Kälte

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Der Wind pfeift um meine Ohren. Meine Haare sind ganz durcheinander. Genau so wie meine Gedanken. Wir stehen vor einem ziemlich großem Haus. Wir alle starren es an. Wir alle schweigen. Keine Waffe an meinem Rücken. Kein Stoff über meinem Kopf. Alles wirkt anders. Komisch. Ein Seufzen. "Mädel?" Ich seh herüber. Ein rot haariger Junge schaut mich an und nickt zum Haus rüber. "Du weißt was zu tun ist." Ich blicke wieder zum Haus. Nein. Nein das weiß ich nicht. Noch nie zuvor war ich in diesem Haus gewesen und habe es noch nie gesehen. "Hallo?" Ich atme aus und räusper mich. "Ich habe keine Ahnung was ihr von mir wollt." Drei von ihnen fangen an zu Grinsen und schauen sich lächelnd an. "Tu nicht so. Schließ uns dein scheiß Haus auf." Ich schlucke. Mein Haus? Das hier ist garantiert nicht mein Haus. Und auch nicht das von meinen Eltern. Es ist eine Art Villa, in einem dichten Buchenwald, mit einem unfassbar schönen Ausblick und Garten. Die Einfahrt ist mit wunderschönen Buchsbäumen verziert. Trotzdem sieht alles ein wenig steif und nicht sehr liebevoll aus. "Das ist nicht mein Haus." Meine Stimme hört sich ziemlich scheiße an. Heiser und wie ein fünf jähriges schüchternes Kind. Scheiße man! Ich darf nicht so unsicher rüberkommen. Schnell strecke ich meine Brust aus und atme tief ein. Alles wird gut, alles wird gut. "Willst du uns verarschen?" Der Rote, ich nenne ihn mal vorsichtig Radieschen, schaut mit zusammen gezogenen Augenbrauen mich an. Das Grinsen aus ihren Gesichtern ist verschwunden. Der Anführer taucht hinter ihm auf und geht auf mich zu. "Mach keinen Scheiß Mädchen. Lüg uns nicht an!" Er stoppt nur ein paar Millimeter vor meinem Gesicht. Ich halte den starren Blick. Nicht einknicken, nicht einknicken. Nach irgendetwas greift er. Mein Atem wird schwerer. Ich spüre etwas hartes an meinem Bauch. Die Waffe. Wieder einmal. "Hör auf Jonas." Ein warmer Atem an meinem Ohr. Die Waffe verlässt meine Magenhöhle, der Anführer entfernt sich langsam von meinem Gesicht. "Mädel, hör mir mal zu." Ich sehe in das Gesicht von dem Jungen. Nico. "Wir machen die Regeln. Wenn du dich währst, stirbst du. Wenn du versuchst zu fliehen, stirbst du. Wenn du Hilfe holst, stirbst du. Du machst das, was wir sagen. Kapiert?" Seine Augen blitzen und sein Kiefer spannt sich an. Jetzt muss ich doch meine Angst runterschlucken. Ich blicke kurz auf den Boden, dann wieder in seine Augen. "Du machst mir keine Angst.", flüstere ich leise. Warum ich das sage? Keine Ahnung. Es kommt einfach aus mir heraus. Er lächelt. Warum, zum Kack, lächelt er mich an? "Das solltest du aber.", antwortet er mir leise. Irgendetwas springt in meinem Magen auf. Vielleicht das Gewissen, das er es Ernst meint. Das ich wirklich das tun sollte, was er verlangt. Aus dem Impuls heraus, atme ich schwer aus und gehe zum Eingang des Hauses. Sie folgen mir. Scheiße. Wo könnte dieser Ersatz Schlüssel sein? Okay, ruhig einatmen. Irgendwie muss ich mir ja Hoffnungen machen. Jemand schnauft aus. "Geht's ein bisschen schneller?" Ich drehe mich um. Mit leicht zusammengekniffenen Augen mustere ich ihn. Ein Lauch mit kurzgeschorrenen Haaren. Mehr nicht. Unscheinbar. Unauffällig. Unsichtbar. "Nein." Ich dreh mich wieder zur Tür, während ich höre wie die anderen laut grunzen. Wo würde ich einen Ersatzschlüssel verstecken? Ich verfluche mich dafür, nie einen zweiten Schlüssel angefertigt zu haben. Vielleicht wüsste ich dann die Top Verstecke für Schlüssel. "Wie läuft's mit Amalia?" Ich schnaufe. Unter der Matte. Es gibt keine Matte. In einer Vase vielleicht. Ich schaue mich um. Nein, auch die gibt es nicht. Ich gehe einen kleinen Schritt zurück. Vielleicht gibt es ja auch gar keinen Zweitschlüssel. Ich meine, wie blöd muss man sein, um ein Schlüssel vor so einem großen Haus zu verstecken? "Joa sie lässt mich halt immer noch nicht ran. Sie meinte, dass nur fummeln erlaubt wäre." Lachen ertönt. "Was heißt Fummeln?" Ohh man Hilfe. Bitte, bitte lass mich diesen scheiß Schlüssel finden! Dann fällt mir ein roter Ziegelstein in der Hausmauer auf. Die Farbe des Steines ist ein kleines bisschen kräftiger, als die von den Anderen. Ich gehe langsam zu der Wand. "Küssen, Petting, naja und so anderes Zeug halt." Angestrengt versuche ich die Stimmen der anderen auszublenden und ruckel am Ziegelstein. "Sag mal was macht die da?" Ich ziehe meine Stirn kraus und ziehe so fest ich kann. Nach zwei weiteren Male löst er sich. Tatsächlich befindet sich in der Mauer ein silberner, schmaler Schlüssel. Ich stoße einen Freuden Schrei aus und umklammere den Schlüssel. Triumphierend drehe ich mich um und schaue lächelnd in die Gesichter meiner Entführer. "Dieses Mädel ist mir echt ein Rätsel." Die Anderen stimmen ihm verwirrt zu. "Wieso freut die sich denn so?", fragt der Dürre. Langsam vergeht mir das Lächeln. Ich widme mich wieder der Tür zu und stecke den Schlüssel hinein. Er passt. Ich presse meine Lippen aufeinander, um nicht noch einmal laut zu schreien. Als ich die Tür öffne stürmen alle hinein. Ein frischer, pflanziger Geruch tritt in meine Nase. Wir stehen in einem ziemlich großen Raum. Links von uns ist eine moderne Edelstahl Küche, inklusive eine Kochinsel und schwarzen glänzenden Fliesen. Ich sehe nach rechts. Ein weißes Ledersofa, davor ein Glastisch und ein großer, weißer Kamin. "Ist ne heftige Bude." Das Radiesichen lacht laut vor sich hin. Neben dem riesigen, weißen Tisch entdecke ich einen großen Pool, der nach draußen in den Garten führt. Es sieht wahnsinnig aus. Trotzdem würde ich hier niemals wohnen können. Allein diese Kälte. "Mädel." Ich sehe zu der ebenfalls weißen, ziemlich langen Treppe herüber. "Komm mit." Zögernd folge ich Nico. Nico. Warum sage ich seinen Namen? Ich kenne ihn noch nicht einmal. Wir gehen gemeinsam die Treppe hinauf in die zweite Etage. Dort sind drei verschiedene Räume. Wir schauen uns um. Er geht in den vorderen Raum und hält die Tür auf. "Na, komm." Zögernd gehe ich auf ihn zu. Er schließt die Tür und lehnt sich an die Wand an. Zusammen stehen wir in einem Schlafzimmer mit einem wunderschönen dunkelen Bockspringbett. Ich sehe zu ihm. Provokant beißt er sich auf seine Lippe. "Was wollt ihr von mir?", frage ich ihn. Eine Pause entsteht. Er mustert mich. "Du kannst dir etwas anderes anziehen. Irgendetwas wirst du schon finden." Er zeigt auf den Kleiderschrank. Dann fängt er wieder ganz leicht an zu lächeln und kommt auf mich zu. Mein Herz pocht aufgeregt. Er zieht eine Haarsträhne von mir durch seine Finger und spielt kurz damit. "Wir wollen dich.", haucht er mir leise in mein Ohr. Damit verlässt er den Raum. Ich lasse mich hilflos auf das Bett sinken. Tränen rollen mir die Wange herunter.

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