K A P I T E L | 3

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Der dumpfe stechende Schmerz in meinem Kopf ließ mich keine klaren Gedanken fassen. Regungslos saß ich auf dem Rücksitz des schwarzen Geländewagens, meine Hände und Beine mit rauen Seilen gefesselt - so fest, dass ich meine Finger nicht mehr spüren konnte.

Mein Blick war hinaus auf die Landschaft hinter der staubigen Fensterscheibe gerichtet, die leeren Felder und verlassenen Orte die wir durchquerten, wurde langsam von der aufgehenden Sonne in ein tiefes Orange-Rot getränkt.

Das monotone Geräusch der Reifen auf den verfallenen Straßen hielt mich wie in Trance gebannt. Ich stellte mir vor, wie all diese Orte ausgesehen hatten, als die Welt noch nichts von den Verdammten wusste. Wie ruhig und sicher die Nächte gewesen sein mussten. Wie sorglos meine Eltern.

Mein Blick schweifte von dem Fenster auf den silbernen Ring hinunter, der auf meiner linken Hand ruhte. Meine tauben Finger zitterten leicht. »Wie viel denkst du bekommen wir für sie?«, ich hob meinen Kopf ruckartig und sah wie mich die dunklen Augen des Fahrers im Rückspiegel nachdenklich musterten - dasselbe Monster, dass mich wenige Stunden zuvor von der Fensterbank gezerrt hatte.

Der Beifahrer, der die ganze Fahrt über sein Gewehr fest in den Händen hielt, zuckte teilnahmslos mit den Schultern »Wir wissen nicht, ob sie den Ring gefunden hat oder ob sie wirklich eine von denen ist«, er wandte sich zu mir um.

»Sie sieht nicht aus als wäre sie eine Jägerin«, ein höhnisches Grinsen zierte seinen Mund und ließ seine Reißzähne zum Vorschein treten »Die Kleine wirkt so schwach, dass man fast denken könnte, sie wäre nicht einmal im Stande eine Fliege zu töten«.

Der Fahrer lachte darauf hin belustigt und warf spöttisch ein »Wenn sie Rouven so nichts bringt, dann wird er sicher eine andere Verwendung für sie finden«.

Der Beifahrer wandte sich wieder nach vorne. Mein verärgerter Blick war fest auf den Rückspiegel gerichtet. Ich erinnerte mich wieder an die Worte meines Vaters: sie werden dich erst töten, wenn sie gelangweilt von deinem Widerstand sind oder wissen, dass du sie doch besiegen kannst.

Plötzlich bog der Geländewagen in eine schmale Straße nahe eines Waldes ein. Auf einer weißen, verwitterten Tafel las ich die Worte: 20km bis Épernay. »Sollten wir nicht lieber gleich nach Paris? Wir sind nur mehr zwei Stunden entfernt«

»Wir haben fast kein Benzin mehr«, erklärte der Fahrer und deutete auf das Armaturenbrett vor ihm »Außerdem sollten wir unsere Jägerin Olivier zeigen«, in dem einfachen Wort Jägerin lag ein Hauch von Sarkasmus. Ich wandte meinen Blick wieder zurück auf den Ring meines Vaters.

Diese Dinger redeten von ihm und seinen treuen Verbündeten, als hätten sie nie eine Niederlage erlebt. Dabei vergaßen sie, wie oft die Gilde der letzten Jäger ganze Städte, ja selbst Landkreise bis zum bitteren Ende verteidigt hatten. Mit ihrem Blut, ihrem Stolz und ihrer unvergesslichen Ehre.

Niemals würde ein Sterblicher die letzten Tage in schwindender Freiheit vergessen - bis auf den Tag, als der letzte von den Jägern starb. Wie ein blasser Schimmer, schwand der Abend in eine endlose Nacht aus nie enden wollender Furcht über.

Das Wappen auf dem Ring zeigte eine untergehende Sonne, vor dem Symbol eines schwarzen Berges. Darunter stand: Combattre dans le sang. Mourir dans le sang. [Kämpfen im Blut. Sterben im Blut]. Meine tauben, blassen Finger ließen das Silber noch dunkler wirken - noch bedrohlicher.

Der Fahrer lenkte den schwarzen Geländewagen von der holprigen Straße ab. Eine kurze Zeit fuhren wir durch hohes Gras bis hin zu einer winzigen Lichtung inmitten des Waldes. Die hohen Bäume um uns schlugen tiefe Schatten im Morgenlicht des anbrechenden Tages.

The Tale of Ice & BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt