KAPITEL VIER ㅡ DER LETZTE SCHLIFF

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Man merkt, dass Namjoon und Yoongi in Gedanken sehr weit entfernt von der Choreografie sind, die wir in der letzten Dreiviertelstunde zu perfektionieren versucht haben. Sungdeuk steht mit seinem Taktstock vor dem großen Spiegel, der die Frontseite unseres Tanzstudios pflastert und lässt uns seit geraumer Zeit immer wieder die Endpose einnehmen, ehe wir sie wieder auflösen müssen, bevor er uns erneut mit einem Schwenk seines Stocks bedeutet, dass sie wieder einzuhalten ist. Jin-Hyungs Kopf ist so rot wie Hobies, wenn er zu viel Soju getrunken hat und ich glaube, wenn ihm nicht bald jemand eine Pause erlaubt, klappen ihm die Beine unter seinem Körper weg.

„Namjoon-ah, Haltung!", ruft Sungdeuk gebieterisch und unser hochgewachsener Leader presst die Hände mit einem leidenden Gesichtsausdruck in die Seiten. Er sieht so aus, als habe er vor einer halben Stunde mit der Welt abgerechnet und ertrage die Tortur nur noch unter höchsten Mühen. „Bist du eine Windmühle oder ein Soldat?"

„K-keins von beidem, Sungdeuk-Sunbaenim", bringt er hervor, während er sich krümmt, um das Seitenstechen zu einem erträglichen Minimum herabzuschrauben.

„Und du, Yoongi-ah", adressiert unser Choreograf und Tanztrainer nun auch noch den zweiten Unruhestifter, dem das von Namjoons Schelte induziertes Grinsen schlagartig vergeht. „Stell dich doch mal gerade hin. Deine Wirbelsäule soll ein Doppel-S bilden, wie oft noch?"

Yoongi richtet sich eine Spur gerader auf, aber Sungdeuk ist immer noch nicht zufrieden und er schreitet vor ihm auf und ab, bis Yoongi sich geschlagen gibt und seine Wirbelsäule noch weiter durchdrückt. Wir anderen haben uns indes in den Bereich neben der Tür verzogen, in dem die Wasserflaschen und Energieriegel stehen und versuchen, uns nicht allzu sehr darüber zu freuen, dass unsere Member leiden müssen; immerhin bekommen wir endlich unsere wohlverdiente Pause.

„Ihr seid heute wirklich sehr unkonzentriert", schimpft Sungdeuk unsere Hyungs, die zumindest in Namjoons Fall den Anstand besitzen, verlegen zu Boden zu blicken. „Was geht euch denn so Wichtiges im Kopf vor, dass ihr euch nicht einmal ein paar Minuten auf die Choreografie fokussieren könnt?"

Ich lasse mich auf den Boden neben Jungkook fallen und lege meinen Kopf in seinen Schoß. Während er die Hyungs und Sungdeuk mit leicht geöffneten Mund beobachtet, streicht er mir abwesend das verschwitzte Haar aus der Stirn und ich bin froh um die Abkühlung, die mir seine Behandlung verschafft.

Yoongi antwortet nicht, aber als Sungdeuk nicht nachgibt, springt schließlich Namjoon ein: „Yoongi-Hyung und ich haben in der Pause über die Demoversion von Coffee diskutiert und er kam auf die Idee, die Anschlagsstärke bei der Hook auf MIDI-Kanal 3 so runterzusetzen, dass ein doppeltes Klangfeld entsteht. Das würde die unsaubere Lösung, die wir gerade noch eingesetzt haben, auslöschen und einen viel klareren Sound produzieren."

Sungdeuk sieht so verwirrt aus, wie wir uns fühlen. „Und? Kann das nicht warten?"

„Naja, Producer Bang-nim will die fertige Version um achtzehn Uhr an die Patentbehörde abliefern und dann haben wir einen Track auf dem Album, mit dem wir nicht vollkommen zufrieden sind."

Sechs Blicke zucken automatisch zu der Uhr über der Tür. Es ist kurz vor fünf und ich merke förmlich, wie Sungdeuk innerlich aufseufzt. Eigentlich muss die Choreografie bis heute Abend um neun astrein sitzen, denn Morgen beginnen wir den Dreh für das Musikvideo und das Set ist so teuer, dass wir es uns nicht leisten können, an Ort und Stelle immer doch verhängnisvolle Patzer einzubauen. Andererseits; Yoongi- und Namjoon-Hyung scheint ihre fixe Idee nicht mehr loszulassen und bevor Sungdeuk der musikalischen Perfektionierung unseres Albums im Weg steht, schiebt er lieber Überstunden.

Er sieht noch einmal auf die Uhr, daraufhin auf unsere Hyungs, die flehend vor ihm stehen und dann: „Na gut. Ab mit euch. Aber keine Extraspaziergänge. Ihr seid sofort wieder da, wenn ihr das Problem behoben habt."

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