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Ein bißchen Eifersucht ist das Salz in der Suppe. Aber man kann bekanntlich eine Suppe auch versalzen
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„Thymian", murmelt Xavier konzentriert. „Thymian", wiederhole ich und reiche ihm das Gewürz. „Pfeffer", bittet er, nachdem er den Thymian wieder zur Seite stellt. „Pfeffer" Dieses Mal halte ich ihm den Pfefferstreuer hin.Die Küche wird bereits von dem köstlichen Geruch der Suppe erfüllt und das Geräusch des kochenden Wassers hallt im Raum. Xavier ist ein begabter Koch, wohingegen ich eher einen Brand verursachen würde.
„Wo hast du eigentlich so gut Kochen gelernt?", wundere ich mich, nachdem ich einen Löffel probiere und blicke ihm fragend in die saftgrünen Augen. „Justus und ich kochen oft zusammen", erklärt er kichernd und probiert ebenfalls.
„Justus? Der Junge im Rollstuhl?", hinterfrage ich irritiert und beobachte ihn beim Wühlen in dem Gewürzschrank. „Genau der", bestätigt er und rauft sich verzweifelt die sowieso schon zotteligen Haare.
„Suchst du etwas bestimmtes?", werfe ich ein und richte seine Haare wieder. Vergeblich, diese Strähnen sind nicht zu bändigen. „Ich kann das Salz nicht finden", schmollt er. Belustigt laufe ich zum Esstisch und hole den Salzstreuer.
„Wie lange kennst du Justus schon?", frage ich weiter, während ich etwas Salz in die Suppe schütte. Erneut probiert er, ehe er zufrieden nickt. „Seit ein paar Jahren, aber wir machen nicht wirklich viel zusammen"
Skeptisch ziehe ich die Augenbrauen zusammen und decke den Tisch. Ich habe niemals mitbekommen, dass er Zeit mit diesem Jungen verbringt. Warum hat er es mir nie erzählt? Doch ebenso habe ich ihm niemals erzählt, dass ich verliebt bin...
„Und ihr... kocht zusammen? Wie kam es dazu?" Nachdem er zwei Teller auf den Tisch stellt, setzt er sich zu mir und nimmt einen Schluck von seinem Apfeltee. Dieser Junge konnte sich nur von Apfeltee ernähren.
„Nun, an dem Tag, an dem wir uns kennen gelernt haben, hat es geregnet und ich bin mal wieder nur in T-Shirt durch die Straßen gelaufen. Weil ich nicht nass werden wollte, blieb ich in der Schule und er hat mir etwas von seinem Essen abgegeben", kichert er.
Stumm nicke ich und beende damit das - für mich unangenehme - Gespräch. Es muss an einem Tag gewesen sein, an dem Xavier wegen der Schach-AG länger in der Schule blieb, denn Basketball spielen wir zusammen.
„Schmeckt dir das Essen denn gar nicht?", wirft Xavier ein und blickt traurig auf meine unberührte Mahlzeit. „Doch, natürlich. Tut mir leid, ich war nur in Gedanken versunken", murmle ich und nehme einen großen Löffel.
Sobald sich der salzige Geschmack auf meiner Zunge ausbreitet, beginne ich wie wild zu husten. Besorgt blickt Xavier zu mir auf und beginnt hektisch auf meinen Rücken zu klopfen. „Hast du dich verschluckt?"
Leicht schüttle ich den Kopf und spüle die Salzlösung mit Wasser hinunter. „Habe ich tatsächlich so viel Salz reingetan?" Verwirrt zieht er eine Augenbraue hoch. „Nein, es ist die perfekte Menge"
Zögernd probiere ich noch einen Löffel und muss überrascht feststellen, dass sich die Salzlösung tatsächlich in Suppe verwandelt hat. „Ist dir das wirklich zu salzig?" Xavier legt fragend den Kopf schief und mustert mich.
„Nein, es ist perfekt"
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Oneirataxia [BoyXboy]
Short StoryONEIRATAXIA (n.) the inability to distinguish between fantasy and reality ______________________ Zachary hat es nicht leicht. Im Alltag wird er des öfteren von Kobolden verfolgt, von Einhörner gejagt oder von Hexen verflucht. Trotz seiner depremier...