Morpheus Traum

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An dem Tag wollte sie plötzlich unbedingt zum Strand, obwohl wir keine Badesachen dabei hatten.
„Egal, ich will einfach nur den Sand zwischen den Zehen spüren und die Füße ins Wasser halten!", entgegnete sie damals fröhlich grinsend.
Sie liebt das Meer.
Danach packte sie mich bei der Hand und zog mich hinter ihr her.
Sie führte mich die Anhöhe hinauf durch einen kleinen Wald aus Pinien. Steine und kleine Äste knirschten unter unseren Sandalen und langsam stieg mir der Geruch von Meer in die Nase. Einige kleine Sonnenstrahlen durchbrachen das dichte Geäst der Bäume und entfernt war das Krächzen von Möwen und das Rauschen der Wellen zu hören. Sie umschloss meine Hand fest mit der ihren, drehte sich beim gehen immer wieder lächelnd zu mir um.
Wie sehr ich sie doch liebe.
Dann lichtete sich das kleine Wäldchen und gab den Blick auf das Meer frei. Ich hörte nur noch ein verzücktes Kichern ehe sie meine Hand los- und die Sandalen zurückließ und auf das Meer zulief. Bis zu den Knöcheln stand sie im salzigen Wasser.

Ihr Lächeln.
Es zog sich über beide Ohren und strahlte viel heller als die Sonne an diesem heißen Nachmittag auf Euböa.
Das strohblonde Haar, welches ihr bis zur Brust reichte und sich deutlich von ihrer durch die Sonne gebräunten Haut abhob, hielt sie mit der einen Hand aus dem Gesicht und ihre linke hielt den Strohhut, den wir am Tag zuvor in einer kleinen Küstenstadt gekauft haben, fest auf ihrem Kopf. Ihr fliederfarbenes Trägerkleid bauschte sich im Wind und gab den Blick auf die kleine Verletzung am Bein, die sie sich bei einem Sturz vor drei Tagen bei unserer Wanderung in Dirfys zugezogen hatte, frei.
Verträumt blickte sie mich aus ihren stahlgrauen Augen, die, weil die Sonne unerbittlich auf uns niederbrannte, viel heller als sonst aussahen, an.

Ich liebe sie so sehr.
Mehr als alles andere auf dieser Welt.
Meine Gaia.

Dann drückte ich auf den Auslöser der Kamera.

Acht Jahre ist das bereits her.
Zitternd fuhr sich Morpheus mit der Hand über das müde Gesicht und legte das mittlerweile leicht vergilbte Foto auf den Nachttisch. Tränen brannten in seinen Augen und nur mit Mühe schaffte er es den Kloß in seinem Hals herunterzuschlucken.
Noch nie hatte er so einen klaren Traum gehabt. So klar, dass er für ein paar Sekunden dachte, dass sie noch da ist.
Dabei ist sie seit sieben Jahren nicht mehr hier.

Morpheus warf noch einen letzten Blick auf das Foto, das Foto seiner wahren Liebe, seiner Gaia, eher er es umdrehte und die Nachttischlampe ausknipste. Er stieß einen stockenden Seufzer aus, während er sich in die Kissen sinken ließ.
Konnte, so sehr er dagegen anzukämpfen versuchte, die Tränen nicht länger zurückhalten.

Nur noch bittere Schluchzer waren in der Dunkelheit zu hören.

„Meine liebste Gaia."

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