Der Geruch von billigem Bier, Schweiß und gebratenem Fisch lag in der Luft, als sie die Hafentaverne betrat. Eine Welle von Gelächter ertönte von einem der hinteren Tische, an dem offenbar ein Kartenspiel gespielt wurde. Mary Read ließ sich am nächsten freien Tisch nieder und bestellte einen Becher Rum. Der letzte Beutezug war miserabel ausgefallen und in der Mannschaft gab es schon wieder Streit um die Aufteilung der recht mageren Beute, weshalb sie nun entsprechend schlechter Stimmung war. Aus ebendiesem Grund wurde sie zunehmend gereizter, da der Lärm vom Nachbartisch mit jeder Minute die verstrich zuzunehmen schien. Endlich hatte sie genug. „Es gibt Leute in dieser Spelunke, die einen langen Tag hatten und etwas Ruhe begrüßen würden!", rief sie wütend in Richtung der Unruhestifter. Sie wusste eigentlich gab es keinen Grund sich aufzuregen. Dies war ein öffentlicher, nicht besonders angesehener Ort an dem keinerlei Wert auf angemessenes Verhalten gelegt wurde, doch die Piratin war wütend und trachtete danach ihre Klinge mit jemandem zu kreuzen. Es wäre früher oder später ohnehin darauf hinaus gelaufen, denn sie war förmlich auf Streit aus , um endlich ihrer schlechten Laune Luft zu machen.
„Was macht denn das kleine Weiblein an so einem Ort? Bist deinem Mann wohl ausgerissen?", fragte einer der Kartenspieler höhnisch. „Komm mal auf meinen Schoß, dann werde ich bestimmt gleich viel ruhiger Zuckerschnecke.", fügte ein anderer mit einem dreckigen Grinsen an. Sie hatte genug! Das reichte ihr, um eine Schlägerei anzufangen! Wütend sprang sie auf, während sie mit mit geschickter Hand ihr Schwert zog. "Willst du das am Ende meiner Klinge noch einmal wiederholen mein „Süßer"?", schrie sie, wobei sie einen Schritt auf ihn zutrat. Mary Read fürchtete sich nicht, sie hatte den Gegner bereits eingeschätzt. Er schien stärker als sie zu sein, war aber betrunken, was seine Bewegungen schwerfälliger machte und sein Reaktionsvermögen verlangsamte.. „Du willst ein Tänzchen wagen Honigmäulchen? Liebend gern und du bist am Ende meine Trophäe!", frötzelte er, bevor er sein Schwert zog und auf sie einhieb. „So wird das nichts mein Lieber!", kommentierte sie mit einem siegessicheren Lächeln. Wie erwartet stolperte er mehr, als dass er kämpfte. Wobei sie jedoch anerkennend feststellte, dass er, wäre er nicht betrunken, wohl ein geschickter Kämpfer und ernstzunehmender Gegner gewesen wäre. „Beinahe schon zu einfach.. Wie langweilig..", dachte sie. Eine Weile schlug sie zurück und wich seinen plumpen Hieben gekonnt aus, bevor sie diesem Abklatsch eines Kampfes ein Ende setzte, indem sie einen Dolch hervorzog und dem Angreifer an die Kehle drückte. „Genug gespielt Kleiner. Geh nach Hause zu Mama und wein dich dort aus, bevor ich mich vergesse!", schüchterte sie ihn ein, bevor sie von ihm abließ. Er verschwand kleinlaut in Richtung Tür. Im selben Moment stand eine dunkelhaarige Frau, die bisher die Szene Schweigend beobachtet hatte, von dem Kartenspielertisch auf.
„Nicht übel Herzchen, aber das war kein fairer Kampf! Er konnte ja kaum noch gerade laufen. Immerhin hast du es mir erspart ihm nachher für seine Zügellosigkeit die Leviten zu lesen. Diese Abreibung hat er gebraucht. Einen Tag vor einer wichtigen Schlacht so viel zu trinken..", bemerkte sie in einem spöttischen Tonfall.
„Es gibt da nur ein winziges Problem. Ich nehme mir das Vorrecht die Einzige zu sein, die so mit ihm umspringt, also bin ich jetzt wohl gezwungen dich zu einem Kampf herauszufordern, weil ich das wohl als Angriff auf die Ehre meiner Genossen werten muss. Nimm es mir nicht übel Süße!", fügte sie noch an, bevor sie blitzschnell einen Säbel zog und auf Mary Read zusprang. Diese parierte den ersten Schlag geschickt und wich mit einem raschen Sprung dem zweiten aus, bevor sie zum Gegenangriff überging.
Wie in einem gefährlichen Tanz folgte Schlag auf Schlag, während sie einander gekonnt Paroli boten. Die beiden genossen das Prickeln des Kampfes beinahe, denn seit langem stand ihnen ein ebenbürtiger Gegner gegenüber. Endlich gelang es Mary Read der etwas größeren Frau den Säbel aus der Hand zu schlagen. Sie machte jedoch den Fehler sich zu sehr über diesen Triumph zu freuen, wodurch die andere Gelegenheit hatte einen Dolch zu ziehen und ihn Mary Read an die Kehle zu drücken. „Schach Matt meine Liebe!", rief sie schadenfroh. „Ich glaube es nicht, da werde ich doch tatsächlich mit meinen eigenen Waffen geschlagen!", rief Marry Read aus, als sie feststellte, dass es sich um ebenjenen Dolch handelte, mit dem sie noch wenige Minuten zuvor dem Betrunkenen gedroht hatte. Dieser gerissenen Schlange war es irgendwie gelungen sich ihres Dolches zu bemächtigen! „Hochmut kommt vor dem Fall!", erwiderte diese dramatisch. „Was mache ich jetzt mit dir hmm? Der Sieger bestimmt was mit dem Verlierer passiert.", stellte sie mit einem leicht zweideutigen Unterton in der Stimme fest, wobei sie, wie um diesem Unterton Bedeutung zu verleihen ein Stück näher an Mary Read heranrückte und dieser mit provozierender Geste über den Arm strich, bevor sie mit ihrer Rede fortfuhr. „Trotz deiner schließlichen Niederlage hast du dich wacker geschlagen und Talent bewiesen. Eine gute Kämpferin könnte ich gebrauchen. Was hältst du davon meiner Crew beizutreten? Piraten. Es wäre keine große Veränderung für dich. So zu kämpfen lernt man sicher nicht bei der Handelsmarine.", schlug die Siegerin vor. „Wie heißt du eigentlich? Bisher sind wir irgendwie noch nicht zu der Ehre gekommen uns einander vorzustellen.", wandte Mary Read ein. „Mein Name ist Anne Bonny.", erwiderte die dunkelhaarige Frau. „Soso. Die berühmt-berüchtigte Anne Bonny. Da habe ich ja eine richtige Legende vor mir, aber das erklärt deine beeindruckende Kampftechnik und so viele weibliche Piraten gibt es ja nun auch nicht.", stellte die andere Piratin fest. „Warum klären wir alles weitere nicht bei einem Kartenspiel?", fragte Anne Bonny gut gelaunt.
„Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du den Dolch da Weg nehmen würdest. Dann können wir reden.", antwortete die andere Frau.
DU LIEST GERADE
stürmische See
AdventureIm Jahre 1720 trifft Mary Read in einer Bar auf Anne Bonny mit der sie ein ähnlicher Lebenslauf verbindet. Die beiden werden Verbündete und begeben sich auf viele gemeinsame Abenteuer, wobei sich schon bald herausstellt dass zwischen ihnen mehr als...