Schock

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Mittlerweile ist es schon fast 13 Uhr und Rosi und ich sitze immer noch zusammen und kommen aus dem Quatschen nicht heraus. Obwohl ich sie ja eigentlich gar nicht kenne und sie bestimmt 50 Jahre älter ist, fühlt es sich an, als würde sie eine Art Beste Freundin für mich werden. Gerade erzählt sie mir von dem plötzlichen Tod ihres Mannes vor einem Jahr, „Ich war total hilflos und ohne meine Schwester hätte ich sicher den Halt verloren", als ich merke, dass etwas nicht stimmt. „Geht es dir gut?", frage ich und sehe sie besorgt an. „Ich weiß nicht", antwortet sie. Als sie sich dann an die Brust greift und erschrocken aufstöhnt und ich ihr blasses Gesicht bemerke, schalte ich ganz in meinen Sani-Modus.

„Bleib bitte sitzen und versuche tief durchzuatmen", weise ich sie an und versuche sie nicht zu verunsichern, „Das kann etwas ganz harmloses sein, aber ich werde jetzt vorsichtshalber den Rettungsdienst anrufen Rosi". Rosi tut mir echt Leid. Auf einen Schlag sieht sie 10 Jahre älter aus und in ihrem kaltschweißigen, blassen Gesicht kann ich Panik erkennen. Wahrscheinlich vermutet sie das selbe, wie ich. Sie umfasst mein Handgelenk und sagt: „Mein Mann ist an einem Herzinfarkt gestorben, ich möchte noch nicht sterben". Das erklärt Rosis Panik und so gerne ich sie nun beruhigen würde, muss ich dringend einen RTW und NEF anfordern, was ich nun versuche ihr zu erklären, während ich schon den Notruf in mein Handy eingetippt habe. „Guten Tag ich befinde mich hier in der Beetmannstraße 13 in Köln. Ich habe hier eine ältere Dame mit akutem Verdacht auf HI. Benötige dringend einen RTW und NEF. Ich bin selber Notfallsanitäterin, kann aber auch nicht mehr als erste Hilfe leisten", ich möchte zwar Rosi nicht zu sehr verunsichern, muss aber trotzdem Klartext reden. „Alles klar", tönt die Antwort aus dem Hörer, „die Rettungskräfte sollten in spätestens 5 Minuten eintreffen. Bitte weisen Sie sie ein". „Werde ich machen, vielen Dank!", antworte ich und lege auf.

„Hör mir jetzt bitte zu Rosi", sage ich zu ihr, die immer noch mein Handgelenk umklammert, „ es gibt keinen Grund Panik zu haben. Gleich wird dir geholfen, aber ich muss jetzt kurz vor die Tür, damit die Rettungskräfte wissen, wo sie hinmüssen". Schließlich weiß ich aus eigener Erfahrung, wie nervig es ist nicht eingewiesen zu werden. „Ich bin gleich wieder bei dir, das verspreche ich!", versuche ich sie weiter zu beruhigen. „Ok, aber bitte beeil dich", sagt Rosi. Vor einer halben Stunde sah sie noch so lebensfroh aus und nun könnte man meinen, dass mit einem Schlag alle Energie aus ihrem Körper gewichen ist. Langsam höre ich schon die lauter werdenden Sirenen, sodass ich Rosi nochmals verspreche gleich wieder da zu sein und dann vor die Tür haste. Gerade rechtzeitig, um zu sehen wer aus dem NEF aussteigt.

„Oli?" „Lotte?", kommt es gleichzeitig aus unseren Mündern. „Wohnungsbesichtigung", sage ich schnell, „die Vermieterin ist ca 75 Jahre alt und Verdacht auf HI, zudem leicht panisch, da ihr Mann letztes Jahr an einem Herzinfarkt verstorben ist", kläre ich Oli schnell auf. Auch Marion ist mit dabei und aus dem RTW sehe ich, soweit ich die Namen zusammen bekomme, Yannik Brandner und Benjamin Hoffer aussteigen. Ich kann ihnen die Fragezeichen im Gesicht ablesen, was ich hier mache, aber für eine Erklärung habe ich jetzt keine Zeit. Oli weißt die Sanis an zusätzlich das mobile EKG mitzunehmen und dann führe ich sie zu Rosi. Die beruhigt sich jetzt deutlich, als sie sieht, dass sich um sie gekümmert wird. Alleine zu wissen, dass jetzt jemand da ist, hilft Patienten oft schon ungemein.

„Wo bringt ihr sie hin?", frage ich Oli, da ich mir ziemlich sicher bin, dass Rosi mindestens eine Nacht im Krankenhaus verbringen wird. „Klinik am Südring", antwortet er mir, bevor er Yannik, Marion und Benjamin weiter Anweisungen gibt. „Rosi", spreche ich sie nun an, „ich werde dir eine Tasche mit Kleidung und so weiter zusammenpacken und ins Krankenhaus bringen, ist das ok für dich?", frage ich sie. „Das wäre wirklich lieb Kindchen", antwortet sie mir, „aber du musst doch deinen Zug zurück bekommen". „Ach, den werde ich schon nicht verpassen", sage ich, das hier geht erst mal vor.

Während das Rettungsteam Rosi transportfertig macht, suche ich schon Klamotten und ihre Handtasche zusammen, sodass ich sogar fertig bin, bevor sie abgefahren sind. „Du kannst gerne mitfahren", sagt Oli. Und darüber bin ich sehr dankbar. Dann kann ich mich zumindest nicht verlaufen.

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