In meiner Mittagspause entschied ich nicht meine Sekretärin zum Italiener zu schicken sondern selbst zu gehen. Ich hoffte, dass ich dem Obdachlosen vielleicht selbst nocheinmal begegnen könnte. Meine Sekretärin war darüber sehr verwundert und ermahnte mich rechzeitig wieder zurück zu sein. "Ich mach mir echt Sorgen immerhin hast du gestern keinen einzigen Entwurf gemacht." sagte sie und sah mich dabei fragend an. Ich beschwichtigte sie und machte mich wie gestern auf den Weg. Der Himmel war wolkenverhangen und es sah so aus als würde es jeden Moment losschütten. Die Luft war sehr feucht und es war nicht besonders warm.
Auf der Haupstraße waren viele Menschen. Hauptsächlich Banker die alle auf dem Weg in ein Cafe oder eine Kantine waren. Als ich an dem Starbucksgeschäft vorbei kam hielt ich nach Lucas ausschau aber ich sah ihn nicht.
Zehn Minuten später trat ich in mein Lieblingsrestaurant ein. Der Obdachlose stand nicht da. Giacomo, der Besitzer und auch Koch des Restaurants stand hinter der Bar und nickte mir freundlich zu. "Ciao! Wie geht es dir?" fragte er mich mit seinem italienischen Akzent. "Ganz gut soweit" antwortete ich ihm. "Ich möchte dich Etwas fragen und das hört sich vielleicht komisch an, aber es interresiert mich einfach." "Natürlich frag einfach, wenn es nicht um meine Geheimzutaten geht." Er zwinkerte mir zu. Ich wusste nicht so recht wie ich fragen sollte immerhin hört es sich doch komisch an nach einem Mann zu fragen, den man einmal auf der Straße gesehen hat. Ich hielt es für besser mir eine Ausrede einfallen zu lassen um es nicht so merkwürdig erscheinen zu lassen. "Also als ich gestern hier war ist mir ein Obdachloser aufgefallen, der auf der kleinen Straße stand, die zur Hauptstraße führt. Erst zuhause ist mir aufgefallen, wie ähnlich er meinem verschwundenen Onkel sieht. Kennst du diesen Mann vielleicht oder hast du ihn schonmal gesehen?" "Familie, ich verstehe. Wenn jemand aus meiner Familie weg wäre und ich ihn sehen würde würde ich auch das gleiche machen." Er nickt mir ermutigend zu und fährt dann fort: "Ich habe ihn gestern auch gesehen aber ich glaube, dass er hier zum ersten Mal stand. Pass auf: Ich verstehe wie wichtig dir das ganze ist, deswegen gibst du mir am Besten deine Nummer und ich ruf dich an wenn er wieder hier steht, okay?" "In Ordnung." sagte ich ein bisschen enttäuscht. Wäre ja auch zu leicht gewesen. "Giacomo, gib mir doch bitte noch eine Pizza Magerita mit." sagte ich zu ihm und er rief daraufhin meine Bestellung in die Küche.
"Wie läuft das Geschäft?" fragte ich ihn um etwas Zeit zu vertreiben. "Könnte besser sein. Aber das könnte es doch immer, oder?" lachte er. "Es wirft genug ab um meine Familie in Italia zu besuchen." sagt er und wirkt dabei sehr glücklich."Dann muss ich mir wohl in der Zeit einen neuen Lieblingsitaliener suchen." scherze ich. "Machen wir einen Deal: Du kommst zu meinem 'Abschiedsessen' und ich lade dich ein, aber dafür bleibst du mir treu." "Abgemacht" sage ich und lächle ihm zu. "Gut ich rufe dich dann deswegen noch an und hier kommt auch schon deine Pizza" sagt er nachdem der Koch irgendwas auf italienisch gerufen hat. Er verschwindet in die Küche und kommt mit einem Pizzakarton wieder heraus. Ich bedanke mich und er verabschiedet mich herzlich.
Nach dem netten Gespräch mit Giacomo lief ich mit dem Pizzakarton in der Hand zurück in mein Büro. Ich glaube nicht, dass der Obdachlose sich noch einmal vor das Restaurant stellen wird, aber man weiß ja nie. Wenn dann wird mir Giacomo auf jeden Fall Bescheid geben.
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Vermessen.
NouvellesEine Geschichte aus dem täglichen Leben, oder nicht? Was passiert wenn ein Ereignis einen total aus der Bahn wirft? Kann sich dadurch alles langsam verändern?