Was wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren?
Vincent van Gogh
Gregor stand vor dem kleinen italienischen Restaurant. Hinter ihm strahlte warmes Licht auf den Gehweg und leises Stimmengemurmel drang aus dem Inneren. Er hatte schon alles kontrolliert. Der Tisch stand in einer Nische, die Intimität vermittelte und sowohl ihm als auch seiner Begleitung die Möglichkeit bot, mit dem Rücken zu einer Wand zu sitzen. Da er immer recht viel Zeit für die Auswahl benötigte, hatte er schon einen Blick in die Karte geworfen und sich für Spagetti mit einer Spinat-Sahnesoße entschieden.
Das hatte auch den Vorteil, dass er seine Lesebrille nicht tragen musste, wenn er schließlich bestellen würde. Lisa lachte immer und nannte ihn eitel, aber eigentlich mochte er es nur nicht, eine Schwäche zur Schau stellen zu müssen, auch wenn es nur eine Sehschwäche war.
Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er zwanzig Minuten zu früh eingetroffen war, aber das war in Ordnung. Er konnte Marianne noch nicht einschätzen, aber es wäre ihm unangenehm gewesen, wenn sie allein am Tisch Platz genommen hätte.
In der Hand hielt er eine einzelne orangefarbene Lilie, die mit ein bisschen Schleierkraut zusammengebunden war und in einer kleinen Plastikvase steckte. Ein größerer Strauß wäre ihm lieber gewesen, aber die Floristin hatte ihm dieses Gesteck empfohlen, da es sich "besser halten" würde.
Wieder ein Blick auf die Uhr. Noch zehn Minuten. Seine Handflächen fingen an zu schwitzen und er wischte sie schnell an der grauen Hose ab. Er wusste nicht mehr, wie lange seine letzte Verabredung zurücklag und hoffte einfach, dass man da nichts verlernen konnte.
Das Warten machte ihm nichts aus, es gab ihm Zeit zum Nachdenken. Sicherheitshalber hatte er sich gestern noch eine Frauenzeitschrift gekauft. Laut einer leicht aufgekratzt wirkenden Schreiberin waren altmodische Werte wie Höflichkeit, Ehrlichkeit und Aufmerksamkeit wieder 'hip'. Gregor war gerne altmodisch.
Erneut spürte er Feuchtigkeit an seinen Handflächen. Die Schreiberin hatte es zwar nicht explizit erwähnt, aber er vermutete, dass Schweiß für sie nicht zu einem perfekten 'Date' gehören würde.
Gregor atmete tief ein und versuchte, seine fliegenden Nerven zu beruhigen. In dieser Situation fühlte er sich wie ein Blatt im Wind, ohne zu wissen, ob ihn der nächste Windstoß nach oben oder nach unten katapultieren würde. Es war nur ein unverbindliches Essen. Man traf sich, sprach miteinander und aß. Kein Grund, nervös zu sein. Wichtig dabei war nur, sich wohlzufühlen. Wenn es nur so einfach wäre.
Glücklicherweise hatte Lisa gestern spontan Zeit gehabt und ihn zum Einkaufen begleitet. Sein Schrank hatte einfach nichts Angemessenes beinhaltet und so musste ein neuer Anzug her. Die vielen Farbvarianten und Schnittmöglichkeiten hätten ihn überfordert und er war mit dem schlichten grauen Modell, zu dem ihm Lisa geraten hatte, mehr als zufrieden. Ein Anzug war schließlich auch eine Art Uniform. Da konnte man nicht so viel falsch machen. Klassisch, schmunzelte er.
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Mit Herz und Degen (Stadtgeflüster) LESEPROBE
RomanceVerlag! Die Geschichte wurde am 02.08.21 über den Tribus Verlag veröffentlicht und ist im Handel erhältlich! Lisa Ritter hat ein ganz besonderes Talent dafür entwickelt, sich in Schwierigkeiten zu bringen. So muss sie an einem nebligen Abend auf d...