- drei -

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Schwankend stand ich wieder auf. Mein Durst war so groß gewesen, dass ich noch einen Bauern und seinen Sohn getötet hatte, die in einem heruntergekommenen Haus in der Gasse wohnten, na ja gewohnt hatten. Das Blut tropfte mir vom Kinn. Achtlos wischte ich es mir mit dem Handrücken weg und starrte auf die blassen, leblosen Körper der Leichen. Sie sahen gar nicht mal so schrecklich aus wie ich erwartet hatte. Kein Blut floss mehr aus ihren Bisswunden. Bis auf die schaurige Blässe hätte man denken können, sie schliefen gerade. Ich schlich mich lautlos in das Haus und lauschte. Ob noch jemand da war? Nein, meine neuen Superohren vernahmen kein Geräusch, zumindest nicht in nächster Nähe. Ich schaute mich etwas um und entdeckte im Schlafzimmer ein Gemälde eines jungen Mädchens. Es sah täuschend echt aus. Ihre Miene war nachdenklich verzogen, doch trotzdem bildeten sich keine Falten in der hellen Haut. Eine Strähne ihrer rötlichen Haare fiel ihr ins Gesicht. Sie schimmerten im Morgenlicht und fielen ihr seidig über die Schultern. Auf ihren fein geschwungenen Lippen lag ein leichtes Lächeln. Irgendwoher kannte ich das Mädchen. Ihr Blick aus den tiefroten Augen faszinierte mich. Sie hatte etwas geheimnisvolles an sich und... Moment mal tiefrot? Ich blinzelte perplex und das Mädchen sah mich überrascht an. Das war garkein Gemälde, das Mädchen war mein Spiegelbild! Mein ganzes Leben hatte ich mich noch nie in einem richtigen Spiegel angeschaut außer in der silbernen Schüssel von Nicholas. Manchmal polierte ich sie, da sie für ihn nur eine Art Statussymbol war. Nicholas war mein Verlobter, er hatte nicht sonderlich viel Geld, aber dennoch mehr als meine Eltern, sodass sie mich an ihn für ein paar Münzen verheirateten. Für sie kam es gerade recht, da zur Zeit das Essen immer knapper wurde und sie mich nicht mehr ernähren konnten. Dazu kam noch, dass sie keine Mitgift bezahlen mussten, sie freuten sich regelrecht über den guten Preis ihrer lästigen Tochter. Eigentlich hatte mich die Verlobung nicht sonderlich gestört. Nicholas war ganz okay, bis auf dass er sehr arrogant war. Außerdem waren alle Mädchen schon verheiratet, mit meinen 15 Jahren war ich ziemlich spät dran. Direkt nach den Verhandlungen mit meinem Vater zog ich bei Nicholas ein. Unsere Verwandten planten die anstehende Hochzeit, wobei die bei unseren Verhältnissen nichts besonderes war. Doch mit der Zeit bemerkte ich, dass Nicholas noch eine andere Seite hatte. Meinen Eltern und Geschäftspartnern war er gegenüber trotz seines Hochmuts höflich und nett, doch mich behandelte er immer schlechter. Am Ende hatte ich ihn nur noch gehasst, sodass meine Verwandlung mich im Nachhinein vor ihn gerettet hatte. Je mehr ich darüber nach dachte, desto glücklicher war ich, ein Vampir zu sein. Ich war schnell, stark und brauchte nicht viel zum Leben. Keiner konnte mir mehr etwas anhaben. Und auch das Töten gefiel mir. Es machte mir irgendwie sogar Spaß die Angst in den Augen meiner wehrlosen Opfer flammen zu sehen. In diesem Moment realisierte ich: Meine Tage als zerbrechlicher Mensch waren vorbei!

Blutiges VerlangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt