Nicht Lehm, Nägel, Beton, Kleister oder eine standfeste Architektur ließen Gebäude über die Zeit hinweg dauern. Nicht hier zumindest.
Was hier die Strukturen stehen ließ, war ein Wille zu existieren. Ein tieferer Wunsch ohne wirkliche Ambitionen oder konkrete Ziele. Oder anders gesagt: Dickköpfigkeit.
Normalerweise nur in kleinen Hexenhäuschen mitten im Wald zu finden, wo hakennasige Frauen mit eiserner Durchsetzungskraft ihr Leben bestritten, war es genau die Art von Dickköpfigkeit und Kompromisslosigkeit, die auch hier bis in die Grundmauern gesunken waren und die Bauwerke überdauern ließen.
Oh, Zeit hatte ihre Spuren hinterlassen. Denn Zeit war noch einen Hauch dickköpfiger, als alles andere. Und Zeit hatte den Krieg noch nicht einmal richtig begonnen. Sondern nur hin und wieder reingeschaut und mit Streichen geärgert.
Wo stolze Wände einst standen, pfiff nun Wind durch erste Risse und Spalten der Holzbretter. Wo Ziegel einst glänzend dem Regen trotzten, konnte man nun schadhafte Balken und erste Wasserschäden erkennen. Aber unter allen diesen Verfallerscheinungen waren die Behausungen noch eindeutig ihrer Funktion zuzuordnen für die Bewohner auf dieser Welt. Zumindest der Teil der Bewohner, den man üblicherweise als „zivilisiert" ansah.
Auch wenn die Bauten schon seit langem den Zweck dieser Funktionen nicht mehr erfüllten, konnte man sie zuordnen.
Die Existenz von Gebäuden war in all ihrer Pracht im tiefsten Grunde einem Zweck geschuldet. Und wenn dieser Zweck nicht mehr erfüllt wurde, wenn kein Lebewesen mehr Obdach dort suchte, niemand mehr ruhig in den Betten schlief, Essen kochte oder seine Arbeit verrichtete, begannen Gebäude zu verrotten und zu verschwinden.
Dabei ging es um mehr, als nur um die fehlenden Reparaturarbeiten in Fassaden oder Malerarbeiten, die von keinen Händen, Krallen oder Pfoten mehr erledigt wurden. Es ging um den grundlegenden Sinn, den Gebäuden ihre Berechtigung zur Existenz gab. Wenn dieser verschwand, blieb nur noch...
Dickköpfigkeit.
Oder Hoffnung. Hoffnung, dass sich Wände wieder mit Wärme und Licht füllen würden, Lachen aus Fenstern zu hören wäre oder sonst etwas einen neuen Zweck in ihnen finden würde.
Wenn Häuser lange genug daran festhielten, konnten sie Glück haben und jemanden anlocken, der Wurzeln schlagen wollte. In anderen Fällen wurde Dickköpfigkeit zu Bitterkeit und seltsame, dunkle Kräfte füllten die dunklen Ecken und verlassenen Zimmer mit Grauen und Angst.
Oder die Zeit gewann und es blieb nichts.
Noch klammerte sich die wilde Anordnung von Behausungen und Strukturen mit dem letzten Bisschen an die Erinnerung an gute Zeiten. Aber Dunkelheit und Zeit hatten schon einige Kämpfe gewonnen.
Als Iva schließlich mit zitternden Muskeln, wankenden Schritten und pfeifenden Atem zögernd den Hügel erklomm, hatte sie in den langen Schatten der Abendsonne kein willkommensheißender Eindruck. Alles andere als einladend wirkten die aufbäumenden Strukturen in der anbahnenden Dunkelheit und nur ein zufälliger, bitterkalter Windstoß, der durch ihre immer noch feuchten Kleider fuhr, änderte ihre Meinung.
Vielleicht war Fliehen nicht die beste Idee.
„Zumindest nicht so spät abends", murmelte sie. Dann räusperte sie sich. „Hallo? Hallo!"
Niemand antwortete, aber das schauerliche Knarren von Holz auf Holz ließ sie zusammenfahren, als hätte das Gebäude zu ihrer Linken die Luft angehalten und so das Gebälk bewegt. Die Schatten schienen länger und unheimlicher zu werden, während sie herum stand und debattierte, ob sie näher kommen oder doch fliehen sollte. Doch sie war kalt und nass und die Entscheidung von vorhin war immer noch richtig. Fliehen war nicht gut.
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Heroes are stupid!
FantasyLande in einer anderen Welt, finde das Schwert, töte den Drachen, kämpfe gegen Monster und gewinne Schlachten - werde eine Heldin. Das Schicksal hat einen klassischen Fantasy-Pfad für Iva bestimmt, um die Rasse der Menschen zu befreien und die Welt...