Kapitel 12

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Everly Schumann

Tagsüber versuchte ich stark zu sein, nachts überrollten mich die Tränen. Ich saß im Englischunterricht und hörte Herr Dumond dabei zu, wie er etwas über 'mediation' erzählte. Mir fiel das Gespräch vom Vortag ein. Als er mich fragte, ob er etwas für mich tun könnte, hätte ich fast geantwortet, dass er versprechen solle, mich nie zu verlassen. Doch er hatte mich schon mal verlassen und er würde es wieder tun. Letzten Endes blieben wir alle allein. Ich wusste nicht wo mir der Kopf stand und war froh, dass Englisch nach nur einer Schulstunde vorbei war. Seine besorgten Blicke gingen mir auf die Nerven. Mir war klar, dass ich wie ein Wrack aussah, so fühlte ich mich auch. Da brauchte ich nicht auch noch sein Mitleid. Er wusste gar nicht wie es sich anfühlte verlassen zu werden.

Ohne ihn anzusehen lief ich an Herr Dumond vorbei. Beim Gedanken an seine Küsse glühten meine Wangen, doch ich würde den selben Fehler nicht erneut begehen. 

Unsere Deutschlektüre konnte mich erfolgreich ablenken. Herr Ferline erinnerte uns an das Buch 'Die Räuber' von Schiller, welches wir bereits gelesen hatten. Es war aus der Epoche Sturm und Drang und stimmte mit dem aktuellen Werk überein. Eine Stelle, der ich damals nicht viel Beachtung geschenkt hatte, fiel mir ins Auge.

Der Räuberhautmann Karl Moor, der eigentlich Erbe des Königs war, hatte seiner Räuberbande ewige treue geschworen. Er hatte sich ihnen angeschlossen mit dem Gedanken, dass sein Vater ihn enterbt hatte und seine Verlobte Amalia, seinem Bruder Franz versprochen wurde. Dies erfuhr er aus einem hinterlistigen Brief, den Franz ihn im Namen ihres Vaters geschrieben hatte. Dem Vater erzählte Franz, dass Karl gestorben sei. Die Szene stammte aus dem letzten Akt. Amalia floh in den Wald und traf auf ihren geliebten, totgeglaubten Karl. Doch sie konnte nicht bei ihm bleiben, den der Treueschwur galt der Räuberbande und diese duldeten keine Frauen. Doch ohne ihn wollte sie nicht sein. 

Amalia: Ha, Würger! du kannst nur die Glücklichen tödten, die Lebenssatten gehst du vorüber. (Kriecht zu den Räubern.)So erbarmet euch meiner, ihr Schüler des Henkers! – Es ist ein so blutdürstiges Mitleid in euren Blicken, das dem Elenden Trost ist – euer Meister ist ein eitler, feigherziger Prahler.

Räuberhauptmann Karl Moor : Weib, was sagst du? (Die Räuber wenden sich ab)

Amalia : Kein Freund? Auch unter diesen nicht ein Freund? (Sie steht auf) Nun denn, so lehre mich Dido sterben! (Sie will gehen, ein Räuber zielt)

R. Moor : Halt! Wag' es – Moors Geliebte soll nur durch Moor sterben! (Er ermordet sie)

Die Räuber : Hauptmann! Hauptmann! Was machst du? Bist du wahnsinnig geworden?

R. Moor (auf den Leichnam mit starrem Blick): Sie ist getroffen! Dies Zucken noch, und dann wird's vorbei sein – Nun, seht doch! Habt ihr noch was zu fordern? Ihr opfertet mir ein Leben auf, ein Leben, das schon nicht mehr euer war, ein Leben voll Abscheulichkeit und Schande – Ich hab' euch einen Engel geschlachtet. Wie, seht doch recht her! Seid ihr nunmehr zufrieden?

Traurig lächelnd zeigte ich Lasse die Stelle.

"Ohne ihn wollte sie nicht sein. Gestorben für die Liebe, durch ihn. Er hat sie getötet, obwohl er sie liebt. Ich hab euch einen Engel geschlachtet, ja, das er hat.", sagte ich traurig.

Lasse sah mich an.

"So sind Jungs halt. Sie denken nicht nach und bereuen es später.", er zuckte mit den Achseln. 

Herr Ferline machte einen Tafelaufschrieb, den er aber nicht mehr schaffte zu beenden. Nach Ethik und Französisch war auch dieser Tag für mich zu Ende. 

Ich wusste, dass ihm hinterhertrauern nichts brachte, doch es tat weh. Ich wachte auch und hatte keine 'Guten Morgen' Nachricht. Wenn ich durch Instagram scrollte und etwas sah, das mich an ihn erinnerte, konnte ich es ihm nicht mehr schicken. Wir waren zehn Monate lang zusammen. Man erlebte so vieles mit der Person, hatte Erinnerungen, machte Fotos und am Ende war das alles nichts mehr wert. Ich konnte es nicht verstehen. 

Der Mittwoch verging dezent.

Deutsch und Kunst waren angenehm ruhig. Kunst gab mir die Hoffnung, dass alles wieder gut werden konnte. Ich veränderte den grün-ton meines Grasses und bekam ein Lob von Frau Holländer. Mathe war fordernd und seit langem strengte ich mich mal wieder an. Nun hieß es, ablenken. Es war einfacher eine Person gehen zu lassen und zu vergessen, wenn man sie nicht jeden Tag sehen musste. Trotzdem würde ich ihn nie vergessen. 

Der Donnerstag war ein langer Tag. Wir schleppten uns von Deutsch zu Sport, von Sport zu Kunst, machten Mittagspause, woraufhin wir die erste Bioklassenarbeit schrieben und hatten dann erneut Kunst und Mathe. 

Beim rausgehen fragte ich Lasse, ob Leon nach mir gefragt hatte.

"Ja, er hat gefragt ob du nach ihm gefragt hast."

Ich war ihm nicht egal, das wusste ich. Vor einem Monat hatte er mir noch die große Liebe versprochen und nun empfand er nichts mehr für mich? Das war nicht möglich. Mir war bewusst, dass ich ihm nicht egal war und er mich auch nicht hasste, wir sind nicht im Streit auseinander gegangen. Doch Freunde bleiben war problematisch. Wenn er nichts mehr von mir wollte, ich aber bei jeder Berührung die Hoffnung hatte, dass er sich doch wieder in mich verlieben könnte, tat ich mir nur selbst weh.

Er hatte sich wahrscheinlich schon damit abgefunden, dass es aus war. Immerhin war es seine Entscheidung. Nun war ich dran.  

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Denn er wollte sie spürenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt