KAPITEL VIERZEHN ㅡ ABSOLUTE VERLEUGNUNG DER UMSTÄNDE

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Es gibt Tage, an denen einem in den Dormitorien die Decke auf den Kopf fällt. Momente, in denen sechs atmende, lachende, munter miteinander konversierende Member schlichtweg zu viel werden. Augenblicke, in denen ich mir nichts sehnlicher wünsche, als alleine zu sein.

Solche Sekundenbruchteile widme ich Taehyung. Er muss mich nur kurz anblicken und er weiß, dass wir uns nur eine Minute später im Eingangsbereich treffen und gemeinsam das Haus verlassen; sei es nur für einen halbstündigen Spaziergang. Manchmal reden wir gar nicht; oder über Belangloses, wie das Grau des Himmels, der über uns hängt; an anderen Tagen erzählen wir uns alles, was wir mit uns herumschleppen. Dass mir die Worte von den Lippen fallen, kaum, dass ich vor der Tür stehe, Taehyung in Pudelmütze und Fäustlingen neben mir in der Eiseskälte, scheint ihn nicht zu überraschen. Er legt mir den Arm um die Schulter und ich spüre seinen Atem an meiner Wange, während wir den Wohnblock hinter uns lassen, in der der Dorm liegt.

„Oh, Chim", sagt er in dem Augenblick, als ich mir die erste Verschnaufpause gönne. „Er geht dir ganz schön unter die Haut, oder?"

„Immer", gebe ich bitter zurück. „Und immer nur er."

Taehyung liebt Yoongi auf eine Art und Weise, die ich lange nicht nachvollziehen konnte—auf eine blinde, familiäre, platonische Manier, die Tae mit weniger zurücklässt, als er in die Sache gesteckt hat. Mit unerwiderten Zusprüchen seiner Zuneigung, großen Augen voller Bewunderung über den Küchentisch hinweg, ungeschmälerte Liebe für seine Possen, für seine Worte, für seinen Biss.

Er liebt ihn, wie man einen großen Bruder liebt, den man idealisiert. In dessen Fußstapfen man einmal treten möchte; ohne sich etwas aufzubürden, das man letzten Endes nicht erfüllen kann. Yoongi und Taehyung haben kaum die gleichen Talente, kaum die gleiche Herangehensweise an Probleme, an Erfolge; aber ich kann nicht umhin, als eine verbissene Determination festzustellen, die beide Daegu-Boys umgibt.

Ich sehe so viel Zerbrechlichkeit, wenn ich meinen besten Freund ansehe; so viel Fragilität und Verletzlichkeit—und so viel Härte und Unnachgiebigkeit, wenn ich meinen Blick Yoongi-Hyung zuwende. Ich kann manchmal nicht anders, als zu reflektieren, ob der eine, der Ältere, nicht doch ein Abbild seines Dongsaengs ist, das durch die ungerechte Behandlung seiner Eltern, den Notständen seiner Kindheit und Jugend in eine Person gedrängt wurde, der eigentlich das Potential für Herzensgüte zugrunde liegt.

Da ist eine Sanftheit an Min Yoongi; die nur Taehyung ausleben kann—in der Art und Weise, wie seine Hand sich um meinen Arm schlingt, während wir über die Straße schlendern, um auf der anderen Seite den Park zu betreten.

„Warum?", fragt Taehyung. „Was ist es an ihm, dass du dich so... stört?"

Ich schüttle bei seiner Wortwahl den Kopf. „Es ist nicht so, dass es etwas gibt, das mich an Hyung stört."

„Sondern?" Taes forschender Blick bedenkt mich mit einer Interesse, für die ich ihn mehr als andere auf der Welt liebe. Es ist eine Art der Anteilnahme, die man an Freunden selten einmal sieht; ich meine mich ehrlich nicht daran zu erinnern, dass jemand an der Busan High School of Arts, die ich vor meinem Umzug nach Seoul frequentiert habe, jemand der Hitzköpfe, die ich dort wider besserer Alternativen meine Freunde genannt habe, mich jemals so wach und ehrlich angesehen hat.

Während ich Taes weiche Züge betrachte, gebe ich ein düsteres Schnauben von mir. Und dann soll noch einer sagen, der Idol-Business sei oberflächlich und kompetitiv.

„Es ist vielmehr so", beginne ich vorsichtig, nachdenklich, jedes Wort genauestens abwägend, als ob es nicht nur Taehyung wäre, vor dem ich Rechenschaft über meine Disharmonie ablegen muss, „dass es einfach Menschen gibt, die mit meinem Charakter ein grundlegendes Problem haben."

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