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„Du siehst toll aus", sagt Stefan am Samstag, als sie aus dem Schlafzimmer kommt und sich die Schuhe anzieht. Corinna sieht an sich herunter und ihn dann fragend an. „Ich bin ganz normal angezogen" – „Ja, aber dein Bäuchlein ist so wunderschön", antwortet er und legt seine Hände auf ihren Bauch, der schon deutlich sichtbar ist. „Corinna?" – „Ja?" – „Bitte versprich mir, immer bei mir zu bleiben heute". Sie runzelt die Stirn. „Was ist los?" – „Nichts" – „Lüg mich nicht an, Stefan!" – „In der Dienststelle ist ein Drohbrief eingegangen, der sich wieder gegen dich richtet. Und anscheinend wissen sie, wo wir sind" – „Aber woher denn?" – „Ich weiß es nicht, Engelchen. Vielleicht ist uns jemand gefolgt, als wir hergefahren sind. Oder sie haben es sonst irgendwie herausgefunden. Aber vermutlich war es der Informant, der irgendwo bei uns sitzt, den wir aber noch nicht gefunden haben" – „Willst du lieber hier bleiben?" – „Nein, du hast dich so auf diesen Abend gefreut, jetzt gehen wir da auch hin. Ich passe auf euch auf, Engelchen". Stefan gibt ihr einen sanften Kuss auf die Nasenspitze und schiebt sie dann zur Tür. Als sie an der Location ankommen, wo die Tanzparty stattfindet, rümpft Stefan die Nase, während Corinna sich schmunzelnd umsieht. Es ist nur eine Halle, aus der bereits Musik herausschallt. „Ernsthaft?", murmelt er und lässt sich von Corinna zum Eingang ziehen. An der Tanzfläche verschafft sie sich erst mal einen Überblick, nimmt ihn dann an der Hand und geht mit ihm ins Gewühl. Sie legt ihre Arme um seinen Hals und beginnt zu tanzen, Stefan lässt sich nach kurzer Zeit auf sie ein und macht mit, hat aber immer ein Auge auf die Umgebung. Tatsächlich fallen ihm nach kurzer Zeit zwei Männer auf, die sie beide beobachten. Er zieht Corinna näher an sich, die ihn daraufhin verdutzt ansieht. Er schüttelt kaum sichtbar den Kopf und sie schmiegt sich an ihn. Nach einer Weile will Corinna etwas trinken, und sie gehen zur Bar. Nachdem sie ihr Getränk hat, dreht sie sich zur Tanzfläche, Stefan steht hinter ihr und umarmt sie. Er küsst sie auf den Hals und sie schließt die Augen. „Bleib so", flüstert er ihr ins Ohr. „Wir werden beobachtet". Er merkt, dass sie tief Luft holt, aber trotzdem ruhig bleibt. „Engelchen, wenn du fertig bist, gehen wir zusammen zum Auto, okay? Ganz normal, nicht laufen, nicht umsehen". Sie trinkt aus, dreht sich in seinen Armen um und stellt das Glas auf den Tresen. Dann gibt sie ihm einen langen Kuss und sieht ihn danach an. Er nickt und nimmt ihre Hand, um mit ihr nach draußen zu gehen. Vor der Halle legt er einen Arm um sie und engumschlungen gehen sie zum Auto, das er von innen gleich wieder versperrt. Er wirft einen Blick nach hinten, aber sie sind alleine. Er startet das Auto und fährt zum Chalet, immer wieder einen Blick in den Rückspiegel werfend – aber sie werden nicht verfolgt.

Als sie im Haus sind, zieht Corinna ihre Schuhe aus und wirft ihre Handtasche auf die Couch. Sie ist ziemlich sauer, was auch Stefan merkt. „Engelchen, komm her". Er will sie an sich ziehen, doch sie weicht ihm aus. „Warum bist DU so im Fokus? Ihr seid doch eine Soko, wieso immer du?", schleudert sie ihm entgegen. „Weil ich der Chef bin?" – „Das ist doch Bullshit. Was verschweigst du mir?". Verletzt sieht er sie an. „Nichts, Corinna" – „Das glaub ich dir nicht! Ich will, verdammt noch mal, ein normales Leben führen ... anscheinend geht das an deiner Seite nicht", fügt sie leise hinzu, dreht sich um und geht ins Schlafzimmer.

Da er sie hin und her gehen hört, öffnet Stefan leise die Tür und schaut ihr schockiert zu. „Was machst du da?" – „Ich packe" – „Corinna, es ist mitten in der Nacht, wo willst du denn hin?" – „Taxis und Züge fahren auch in der Nacht. Ich fahre nach München" – „Nein!" – „Du wirst mich nicht daran hindern können" –„Dann fahren wir morgen gemeinsam" – „Du kapierst es nicht, oder? Ich kann nicht mehr und ich mag nicht mehr. Ich gehe wieder in meine Wohnung zurück und lebe mein Leben weiter wie bisher" – „Und unser Baby?", flüstert Stefan. Sie hält inne und schließt kurz die Augen. „Wir werden das schon irgendwie regeln", meint sie dann und wirft weiter ihre Kleidung in den Koffer. Sie nimmt ihr Handy und sucht die Nummer eines Taxiunternehmens und bestellt sich einen Wagen. Stefan sieht ihr verzweifelt zu, geht aber irgendwann aus dem Zimmer und setzt sich auf die Terrasse. Nach einer Weile hört er ein Auto und die Haustür und weiß, dass sie tatsächlich gegangen ist. Er stützt seinen Kopf in die Hände und seine Gedanken überschlagen sich. So sitzt er, bis es dämmert, dann geht er ins Haus und packt ebenfalls. Er legt sich kurz ins Bett und schläft ein.
Corinna ist in der Zwischenzeit in München angekommen, sie hat sich die ganze Strecke im Taxi fahren lassen, weil es wesentlich einfacher und schneller ging als mit dem Zug. Sie öffnet das Fenster im Wohnzimmer ihrer kleinen Wohnung und setzt sich auf ihr Sofa – und jetzt lässt sie ihre Tränen laufen, die sich in den letzten Stunden angesammelt haben. Sie wickelt sich in eine Decke, fährt immer wieder sanft über ihren Bauch und grübelt, bis sie in einen unruhigen Schlaf fällt.

Stefan fährt gegen Mittag los Richtung München. Er stellt seinen Koffer bei sich ab und macht sich gleich auf den Weg zu Corinna. Als er vor ihrer Wohnung steht, schickt er ihr eine kurze Nachricht und wartet. Sie liest sie, reagiert aber nicht darauf. „Engelchen, das kannst du doch nicht machen", sagt er leise zu sich. Er fährt sich kurz durch die Haare, dann steigt er aus und geht ins Haus und nach oben zu ihrer Wohnung. Er klingelt und wartet wieder. Er hört Schritte und Corinna öffnet die Tür. Als sie ihn sieht, will sie gleich wieder zumachen, aber er kommt ihr zuvor und macht einen Schritt auf sie zu. „Corinna, wir müssen reden" –„Ich hab alles gesagt, Stefan", erwidert sie müde, dreht sich aber um und geht vor in ihre Küche. Er schließt die Tür und folgt ihr. Sie setzt sich auf einen Stuhl und sieht ihn abwartend an. Stefan geht vor ihr in die Hocke, nimmt ihre Hände in seine und streicht sanft darüber. „Corinna, wir beide sind am angreifbarsten im Moment. Martin und Andrea sind schon lange verheiratet, die Kinder schon groß, die anderen haben nicht mal Beziehungen, Tanja, die auch angreifbar wäre, hat mit dem Fall nichts zu tun. Wir beide sind noch nicht so lange zusammen und du bist schwanger, das ist perfekt, um jemanden zu erpressen – nur dass ich mich nicht erpressen lasse. Das einzige, was ich dir verschwiegen habe, ist ein Schreiben, in dem sie mich auffordern, die Untersuchungen einzustellen, was ich natürlich nicht getan habe. Mittlerweile sind wir ja soweit, dass der Prozess in greifbare Nähe kommt. Und du bist ein wichtiger Zeuge, das ist wahrscheinlich der Hauptgrund, hast du daran schon mal gedacht?". Nachdenklich sieht sie ihn an. „Weißt du, wenn wir uns jetzt trennen, musst du deine Aussage trotzdem machen, und durch dieses Baby werden wir doch immer verbunden sein. Willst du wirklich, dass diese Bastarde gewinnen? Willst du, dass unser Kind ohne Vater aufwächst? Willst DU wieder allein durchs Leben gehen? ICH will das nicht, und ich werde für uns kämpfen, Engelchen, für uns und unsere kleine Familie, und ich werde mir von solchen Menschen nicht mein Glück nehmen lassen – denn ich bin unglaublich glücklich mit dir". Er schaut ihr lange in die Augen, dann steht er auf, gibt ihr einen Kuss auf die Stirn und will die Küche verlassen. „Stefan, warte", sagt sie leise und er dreht sich um. Sie sitzt immer noch am Tisch, den Kopf in ihre Hand gestützt und er sieht, dass sie weint. „Corinna", er geht zu ihr und nimmt sie in den Arm, „ich hasse diese Belastung, der du ausgesetzt bist. Aber ich kann es nicht ändern. Glaub mir, ich würde dir alles abnehmen, wenn ich könnte", flüstert er ihr ins Haar. Stefan hält sie lange so fest, irgendwann hebt er sie hoch und geht mit ihr ins Wohnzimmer, wo er sich mit ihr aufs Sofa setzt und sie weiterhin beruhigend im Arm hält. „Es tut mir leid", sagt sie irgendwann leise. „Dir muss nichts leid tun, Engelchen", antwortet er und küsst sie sanft. „Kommst du mit heim oder willst du hier schlafen?", fragt er sie dann. „Wir können auch beide hier übernachten", antwortet Corinna. „Willst du das denn?" – „Sonst hätte ich das nicht gesagt". Stefan nickt, und ein kleines Lächeln huscht über sein Gesicht.

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