Capitolo 4

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Als ich am nächsten Morgen zur Schule ging, dachte ich über den letzten Tag nach.
Nach der Entdeckung, die Phil unfreiwillig machen musste, saßen wir noch länger zusammen.
Er hatte sich schnell gefasst und mich einfach in den Arm genommen.
Und ausnahmsweise war es genau das Richtige gewesen.

Daraufhin hat er mich ermutigt zu erzählen was passiert war, was ich dann auch tat. Naja-....die halbe Wahrheit. Ich hab ihm gesagt, dass mein Bruder und ich gestritten hätten und ich daraufhin abgehauen war. Dass ich wegen meines Asthma schon mehr als mir lieb war in irgendwelchen Kliniken hocken musste und absolut kein Bock mehr darauf habe.

Als der fragende Blick in seinen Augen nicht verschwand, atmete ich tief durch und erklärte ihm, dass es früher in meiner Familie Schwierigkeiten gab, ich aber nicht gerne daran erinnert werde.
Das hat er dann sofort akzeptiert und mich etwas später als ich wieder fit war nach Hause gefahren.
Seine Nummer, die hab ich auch bekommen.
,‚Bevor du wieder in der Kälte rumhüpfst, schreib mir lieber, ich will dich nicht im Einsatz erfroren vorfinden.", zwinkerte er mir zu, bevor er wendete und fuhr.

Meinen Eltern war es wie immer scheißegal, warum ich zu spät kam, ich interessierte sie nicht wirklich, solange ich ordentlich zur Schule ging und mich benahm. Ich sollte mich der Gesellschaft anpassen und dem Strom folgen.
Schule, Arbeit, Rente, Tod. Der vorgesehene Trott.

Für mich war das Wichtigste Zeit.

Was nützte es mir, 8 Stunden zu arbeiten und am nächsten Tag zu sterben, ohne das erreicht zu haben, was ich schon seit Jahren machen wollte? Das passiert jeden Tag und niemanden interessiert es, solange man nicht selbst betroffen ist. Dann stirbt plötzlich dein bester Freund bei einem Autounfall  und man wünscht sich, man hätte ihm noch sagen können, was er einem bedeutet und ihn ein letztes Mal umarmt.

Auch wenn ich das Zitat  >>Lebe jeden Tag als wäre es dein letzter<<  nicht unterstützte, so mochte ich die Aussage dahinter. Du weißt nicht wann, wo und wie, deshalb zögere nicht, eine Chance zu ergreifen, die du vielleicht nie mehr bekommst. Solange du anderen damit nicht schadest...was spricht dagegen?

Ein lautes Bellen riss mich aus meinen Gedanken und Erinnerungen zurück in die sinnlose Realität.
Als ich auf die Uhr blickte, musste ich leicht grinsen, denn mein Lehrer würde nicht so erfreut sein, dass ich wieder zu spät kam. Das kam in der Woche mittlerweile schon so zwei bis drei Mal vor und meine Klasse fand das Ganze übertrieben witzig.
Ich liebte es, so lange wie möglich zu schlafen, da ich abends echt spät einschlief. Wer hat sich das Ganze auch ausgedacht, Schüler morgens um acht in die Schule zu schicken? Ich zumindest war jemand, der abends viel besser leisten konnte, aber für solche Leute gibt es nunmal kaum Variationen im Schulsystem.
8.07 Uhr, ich sollte mich echt beeilen.

Vollkommen außer Atem quälte ich mich die letzten Treppenstufen hoch und kramte erstmal mein Spray aus meinem Schulrucksack. Nach zwei Sprühstoßen bekam ich dann wieder gut genug Luft, um mich über das beschissene Stockwerk aufzuregen.

Schließlich klopfte ich leise an unserer Klassentür und trat ein, mittlerweile war es mir nicht mehr unangenehm angestarrt zu werden, da meine Mitschüler ohne Ausnahme alle super korrekt war.

„Sorry, dass ich zu spät bin.", grinste ich meinen Lehrer frech an. Augenverdrehend schaute er mich an. Das war fast schon ein Spiel zwischen uns. „Das ist das dritte Mal diese Woche. Verschlafen, Bus verpasst, was ist heute deine Ausrede?"

„Ich musste kurz die Welt retten."

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Das hat jetzt doch etwas länger gedauert als erwartet. Ich war krank und bin es immer noch ein bisschen, aber es wird endlich besser.
Werde dieses Jahr mit dem neuen Medikament alles mitnehmen, was in 5 Meter Entfernung an mir vorbeifliegt, habe da nach mehreren Immunsupressiva und Biologicals mittlerweile ein recht gutes Gefühl für.🙄🙅🏻‍♀️

UND MORGEN FRÜH BIN ICH TOT.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt