Erste Fahrt im RTW

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Zum zweiten Mal an diesem Tag wache ich stöhnend auf. Jemand kniet über mir und scheint irgendwas zu sagen. Die Mundbewegungen kann ich gerade noch so erkennen, was gesagt wird allerdings nicht. Ich merke, wie langsam wieder Leben in mich kommt und ich meine Umgebung wahrnehmen kann. Ich liege auf dem Gehweg und über mir kniet Oli. Ich blinzele ein paar Mal und sehe ihn dann fragend an. „Na wieder da? Das letzte Mal warst du länger weg", meint er schmunzelnd. Damit hat sich die Frage, ob er sich an mich erinnern kann wohl auch beantwortet.

Tatsächlich muss ich sagen, dass es mir erstaunlich gut geht, obwohl ich gerade erst wieder aufgewacht bin. Genau das sage ich ihm auch, als er sich nach meinem Befinden erkundigt. „Kopfschmerzen habe ich aber noch", meine ich ehrlich. „Das ist kein Wunder", sagt Oli, „du hast eine Platzwunde am Hinterkopf und wahrscheinlich ein leichtes SHT. Ein zweiter RTW für dich sollte gleich eintreffen." „Muss das wirklich sein?", frage ich. „Mir geht es schon wieder viel besser und dafür muss doch jetzt nicht ein Einsatzmittel geblockt werden. Ich kann doch bei Clara oder so mitfahren." „Du bist im Moment der Einsatz Lotte und daher darfst du dich auch geehrt fühlen, dass ein RTW für dich bestellt ist! Außerdem solltest du wissen, dass sich der Zustand eines Patienten mit SHT sehr schnell ändern kann", sagt Oli mit Nachdruck in seiner Stimme. „Hm...", grummele ich unzufrieden. Ich hasse es, wenn ich im Mittelpunkt stehe und um mich herum so ein Terz gemacht wird.

„Brauchst du Schmerzmittel?", fragt Oli mich, nachdem er nochmal einen ausführlicheren Bodycheck durchgeführt hat und geschaut, ob meine Augen isokor sind. „Ne passt schon", meine ich. Oli schaut ein wenig skeptisch belässt es aber dabei. Mein Kopf dröhnt zwar, aber wenn ich dafür Schmerzmittel bekomme, ist das ziemlich sicher mein Ticket für eine Nacht im Krankenhaus und darauf habe ich mal so gar keine Lust.

Mit Olis und Bens Hilfe, ist es mir freundlicherweise gestattet mich aufzusetzen und ans Auto zu lehnen. Oli ist nochmal zu meiner Schwester gegangen und so sitze ich jetzt neben Ben und warte darauf, dass mein RTW ankommt. Um die Kopfschmerzen besser auszuhalten schließe ich meine Augen, aber das gefällt Ben leider nicht. Und so höre ich keine Sekunde nachdem ich meine Augen geschlossen habe seine Stimme: „Hey Lotte, Augen auflassen. Du weißt doch, wie das Spiel läuft." Unzufrieden grummele ich in seine Richtung, öffne die Augen aber bevor er härtere Geschütze auffährt. So ein Schmerzreiz trägt seinen Namen nämlich nicht zu unrecht.

Nachdem dann mein RTW eingetroffen ist, kann ich die - mir und anscheinend auch Oli und Ben unbekannten - Kollegen davon überzeugen selbst aufzustehen und zum RTW zu laufen. Sobald ich stehe, merke ich allerdings den Schwindel wieder, der meint mit voller Wucht reinhauen zu müssen. Gerade so kann ich mich am Auto abstützen, am liebsten hätte ich mich wieder hingesetzt. Da die Mission „Kollegen davon überzeugen, dass alles gut ist" allerdings noch läuft, versuche ich mir nichts anmerken zu lassen und den Weg zum RTW auf meinen eigenen Beinen zu wagen.

Dummerweise hat Ben mich nicht aus den Augen gelassen, sodass ich mir einen fragenden Blick einfange. Ich winke nur ab und möchte gerade einen ersten Schritt machen, als meine Sicht verschwimmt und sich wieder alles zu drehen beginnt. Ich lasse mich wieder gegen das Auto fallen. „So Lotte jetzt reicht es aber", meinen Ben und Oli im Chor. Wenn mir nicht so schwindelig wäre, würde ich wahrscheinlich anfangen zu lachen. „Ne ne passt schon", sage ich. „Mir gehts gut!" Und ich versuche nochmal auf eigene Faust loszulaufen. Doch nach einem Schritt, den ich irgendwie schaffe, kann ich nicht mehr. Es fühlt sich an als würde ein Karussell in meinem Kopf fahren und stöhnend falle ich schon wieder um.

Zum Glück hat Ben mich geistesgegenwärtig aufgefangen. Ben legt mich wieder auf den Boden und Oli beugt sich zu mir herab. Ich bin zwar nicht wieder bewusstlos, aber der Schwindel ist obwohl ich liege nicht besser. „Mensch Lotte, sag doch wenn es nicht geht", meint Oli, aber ich kann seine Worte nicht verstehen. Mein Kopf dreht sich viel zu sehr, als dass ich mich auf irgendwas konzentrieren könnte. Die Augen immer noch fest zusammengekniffen, merke ich wie mir ein Zugang gelegt wird. Ich schrecke auf und öffne meine Augen, was allerdings keine gute Idee war, da alles sich jetzt noch mehr dreht. Also schließe ich sie schnell wieder und murmele irgendwas von „schwindelig". Auch wenn ich sehr leise gesprochen habe, hat Oli mich wohl verstanden, denn kurze Zeit später wird mein Schwindelgefühl endlich weniger. Dafür war der Zugang anscheinend da.

Als ich mich wieder besser fühle und die Augen öffne liege ich im RTW. So benebelt wie ich war, habe ich gar nicht mitbekommen, wie sie mich hier rein verfrachtet haben. Mit den Meds geht es mir jetzt deutlich besser, doch meine Hoffnung keine Nacht im Krankenhaus zu übernachten, ist mittlerweile stark gesunken. Ben ist auch nicht mehr im RTW und einer der mir Unbekannten Kollegen steigt gerade ein und schließt die Tür, was mich logisch kombinieren lässt, dass wir gleich abfahren.

So habe ich mir meine erste Fahrt im RTW in Köln definitiv nicht vorgestellt!

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 09, 2019 ⏰

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