[44]

3.7K 219 14
                                    

Taehyung hielt auch heute wieder den ganzen Tag Abstand von mir.

Man könnte meinen, dass das gerechtfertigt wäre, schließlich hatte er gestern mit mir Schluss gemacht und wir waren demnach kein Paar mehr. Aber das konnte und wollte ich nicht so einfach akzeptieren.

"Sicher, dass du das tun willst?", fragte mich Yugyeom, dem ich heute Morgen in der Frühstückspause schon von allem erzählt und ihm auch den gestrigen Chatverlauf von Taehyung und mir gezeigt hatte, nervös.

"Er hält sich ja schließlich nicht ohne Grund von dir fern."

"Verdammt, Yugyeom, auf welcher Seite stehst du eigentlich?", keifte ich ihn wütend an.

Wir standen draußen, es war die Mittagspause, vor dem Eingang der Schule. Bei den Tischtennisplatten konnte ich schon Taehyung und seine Freunde sehen.

"Ich liebe ihn", fuhr ich dann etwas ruhiger fort, weil es nicht fair von mir war, dass ich meinen besten Freund so anmachte. "Und er liebt mich. Er hat einfach nur Angst oder Sorgen oder keine Ahnung. Aber ich will nicht, dass es hier und jetzt so endet. Das kann ich einfach nicht. Da wird es ihm auch nicht helfen, die ganze Zeit vor mir abzuhauen! Er soll sich seinen Problemen einfach mal Auge in Auge gegenüberstellen."

"Vielleicht setzt ihn aber unter zu viel Druck, wenn du jetzt auf ihn zugehst?", meinte Yugyeom diplomatisch.

"Umso besser."

Dann setzte ich meinen Weg zu Taehyung und den anderen fort, während mir Yugyeom laut seufzend folgte.

"Jungkook...", flüsterte er leise. "Kannst du das nicht anders regeln?"

Ich schaute zu Boden und schüttelte den Kopf.

"Wenn er mir ins Gesicht sagt, dass das mit uns ein Ende hat, werde ich aufhören."

"Das meinte ich doch auch nicht..."

Yugyeom verstummte, als wir bei Taehyung und seinen Freunden ankamen. Jimin war der Erste, der uns begrüßte.

"Hey, ihr beiden", klang er so freundlich wie immer, auch wenn seine Augen nervös zu Taehyung schielten, der uns keines Blickes würdigte.

"Was wollt ihr?", fragte uns Yoongi angespannt.

"Ich möchte mit Taehyung reden", sagte ich geradeheraus. Mein Blick klebte dabei auf dem Dunkelhaarigen, doch er machte immer noch keinerlei Anstalten, mich ebenfalls anzusehen.

"Hast du nicht richtig gehört?", zischte ich. Yugyeom stupste mich verunsichert an, doch ich ignorierte ihn.

"Sorry, Jungkook", murmelte Jimin jetzt leise, nachdem Taehyung mich immer noch nicht beachtete. "Aber ich glaube, das geht gerade nicht."

"Und ob das geht!"

Ich schritt um die Tischtennisplatte herum und machte vor Taehyung Halt, der erst dann den Kopf hob.

"Was willst du?", fragte er mich mit gequältem Ausdruck.

"Reden."

"Es gibt nichts mehr zu bereden."

"Das hast du nicht allein zu entscheiden", sagte ich, die Wut, die langsam aber sich in mir hochkroch, angestrengt zurückhaltend.

"Lass mich in Ruhe, Jungkook", sagte er mit bebender Stimme. Ich schüttelte den Kopf und blieb vor ihm stehen.

Taehyung starrte mich noch kurz an, dann seufzte er laut und ging neben mir von der Tischtennisplatte herunter, ehe er mit eiligen Schritten zum Schulgebäude lief.

Perplex schaute ich ihm hinterher, dann rannte ich ihm schnell nach.

"Jungkook, warte!", hörte ich Yugyeom noch rufen, doch ich ignorierte ihn. Für mich zählte es jetzt nur, mit Taehyung zu reden.

Im Eingangsflur der Schule blieb ich stehen und schaute mich hektisch um. Erst dachte ich, dass ich Taehyung aus den Augen verloren hätte, doch dann hörte ich, wie eine Tür ins Schloss fiel, und ich wusste, dass er im Jungenklo verschwunden war.

Ich betrat dieses und tatsächlich - Taehyung stand mit hechelndem Atem am Waschbecken.

Als er mich bemerkte, presste er die Lippen aufeinander.

"Was willst du von mir, Jungkook?", fragte er mich sofort. "Wieso lässt du mich nicht einfach in Frieden?"

"Weil ich dich liebe", entgegnete ich, ohne zu zögern. Taehyung weitete die Augen, dann drehte er sich weg von mir.

Ich holte tief Luft und schritt langsam zu ihm. Neben ihm blieb ich stehen, doch er wandte sich nicht zu mir zu mir um, sondern starrte weiterhin auf das Waschbecken.

"Ich liebe dich, Taehyung", meinte ich leise. "Ich liebe dich so sehr. Deswegen kann ich es einfach nicht zulassen, dich zu verlieren."

Ich griff mit meiner Hand seinen Unterarm.

"Nicht wegen irgendwelchen Leuten, die meinen, sich in unser Leben einmischen zu müssen."

"Verstehst du es denn nicht?", hauchte er. "Sie mischen sich meinetwegen in unser Leben ein!"

Er schluckte. Sein Blick wanderte zu meiner Hand, die auf seinem Unterarm lag.

"Nur wegen mir werden wir angestarrt und nur wegen mir wirst du von wildfremden Personen angeschrieben und nur wegen mir versuchen Leute, uns mit ihren Kommentaren auseinanderzubringen."

"Das ist mir doch egal!", unterbrach ich ihn heftig. "Sollen sie doch machen! Sollen sie es doch versuchen! Das wird uns nicht auseinanderbringen. Das darf uns nicht auseinanderbringen." Ich biss mir auf die Unterlippe. "Es ist mir so was von egal..."

"Aber mir nicht!"

Taehyung schaute mir jetzt direkt in die Augen, und das mit so einem Schmerz, dass es mir die Luft zuschnürte.

"Es ist mir nicht egal, Jungkook", hauchte er und eine Träne lief ihm über die Wange. "Weil es uns früher oder später auseinanderbringen wird!"

"Wieso glaubst du das?"

"Ich weiß es."

Ich sah Taehyung verzweifelt an. Wieso war er sich so sicher, dass er unsere Beziehung von vorneherein schon zerstört hatte? Wieso war er sich so sicher, dass diese ganzen Menschen sie irgendwann zerstören würden?

Das Einzige, das unsere Beziehung zerstörte, war seine Angst vor diesen Dingen.

"Taehyung..."

"Es tut mir Leid, Jungkook", wisperte er und wischte sich hastig die Tränen von der Haut. "Aber es ist das Beste, wenn wir das hier jetzt schon am Anfang beenden."

Er nahm mein Gesicht in seine Hände und küsste mich. Ich erwiderte den Kuss innig und schlang meine Arme um seine Hüfte. Ich wollte ihn nie wieder loslassen. Nie wieder.

Doch gegen meinen Willen löste er sich von mir und lächelte mich anschließend traurig an.

"Ich liebe dich so sehr, Jungkook", flüsterte er. "Nur deshalb mache ich das doch überhaupt."

Dann befreite er sich aus meinem Griff und verließ das Jungenklo.

Und mich ließ er ganz allein zurück.

𝐌𝐎𝐍𝐃𝐀𝐘 | TAEKOOKWo Geschichten leben. Entdecke jetzt