18. Kapitel: Eine unerwartete Wendung

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„Für Samantha?" Mein Vater schaut mich fragend an. Ich erkenne Verwirrung in seinem Blick. Dann fällt bei ihm der Groschen. „Samantha!", sagt er tonlos und seine Hand zittert, als er sich eine Haarsträhne aus der Stirn streicht.

„Ja, Samantha. Samantha Johnson, um genau zu sein. Wir wohnen in einem Zimmer und ..."

„Das ist doch nicht dein Ernst, oder? Du meinst, diese Samantha ist deine Freundin, nicht deine Partnerin, oder?"

Mein Herz hämmert mir in den Ohren und ich wische meine Handflächen an der Jeans ab. „Doch, sie ist meine Partnerin. Ich bin lesbisch. Oder zumindest bisexuell."

„Bisexuell", sagt mein Vater und ich bin mir nicht sicher, ob das eine Frage oder eine Feststellung sein soll. Aus seinem Mund klingt es wie etwas Verwerfliches.

„Ja, bisexuell. Ist das ein Problem für dich?"

Er schluckt, dann schüttelt er den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Das heißt ... du warst doch sonst immer in Jungs verliebt. Das ist doch bestimmt bloß eine Phase, oder? Das geht wieder vorbei."

„Nein, Paps, das ist keine Phase. Ich bin wirklich bisexuell. Ich mag Jungs und Mädels. Für mich ist die Person wichtig, nicht das Geschlecht."

„Das kann doch unmöglich dein Ernst sein!"

„Doch, es ist mein voller Ernst. Ich dachte, du würdest es verstehen." Eiskalte Enttäuschung macht sich in mir breit und ich sehe meinen Vater vorwurfsvoll an. Er sagt nichts mehr, setzt aber seinen Weg fort. Stumm gehen wir nebeneinander her und ich grüble verzweifelt, wie ich jetzt weiter verfahren soll. Er ist doch nur ein bisschen verwirrt und nicht homophob, oder? Mein Vater ist doch eigentlich ein recht offener Mensch. Wie wird Sabine reagieren, wenn er es ihr erzählt? Eigentlich ist mir das egal, wenn Sabine mir auch noch in den Rücken fallen würde. In zwei Wochen bin ich hier sowieso wieder weg.

Mein Vater keucht neben mir. Der Aufstieg scheint ihm schwerer zu fallen, als er erwartet hat.

„Wir haben es gleich geschafft", sage ich, denn die Ruine ist bereits zu erkennen. Papa nickt und wischt sich abermals den Schweiß von der Stirn. Wir schweigen uns weiter an, bis wir die Ruine betreten. Erinnerungen aus meiner Kindheit kommen hoch, Erinnerungen an Ausflüge hierher mit ihm und meiner Mutter. Oh, wie sehr ich sie vermisse! Sie war immer gut drauf und hat mich selbst aus den dunkelsten Löchern holen können. Sie hätte mich bestimmt verstanden, da bin ich mir sicher. Papa schnauft schwer und lässt sich auf eine Sitzbank fallen. Ich nehme neben ihm platz und strecke meine Beine aus. Mein T-Shirt klebt mir am Körper und ich atme ebenso tief ein und aus, wenn auch nicht so keuchend wie er.

„Vielleicht hatte Sabine unrecht", sagte er plötzlich und kratzt sich am stoppeligen Kinn.

„Womit?" Ich sehe ihn fragend an.

„Mit dem Internat", fährt er fort. „Vielleicht war es doch keine so gute Idee, dich dorthin zu schicken."

Ich traue meinen Ohren nicht. Was soll das denn jetzt? „Wie meinst du das?"

„Na, anscheinend hat dir diese Samantha den Kopf verdreht. Das wäre nicht passiert, wenn du weiterhin auf deine vorherige Schule gegangen wärst."

„Willst du damit sagen, es ist Sams Schuld, dass ich bisexuell bin?"

„Ja, natürlich. Sie hat dich verführt. Von allein wärst du doch da niemals draufgekommen."

Ich presse die Lippen aufeinander und verschränke die Arme vor der Brust. „Warum bist du eigentlich so homophob?"

„Ich? Homophob?" Er hebt die Stimme und schaut mich überrascht an, als hätte ich irgendetwas völlig Unpassendes von mir gegeben. Aber es stimmt doch: Er benimmt sich wie ein homophobes Arschloch. Sam hat mich nicht verführt, ich habe mich einfach so in sie verliebt. Aus freien Stücken. Und wenn ich nicht aufs Internat gegangen wäre, dann wäre mir das irgendwann mit einem anderen Mädchen passiert. Meine Bisexualität ist eine Veranlagung und nicht irgendjemandes Schuld, so als könnte ich mir das abgewöhnen.

Freche Mädchen küssen besser (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt