Rundgang

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Wie angekündigt misst Klaus noch einmal meinen Blutzucker, beim ersten Mal habe ich ja nichts davon mitbekommen. Durch die Glucose-Infusion ist mein Blutzuckerspiegel jetzt auch wieder im Normalbereich und auch meine Kopfschmerzen und die Übelkeit sind verschwunden. Das sage ich auch Klaus nochmal und nachdem ich ihm wieder versichert habe, dass jetzt wirklich alles gut ist, darf ich auch aufstehen. Klaus blickt nochmals prüfend zu mir und ich sage: „Der Schwindel ist weg, versprochen". „Dann möchte ich das dir auch glauben" meint Klaus. Schmunzelnd fährt er fort: „Das Arztzimmer hast du ja schon kennengelernt, dann können wir jetzt mit dem Rundgang weitermachen".

Ich werde rot und meine ziemlich verlegen, „du willst mich wirklich noch im Team haben?" „Klar, ich meine das war zwar wirklich unvernünftig von dir", sagt Klaus in Kombination mit einem prüfenden Blick und ich werde noch röter, „aber das passiert bei euch jungen Mädels doch mal häufiger und wenn du mir versprichst in Zukunft auf dich zu achten, sehe ich keinen Grund, warum ich dich nicht im Team haben sollte". Dankbar kann ich mir ein Seufzen nicht verkneifen, was a abermals einen belustigten Blick von Klaus auslöst.

„Na dann auf gehts. Ich zeige dir jetzt den Rest der Wache", sagt Klaus und ich folge ihm aus dem Zimmer. Neben Klaus Büro und dem Arztzimmer befinden sich neben einem Ruheraum mit Schlafmöglichkeiten, einem Materiallager, einer Küche und einer Art Gemeinschaftsbüro, wo auch die Einsatzberichte verfasst und abgelegt werden, natürlich auch Toiletten und Umkleiden in dem Gebäude.Eine Tür führt direkt in die große Garage mit den NEFs und RTWs. Allgemein war die Wache um einiges größer und moderne als meine in München.

Zuletzt führte mich Klaus noch in den großen Aufenthaltsraum, der auch im Hauptgebäude seinen Platz findet. Wie in jeder anderen Wache auch, warten hier die Notärzte und Sanis bis sie einen Einsatz bekommen. Als Klaus die Tür öffnete sah ich unter den neugierigen Gesichtern auch zwei Bekannte. Oli und Marion. Ich hoffe Sie hatten die Geschichte nicht weiter erzählt, denn das wäre natürlich ein super Einstieg. *Ironie aus*
„Also Leute hört mal kurz zu", sprach Klaus alle im Raum anwesenden Personen an, „das neben mir ist Lotte, die hoffentlich bald hier als Notfallsanitäterin arbeiten wird".

Dieses Mal sah ich Klaus belustigt an, so wie er das ausdrückte, war es für ihn wohl schon beschlossene Sache, dass ich hier anfange. „Ähm ja... Also ich bin Charlotte Leonard, aber bitte nennt mit Lotte, und wohne im Moment noch in München und mache dort noch meine Ausbildung zu Ende", sagte ich in die Runde. Anscheinend hatte sich mein Kollabieren nicht herumgesprochen, hoffe ich zumindest. Ein wenig hilflos sah ich in die Runde. Oli stand vom Sofa auf und ging auf mich zu. „Also Marion und mich kennst du ja schon", sagte er schon wieder schmunzelnd, „ich glaube es würde auch gar nicht so viel bringen dir jetzt alle vorzustellen und wenn wir zusammenarbeiten, lernt man sich ja sowieso besser kennen".

Zustimmendes Gemurmel kam von allen Anwesenden und da war ich echt froh drüber. Im Namen merken bin ich nämlich alles andere als gut. Einziges Problem ist, dass jetzt natürlich irgendjemand die Frage in den Raum stellte, warum ich Oli und Marion schon kenne. Dieser jemand, der sich später als Franco Fabiano herausstellte und zu besagtem Zeitpunkt auf einem Einsatz war, wurde kurzerhand von einer eigentlich sehr nett aussehenden Dame, die sich als Debbie Fischer vorstelle, beantwortet: „Das Küken dort drüben hat es geschafft das Essen zu vergessen und ist in Klaus Büro kollabiert". Also hatten es wohl doch alle auf der Wache Anwesenden mitbekommen. Dank Debbie Fischer waren auch alle, die es noch nicht wussten aufgeklärt und ich wünschte mir abermals, dass sich ein Loch im Boden auftun würde.

Jetzt mischte sich auch noch Klaus mit den Worten: „Dann können ja jetzt alle ein Auge drauf haben, dass so etwas nicht noch einmal passiert" ein. Jetzt war ich nicht nur schon das Küken, sondern auch noch ein Pflegefall. All die Jahre bin ich super alleine zurecht gekommen, warum meinen irgendwie alle auf einmal sich um mich kümmern zu müssen? Habe ich „Ich bin vernachlässigt und brauche Hilfe" auf der Stirn stehen?

Ich habe mich dann irgendwie doch noch ganz nett mit ein paar Leuten unterhalten, bis Klaus mich irgendwann wieder mit in sein Büro genommen hat.
„Und hast du dich schon entschieden?", fragt Klaus mich, nachdem ich ihm wieder am Schreibtisch gegenüber sitze.
„Auch wenn ich wirklich kein Pflegefall bin", fange ich an, was Klaus wieder mal zum Schmunzeln bringt, „fühle ich mich hier doch wohl und würde mich freuen, wenn ich hier anfangen kann!" „Dann ist das ja beschlossene Sache", sagt Klaus und reicht mir einen Vertrag, „Den habe ich schon vorbereitet. Du kannst ihn einfach mitnehmen und mir spätestens nächste Woche unterschrieben zurück schicken. Die Gehaltsstufe und auch Arbeitszeiten bzw. Schichten sind im Vertrag festgelegt und branchenüblich. Wenn dich etwas stört, dann ruf mich doch einfach an und dann schauen wir, ob der Vertrag dahingehend geändert werden kann." „Das hört sich gut an", antworte ich und frage: „Wann soll ich dann anfangen? Meine Ausbildung endet am 20. diesen Monats, dann könnte ich zum 1. anfangen. Vorausgesetzt ich finde eine Wohnung, aber da habe ich morgen noch Besichtigungstermine".

„Der Vertrag fängt auch ab dem 1. an. Lies ihn dir in Ruhe noch einmal durch, aber ich würde mich wirklich freuen, wenn wir dich dann in einem Monat hier begrüßen dürften", sagt Klaus.
Nach ein bisschen Smalltalk wünscht er mir viel Glück für die Besichtigungen und nimmt mir das Versprechen ab vorbeizukommen oder mich telefonisch zu melden, wenn es mir schlechter gehen sollte. Genau das Gleiche darf ich mir auch noch einmal im Aufenthaltsraum anhören, wo ich auch kurz Tschüss sage, bevor ich zurück ins Hotel gehe.
Das kann ja was werden, alle so übervorsorglich und ich als Küken...

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