"In die Lüfte!" sprach mein Engel. "Dann gib mir Flügel," sagte ich.
Wolfgang J. Reus
Der Stützpunkt der Hubschrauberstaffel befand sich auf dem Areal des Flughafens Hannover, direkt neben der Nordbahn 09L/27R. Ersteres war aufgrund des Sicherheitskonzeptes und der Anbindung äußerst praktisch, letzteres sorgte jedoch dafür, dass sie mit ihrem wendigen Hubschrauber aus der MD-Helicopters Familie ständig den unbeweglichen Flächenflüglern ausweichen musste. Es war merkwürdig, so sehr sie sich schon immer für Hubschrauber begeistert hatte - Flugzeuge interessierten sie einfach nicht.
Sie betrat das zweigeschossige Gebäude und ging zunächst in ihre Umkleide. Da Lisa von Beginn an die erste und immer noch einzige Frau bei der Staffel war, sah der winzige Raum ziemlich unbewohnt aus. Lisa bezeichnete ihn liebevoll als ihre kleine Abstellkammer, denn als das hatte er vor ihrem Eintritt zweifellos gedient. An den Wänden lehnten vier unterschiedliche Kleiderschränke wie müde Soldaten und vor dem winzigen Fenster stand ein metallener Schreibtisch. Aus Mangel an Konkurrenz hatte sie den größten Schrank in Beschlag genommen und verteilte ihre Zivilkleidung immer auf dem einzigen Stuhl.
Schnell zog sie sich aus und schauderte ein wenig aufgrund der kühlen Luft. Ihre Abstellkammer hatte keine eigene Heizung und erhielt Wärme mehr schlecht als recht durch die angrenzende Lagerhalle. Sie schlüpfte in Funktionsunterwäsche und ihre Fliegerkombination, einen blauen Einteiler mit dem Landeswappen auf der Schulter und dem Fliegerabzeichen über der rechten Brust.
Ihr erster Weg führte sie stets zu den großen Dauphins, den beiden schweren und altmodischen Eurocopter-Modellen EC 155, die in der Lagerhalle standen. Beides waren ehrwürdige Damen, die Ende der siebziger Jahre gebaut worden waren und nun nur noch selten und auch bloß als Ersatz für ihre moderneren Kollegen geflogen wurden. Lisa selbst hatte keine Lizenz für diesen Typ, was sie aber nicht daran hinderte, ihn zu mögen. Da sie allein in der Halle war, fuhr sie liebevoll über den Bauch der älteren Hubschrauber-Dame, Eco. „Na, meine Schöne?", gurrte Lisa leise und musste ein bisschen über sich selbst lachen. Sie drückte ihr Wange an das kühle Metall und verließ die Halle.
Dann begrüßte sie ihre Kollegen. Im Zimmer des rüstigen Einsatzleiters traf sie auf Johann, der ebenfalls schon sein Fliegeroutfit trug. Nur im Gegensatz zu ihr leuchteten auf seinen Schultern jeweils vier silberne Sterne. Erster Hauptkommissar.
Lisa war erst seit letztem Jahr Oberkommissarin und durfte zwei Sterne führen. Die beiden begrüßten sie mit einem knappen Händedruck, dann steckten die Männer wieder die Köpfe zusammen.
Im Gemeinschaftsraum traf Lisa auf Sascha, der sich gerade einen Kaffee einschenkte und eine unbekannte Melodie summte. Als er sie sah, zuckte er zusammen. „Ja, hallo. Du bist aber früh dran", murmelte er und wirkte so müde, wie sie sich fühlte.
Sie bewegte kurz die Schultern, nahm ihm die Kanne ab und befüllte ihre eigene Tasse. Der Kaffee war stark, und die Milch hellte ihn nur unwesentlich auf. Lisa schmunzelte und erinnerte sich an ihre gemeinsamen Lernabende. „Hast du gekocht, hm?"
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Mit Herz und Degen (Stadtgeflüster) LESEPROBE
RomanceVerlag! Die Geschichte wurde am 02.08.21 über den Tribus Verlag veröffentlicht und ist im Handel erhältlich! Lisa Ritter hat ein ganz besonderes Talent dafür entwickelt, sich in Schwierigkeiten zu bringen. So muss sie an einem nebligen Abend auf d...