- eins -

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Es war kalt. Mein schneller Atem durchschnitt die dünne Luft und hinterließ dabei kleine Wölkchen. Ich lag zusammengekauert in einer Ecke, unfähig einen Laut von mir zugeben. Eigentlich hätten mir tausende Gedanken durch den Kopf schießen müssen "Wieso hat er mich nicht einfach getötet?" "Warum oder besser wovor ist er weggerannt?", doch der Schmerz ließ das Denken nicht zu. Und auch hinterher, nach meiner Verwandlung hatte ich mir nie richtig Gedanken darüber gemacht. Meine Finger krallten sich in die Rillen zwischen den rauen Steinen der Mauer. Ich lag gefühlte Stunden so dort während das unsichtbare Feuer durch jede Zelle meines Körpers kroch. Ich wusste, dass ich ein Vampir werden würde. Warum? Ich kann es nicht beantworten, es war nur so eine Ahnung, ein Gefühl. Die Flammen ließen langsam nach, die Wärme meines menschlichen Körpers war schon vollkommen verschwunden, doch trotzdem waren die Schmerzen noch unerträglich. Und plötzlich spürte ich, wie meine Hand in die Mauer sank - nein sie verschmolz regelrecht mit ihr. Es war ein komisches Gefühl, wie als ob ich mit der Mauer verbunden wäre. Mit letzter Kraft, die mein Körper noch besaß, lehnte ich mich gegen das Gestein. Und es funktionierte! Kaum zu glauben, mein gesamter Körper verschmolz mit der Mauer. Es war als ob ich ein Teil von ihr wäre. Ich konzentrierte mich auf den Körper der Mauer und die Schmerzen meines wirklichen Körpers rückten in den Hintergrund. Zudem war es angenehm kühl und still. Gedankenlos blieb ich in der Mauer. Hier und da, wenn etwas Wind aufkam, spürte ich eine Blümchen an mir bzw dem Gestein entlangstreifen. Nach einigen Stunden oder waren es sogar Tage? wagte ich es, mich wieder auf meinen echten Körper zu konzentrieren. Der Schmerz hatte nachgelassen. Ich fühlte mich irgendwie gestärkt, nicht mehr so zerbrechlich. Es kostete mich etwas Zeit, bis ich mich von dem Gestein der Mauer wieder vollständig gelöst hatte, doch letztendlich stand ich in meinem neuen Körper wieder auf dem rauen Pflaster vor ihr. Meine Sinne waren aufeinmal anders, besser. Ich sah mit nur einem Augenaufschlag jedes Detail von der kleinen Gasse vor mir, die feinen Risse in dem Holz des kleinen Häuschen neben mir, die Wassertröpfchen an der silbernen Gießkanne des Fensterbretts. Jede kleinste Veränderung nahm ich war. Ich hörte sogar den Flügelschlag des Vogels, der gerade weit über mir flog. Und ich hatte Recht, ich wusste was aus mir geworden ist - ein Vampir

Blutiges VerlangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt