bevor ich den Motor starte und losfahre. Unterwegs hole ich mir beim Bäcker noch kurz ein Croissant, da ich gerade Lust darauf bekomme, bevor ich an der Schule ankomme.

An der Schule parke ich relativ weit weg vom Haupteingang, steige aus und will in die Schule gehen, als ich mich plötzlich zwei relativ großen und gut gebauten Kerlen gegenübersehe.

Mason und Aiden.

Ich will sie ignorieren und an ihnen vorbeigehen, doch Aiden hält mich fest.

"Lily, wir haben dir nichts getan. Also weshalb zum Henker hältst du uns aus deinem Leben raus? Bei James und Malía verstehen wir es ja, aber was haben wir dir denn schon getan?"

Ich antworte nicht auf Masons Fragen, sondern nehme lediglich Aidens Hand von meinem Oberarm und marschiere in die Schule. Es ist mir nicht ganz egal, dass ich die beiden verletzt habe, aber ich will nicht, dass sie mich verletzen können. Das mag vielleicht etwas komisch klingen, aber es ist so. Ich gebe gern zu, dass ich Aiden gegenüber ziemlich leicht schwach werden würde, aber er hat mich bisher noch nie verletzt, was ihm definitiv zugute kommt.

Während ich weiter über mein Leben nachdenke, komme ich an meinem Spind an, öffne es wie ferngesteuert und nehme die Sachen heraus, die ich für die ersten zwei Stunden brauche, verschließe es wieder. Ich will gerade losgehen, als ich gegen jemanden pralle.

"Lily, wir wissen beide, dass du dich nur schützen willst, aber möglicherweise solltest du einen anderen Weg dafür finden. Ich kann nicht zulassen, dass sich das Mädchen, in das ich verliebt bin, derart von allem und jedem abschottet. Und ich weiß, dass du das auch nicht zu hundert Prozent willst. Wir wissen beide, dass du mir gegenüber nicht lange stark bleiben könntest, so wie es schon immer war. Also bitte, tu uns beiden den Gefallen und lebe dein Leben wieder richtig."

Aiden sieht mich bittend an, und ich weiß genau, dass er Recht hat. Eigentlich will ich etwas erwiedern, doch als ich meinen Mund öffne, um etwas zu sagen, kommt kein Wort heraus. Verlegen sehe ich zu Boden, bis Aiden seine Finger unter mein Kinn legt und meinen Kopf sanft nach oben drückt. Damit zwingt er mich, ihn anzusehen, wodurch ich endgültig schwach werde.

Ich verliere mich in seinen Augen, merke kaum dass er meinem Gesicht immer näher kommt, bis sich unsere Lippen berühren. Meine Augen schließen sich automatisch, während ich den Kuss erwiedere. Als wir uns wieder voneinander lösen, kann ich auf der anderen Seite des Ganges Malía erkennen, die uns entsetzt ansieht. Ich verstehe zwar nicht, warum, aber dieser Blick bringt mich fast zur Weißglut. Widerwillig löse ich mich von Aiden, gehe mit schnellen Schritten auf Malía zu, die mich erstaunt ansieht, als es bereits klatscht. Ich habe ihr eine verpasst, die ihren Kopf zu Seite schleudert.

"Du verlogenes Miststück."

Das zische ich ihr laut genug zu, dass James es auch verstehen kann, bevor ich zum Klassenzimmer gehe und mich auf meinen Stammplatz setze.

Es dauert nicht lange bis Derek ins Klassenzimmer kommt und sich neben mich setzen will.

"Da ist schon besetzt."

Eigentlich wollte ich das zu ihm sagen, aber Aiden war schneller. Dankbar sehe ich ihn an, was Derek verwirrt. Aiden lässt sich auf den Patz neben mir fallen und packt seine Sachen aus.

"Sorry, wer auch immer du bist, aber ich muss neben Lily sitzen, da ich ihr von Ms. Blake zugeteilt wurde."

Aiden überdreht die Augen über Dereks Aussage, steht wieder auf und schnauzt Derek fast schon an.

"Na hör mal, ich weiß, dass Lily dir die Schule zeigen sollte, aber das hat sie schon am Montag gemacht, also lass sie in Ruhe. Und jetz verzieh dich, wenn du nicht willst, dass ich dich zu Brei schlage."

Damit setzt er sich, während Derek sich eingeschüchtert einen Platz relativ weit vorne sucht. Er bemerkt, dass mein Blick immer noch auf ihm ruht, weshalb er mich mit hochgezogenen Augenbrauen ansieht.

"Danke, dass du mir hilfst."

Er drückt seine Lippen kurz auf meine, was ausreicht, um mir zu sagen, dass es für ihn selbstverständlich ist, mir zu helfen.

HopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt