Dornen

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Mein Herz pocht. Ich bin aufgeregt. Aufgeregt? Ehrlich jetzt? Nur, weil ich zwischen zwei, immer noch pubertierenden, mitte zwanzig jährigen Typen sitze, die mich lüsternd anstarren. "Und wer will zu erst?" Radieschen schaut verschmitzt lächelnd in die Runde. Der Reh Junge kratzt sich verlegen an seinem Kopf, während der Dürre Typ scheinbar gar nicht mehr abwarten kann. "Ich.", krächzt er grinsend. Ich sehe zu ihm und seinem leeren Teller. Während meine Spaghettis immer noch auf dem Teller vergammeln sind alle anderen schon mit dem Essen fertig. "Also, fangen wir harmlos an." Er macht eine ziemlich uncoole, viel zu lange Pause. "Worauf steht ihr so?" Ich beobachte weiter meine Nudel, die ich geschickt auf meine Gabel fädele. Ist es wirklich das was sie von mir wollen? Mich bloß stellen, ausquetschen und verachten? Ich will das nicht. Diese Fragen beantworten und ne freundschaftliche Beziehung zu denen aufbauen. Sie haben mich entführt. Brutal entführt. Widerlich. Ekelhaft. Diese Männer. "Huhu. Rede doch mal-" Er stutzt. "Wie heißt sie denn überhaupt nochmal?" Ich blicke wieder auf. Wie IQ los muss ein Mensch eigentlich sein? Na gut, sie haben wohl keinen anderen Ausweg gefunden, an Geld zu kommen, außer mich zu entführen. Mich. Ich hab nichts. Ich bin nichts. Gar nichts. Da kann man gar nicht von einem großen Gehirn sprechen. "Luna." Ich versuche mich so selbstbewusst wie möglich hinzusetzen. "Ich heiße Luna. Sollte man das nicht eigentlich als Entführer wissen?" Abweisend sehe ich in sein, viel zu blasses und etwas rötliches, Gesicht. Er schnalzt mit seiner Zunge. "Ich mag dieses freche." Er beißt sich auf die Lippe und schaut mir intensiv in die Augen. "Also Luna, worauf steht ihr so? Also was macht euch bei Typen an?" Ehe ich wieder in die Runde schaue, muss ich in mich hinein grinsen. Wie konnte ich auch nur eine Sekunde denken, dass diese Jungs mir gefährlich sein können? Die sind wie 12 jährige. Haben überhaupt keine Logik, geschweige denn einen Plan. Wobei vielleicht sind sie ja auch so hyper schlau, dass sie sich so dumm stellen. Ich räuspere mich. "Was uns anmacht?" Sie nicken. "Ich weiß nicht." Eine kleine Pause. "Vielleicht, die Typen, die nicht nur auf Arsch oder Brüste achten, hinter die Fassade schauen und wenigstens ein Fünkchen IQ zeigen." Provokant ziehe ich eine Braue hoch. Stolz. Ja ich bin stolz auf mich. Klar klingt es total banal, dass ich meinen scheiß Entführer, als dumm bezeichne. Aber jetzt mal ehrlich: Befinde ich mich wirklich in einer Entführung? Velleicht ist das nur alles eine Verarsche. Gott ich habe so Gefühlsschwankungen. Radieschen und der Dürre sehen sich fragend an. "Da bin ich dann raus.", erwidert der Anführer. Ich rolle genervt mit den Augen. Mein Blick trifft sich mit ihm. Nico blickt lächelnd zu mir. Der glaubt aber nicht wirklich, dass ich ihn ausschließe. Er ist mindestens genau so doof, wie die anderen. "Ne ich meine vom Äußeren. Worauf steht ihr so?" Ich schüttele verständnislos den Kopf und reiße mich genervt zusammen. "Ich kann jetzt nicht für jede Frau sprechen, aber ich steh auf Größe. Mental, so wie vom äußeren." Der Dürre presst nachdenklich die Lippen aufeinander. Vermutlich hat er keine Ahnung wo von ich rede. Wahrscheinlich weiß er noch nicht einmal was mental heißt. Wieder sehen wir uns kurz an. Seine Augen. Sie funkeln. "Was ist mit Muskeln? Oder dem Arsch? Wie stehst du zu großen Hinterteilen bei Typen?" Ich drehe meinen Kopf. "Nur weil dein Arsch so fett ist, Jonas." Das Radieschen schüttelt sich vor Lachen und wird im Gesicht fast so rot wie seine strähnigen Haare. "Ich mag es nicht so.", gebe ich kleinlaut von mir. "Findeste das etwas nicht gut?" Der Dürre steht auf und streckt seinen Hintern so weit wie es geht heraus. Bemüht versucht er zu twerken. Das schallende Lachen der anderen steckt, überraschenderweise, ein wenig an, so das ich leicht schmunzeln muss. Der Reh Junge schlägt ihm grinsend auf den Po und ruft ihm: "Immer weiter du süßes Mädel.", lachend zu. Ich muster kopfschüttelnd und leicht lächelnd die Jungs, die plötzlich alle wie wild von den Stühlen springen. Ich fahre mir über meine Haare, bis ich bemerke, dass Nico mich wieder beobachtet. Schnell sehe ich zu ihm. Langsam steht er auf und geht die Treppe hoch. Er blickt noch einmal zu mir zurück. Sollte das verführerisch sein? Ich weiß nicht was mit mir los ist, aber ich gehe ihm schleichend nach, während die anderen immer noch ausgelassen tanzen und Champagner aus der Bar holen. In der zweiten Etage ist er nicht, wie ich nach kurzem suchen feststelle. Ich gehe die nächste Treppe hinauf, in der die hintere Tür leicht offen steht. So leise wie möglich laufe ich über das Parkett und linse durch den Tür Spalt. Nichts. Nur ein großer leerer Raum. "Suchst du mich?" Erschrocken fahre ich herum. Verschmitzt schmunzelnd zieht er eine Augenbraue hoch und kommt mir verdammt nah. Ich spüre seinen warmen Atem in meinem Gesicht. Sein Geruch. Süßlich. Wie am Meer. Ein sommer, süßlicher Meer Geruch. "Ähh- also ich wollte nur- mir das Haus anschauen." Er nickt immer noch mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Seine dunkelbraunen Haare sind sorgfältig und leicht nach oben gegeelt. "Wollen wir?" Er schiebt sich geschickt an mir vorbei und hält mir die Tür offen. Ich gehe in den großen Raum. Außer einer Kommode, die noch mit weißer Folie eingepackt ist, steht in diesem Raum nur die leere Kälte. Schweigend sehen wir uns um. "Ist nicht so mein Geschmack.  Wir schauen uns an. "Das Haus. Irgendwie ist es so leblos. So kühl." Ich nicke zögernd. "Aber ziemlich groß. Und ziemlich reich.", sage ich mit heiserner Stimme. Er stimmt mir nickend zu. "Ja aber ich finde hier fehlt etwas. Das ist ein wenig wie bei Frauen." Mit einem fragenden Blick sehe ich aus dem kleinen Fenster. Wie kommt es das es kein einziges großes, bodentiefes Fenster, was man auch öffnen kann, gibt? "Man braucht doch das gewisse etwas." Ich erstarre. Er ist nur ein paar Millimeter von meinem Kopf entfernt. " Die Augen. Die Haare. Der Körper." Ich wage es nicht ein- oder auszuatmen. Als wäre mein Körper eingefroren. Seine Hände berühren meinen Nacken. Er streichelt mich ganz leicht, so das sich eine Gänsehaut auf meinem Körper ausbreitet. "Aber was bringt dieses Äußere, wenn dich nichts charakterlich anspricht." Redet er noch von dem Haus? Oder nicht eher von seinem Frauen Geschmack? "Ich will ein Mädchen, was ich unendlich lieben kann." Jap er spricht von Frauen. Nun steht er mir gegenüber. Ein halber Kopf größer, als ich. Stark. Breit. Mit seinem grauen Pullover, auf dem ein rot blaues Logo zu sehen ist. Dieser Geruch. Ich sterbe. Ganz positiv gemeint. Leider. "Wir sollten wieder nach unten.", rede ich leise. Er lächelt verwirrt. "Die Geisel sagt wo es lang geht. Gab es bestimmt auch noch nie." Intensiv sehen wir uns in die Augen. Für einen kurzen Moment vergesse ich in welcher Lage ich mich befinde. Dann geht er schlürfend zur Tür. Ich folge ihm schweigend die zwei Treppen hinunter. Die Anderen sind gerade dabei ausgelassen die Musik aufzudrehen und hampeln wild herum, während sie jede Menge Alkohol trinken. "Party!", schreit der Anführer laut. "Wir wollen Party!" Wild springen sie auf und ab und verschütten dabei jede Menge, des klebrigen Getränks. Nico läuft schnell zu der Musikanlage und schaltet sie endgültig ab. Laute, jollende Rufe von den Jungs. "Ey Leute beruhigt euch mal. Wir sind hier doch nicht um Party zu machen." Genervt sieht er die Anderen an, die wütend zu ihn blicken. "Alter Nico wir haben aber wenigstens einen verschissenen Tag das Recht Spaß zu haben. Es ist alles so anstrengend und so ernst. Dieses ganze Robin Hood Gehabe geht echt irgendwie auf den Piss." Robin Hood Gehabe? Was hat der Anführer gerade behauptet? "Ist so. Außerdem solltest du auch mal deine Gedanken frei entfalten.", säuselt das Radieschen leicht angetrunken. "Tut den scheiß Champagner wieder weg. Wir müssen unbedingt alles besprechen und nochmal durchgehen." Ächzendes Stöhnen hallt durch das Wohnzimmer. "Wir haben aber keinen Bock." Der Rehjunge verschränkt beleidigt seine Arme. Er setzt sich auf den Boden und spielt ein wenig mit der Flasche. Wie so ein kleiner 3 jähriger Junge. "Das ist es!" Der Dürre klatscht begeistert in seine Hände. "Eine Runde Wahrheit oder Pflicht. Dann bist du erlöst." Nico schaut stirnrunzelnt zu ihnen. Ich ebenfalls. "Komm schon Alter. Bisschen spielen, ganz kurz Spaß haben und die Kleine in Unterwäsche sehen." Alle starren mich an. Aufgegeilt. So würde ich es beschreiben. "Na schön. Aber nur eine Runde." Gott das ist so ein scheiß Klischee. IWarumch fühle als befände ich mich in irgendeinem scheiß Film. Warum geht er denn darauf ein? Alle setzen sich auf den Boden. Lachend. Strahlend vor Freude. "Süße komm.", trällert der Anführer. Und tatsächlich tragen mich meine Füße zu ihnen hin. Ich lasse mich zwischen Kasi und Radieschen fallen und nehme einen großen Schluck von dem Sekt. Nur aus einer Hoffnung: Das alles so gut wie möglich zu vergessen. 

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