5. Kapitel: Ein verhängnisvolles Geschenk

3.6K 220 23
                                    

Den Abend verbringen wir zu viert vor Sams Laptop. Wir haben es uns mit unseren Kopfkissen auf dem Teppich gemütlich gemacht und den Laptop in die Mitte gestellt. Nachdem wir abgestimmt hatten, welchen Film wir als erstes ansehen wollen, hatte „Ice Age" mit knapper Mehrheit gewonnnen. Sam war für den Film über die beiden Lesben während des zweiten Weltkriegs gewesen, doch May und Lis war eher nach etwas Lustigem zumute und auch ich wollte an diesem Abend lieber eine leichte Kost ansehen. Dank des Filmes gelingt es Lis sogar, die Sache mit Sven aus ihrem Kopf zu verdrängen. Zumindest lacht sie herzlich über Sid, das Faultier und ihr trauriger Blick ist verschwunden. Als wir gegen Mitternacht zu Bett gehen, quasseln wir noch eine ganze Weile. Nur Sam hält sich ziemlich zurück und stopft sich wieder die Stöpsel ihres MP3-Players in die Ohren. Erst um zwei Uhr morgens schlafen wir schließlich völlig erschöpft ein.

Als unser Wecker am nächsten Morgen um sieben klingelt, sind wir noch völlig verpeilt. Lediglich Sam scheint einigermaßen fit zu sein, denn sie steht als erste auf und geht ins Bad. Danach schält sich Lis aus ihrem Bett. Trotz der Müdigkeit scheint sie gut gelaunt zu sein. Wir müssen öfters solch einen DVD-Abend veranstalten, denke ich, während ich mir die Bettdecke bis zu den Ohren hochziehe.

„Los du Faulpelz, raus aus dem Bett", ruft Sam, die gerade aus dem Bad zurückkommt und zieht an meiner Decke. Ich versuche, mich mit aller Kraft in dem weichen Stoff festzukrallen, doch schließlich schafft sie es, mir die Decke vom Leib zu ziehen. Wir enden in einem wilden Gerangel. Ich versuche, Sam die Decke aus den Händen zu zerren, doch sie lässt sie nicht los und lacht laut. Ihr Hände packen meine Arme und ziehen mich aus dem Bett. Ich versuche, zu verhindern, mit dem Po auf dem Boden zu landen, doch da ist es schon zu spät und Sam hat es geschafft, mich aus dem Bett zu bekommen. Eigentlich hätte mich das ärgern müssen, doch ich war viel zu sehr mit etwas anderem beschäftigt: dem seltsamen Kribbeln, das sich schon wieder über meinen ganzen Körper ausbreitet, als Sam meine Arme festhält. Ich spüre, wie mir die Röte ins Gesicht schießt.

Sam lässt mich los und sieht mich auf einmal erschrocken an. „Alles okay mit dir?", fragt sie.
„Ja, warum?", antworte ich.
„Du zitterst ja", sagt sie und deutet auf meine Hände. Tatsächlich bebt mein ganzer Körper.
„Das ist sicher nur die Anspannung", sage ich. Dabei weiß ich genau, dass das nicht stimmt. Doch den wahren Grund will ich nicht wahrhaben. Es kann nicht sein, dass Sams Berührung mich dermaßen nervös macht. Ich schüttle den Kopf über mich selbst und hebe meine Bettdecke auf, die auf dem Boden liegt. Danach mache ich mich auf den Weg ins Bad.

Als wir das Klassenzimmer betreten, erwartet mich eine neue Überraschung. Wir sind mal wieder die letzten, die ganze Klasse sitzt bereits, sogar Uli ist schon da. Der Stuhl an meinem Platz ist bereits vom Tisch gehoben worden und eine rote Rose liegt auf der Tischplatte.
„Weißt du, wer die da hingelegt hat?", frage ich Uli.
Dieser zuckt nur die Achseln. „Keine Ahnung", sagt er. „Die lag schon da, als ich reinkam."
Ich schaue mich nach meinen Zimmergenossinnen um. Mein Blick fällt auf Lis. Ihre gute Laune ist verschwunden und ihre Augen funkeln wütend. May legt ihr die Hand auf die Schulter, doch sie reißt sich los und stürmt auf Sven zu, der neben Jens sitzt und gerade auf seinem Handy herumtippt.
„Du elender Wichser", brüllt Lis und reißt ihm das Handy aus den Fingern. Erschrocken schaut Sven auf. Lis' Unterlippe zittert vor Wut und sie ist knallrot im Gesicht. „Wie kannst du es wagen, so eine Show abzuziehen?"
„Ich ... ich weiß nicht was du meinst", stammelt Sven und will sich sein Handy zurückholen, doch Lis schmettert es mit voller Wucht gegen die Wand. Das Gerät fällt zu Boden und springt auseinander. Der Akku schlittert über den Fußboden und bleibt vor meinen Füßen liegen.
„Du brauchst gar nicht so zu tun", schreit Lis. „Ich weiß, dass du hinter der Rose steckst."
„So ein Blödsinn", verteidigt sich Sven. „Woher willst du das denn wissen?"
„Ich habe deine Schrift erkannt!"
Sven ringt nach Worte, doch Lis gibt ihm keine Chance.
„Schweig besser", fährt sie ihn an. „Es kommt ja eh nur Scheiße aus deinem Mund." Damit stampft sie zu ihrem Platz und lässt sich darauf nieder. Die ganze Klasse ist so still, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte. Keiner traut sich, auch nur einen Mucks von sich zu geben.
Schließlich steht Sven auf und sammelt die Einzelteile seines Handys wieder zusammen. Ich reiche ihm den Akku. Seine Ohren leuchten wie Rudolphs Nase, als er ihn entgegen nimmt. „Danke", sagt er leise. Dann verdrückt er sich wieder auf seinen Platz. Ich lasse die Rose in meiner Schultasche verschwinden. Für heute hat sie genug Schaden angerichtet.

Freche Mädchen küssen besser (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt