K A P I T E L | 9

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Die Sonette der zwei Violinen klangen schwer und voller Trauer. Das Parkett war erfüllt von dem orangenen Schein, von endlosen Kerzen und dem ruhelosen Flackern eines einzigen Kaminfeuers. Es sollte wohl besser Mozarts »Waisenhausmesse« gespielt werden, anstatt Liszt berühmter Sonetten, dachte ich und erinnerte mich an die Musik meiner Mutter. Wie ihre Hände fast ziellos über die Tasten unseres alten Pianos glitten. Ihre Nägel glänzten tiefrot - fast wie Blut. Ihr ihr blasser Hals nickte immer zu zu der Musik. Der rastlosen Musik, in die sie in diesen stillen Momenten immer verfiel.

Und nun stand ich hier. Alleine und völlig ohne Ziel. Ich erinnerte mich an die kurzen Momente in dem Zimmer, dass er für mich bereit gemacht hatte. Die Frauen mit den grauen Gesichtern und den guten Kleidern. Die Frauen mit den schmalen Mündern und den großen Diamanten. Die Frauen, die nur ein Besitz waren... zumindest in seinen Augen. Und ich, der bald zu einem werden sollte.

»Sie würden hervorragend aussehen in Merlot«, sagte eine und wandte ihren Blick ab, als ich sie ansah. Eine Weitere kam dazu »Oder Dunkelgrün...«, sie fischte hastig in eine der Schatullen herum, die sie mitgebracht hatte »Es würde der Smaragd gut dazu passen, Madame«, mit geneigtem Kopf brachte sie einen Ring zum Vorschein. Ein Smaragd, die Größe eines Buchenblattes, säumte das goldene Metall. Zögernd hielt sie das Schmuckstück an das Kleid, das von der Seite des Schrankes links vom Bett hing »Sehen Sie?«.

Ihre brüchige Stimme erstarb, als die andere sagte »Unsinn, der König erwartet eine Jägerin... keine Hoffnung«. Hastig zog sich die andere zurück. »Wissen Sie, Madame«, erklärte sie und begann das dunkelrote Kleid für mich bereit zu machen »Das Grün die Farbe der Hoffnung ist?«.

Ich nickte zaghaft und warf einen Blick hin zur Tür, da ich dachte, Schritte gehört zu haben. Die Frau zog ein Armband geschmückt mit leuchtenden Saphiren hervor. »Das wird perfekt passen«, murmelte sie zu sich selbst. Ihre dünnen Finger strichen über den Verschluss aus Silber.

»Und für was steht die Farbe Rot?«, fragte ich schließlich. »Die Frau sah auf und begann zu lächeln. Mit einer fast mühelosen Bewegung legte sie das Armband um mein Handgelenk, während die andere Frau das Kleid schnürte. Ich keuchte, als sie etwas zu fest an den Schnüren zog. Die Frau vor mir heilt kurz inne und antwortete schließlich: »Für Liebe«.

»Der Tod war schon immer mein Bräutigam gewesen, nur hielt er mein Kleid zu spärlich für die Trauung und zu wertvoll für die Beerdigung«, zitierte ich unter anhaltendem Atem meine Mutter. Natürlich meinte sie ihr Leben, wenn sie das Kleid meinte. Zögerlich trat ich drei weitere Schritte in den Ballsaal. Einen der unendlich vielen im Louvre - das einstige Winterschloss des Sonnenkönigs. Und nun der Palast des Prinzen der Schatten.

Die schweren Türen schlossen sich hinter mir. Eine bedrückende Schwere lag auf mir, als ich seine Stimme hörte. »Alles zu deinem Gefallen?«, seine Stimme raunte durch die leere Halle. Ich schloss die Augen und verschränkte meine Arme »Zu wenig andere Gäste und viel zu viel Gold«.

Seine Schritte näherten sich mir und ich wich instinktiv zurück. Das Silber des Schmucks fühlte sich kühlend an - ja, fast beruhigend. Langsam öffnete ich die Augen und sah einen kleinen runden Tisch nur wenige Meter vor mir. Ich hätte eine opulente Tafel erwartet, schoss es mir durch den Kopf.

»Wo ist der kitschige Blumenschmuck?«, fragte ich frech und trat an den Tisch heran. Der König lächelte verlegen »In meinem Königreich schätze ich sie wenig.... Sie brauchen das Licht«. Ich zog den Stuhl zur Seite »Ein Tisch ohne Blumen...«, seufzte ich schwer und nahm Platz.

»Ohne Blumen ist die Welt eine Nacht... eine einzige Nacht«, erwiderte er schwer und setzte sich ebenfalls. »Ich möchte mich außerdem entschuldigen« »Für was?, keifte ich fast wütend »Dafür, dass ich keine Einladung erhalten habe?«. Er rückte seine weiße Stoffserviette zurecht »Nein, dafür dass ich dich nicht zu deinem Platz geführt habe... aber das Messer, das vor dir liegt, ist ein guter Grund, dir nicht zu nahe zu kommen. Zumindest, solange du nicht etwas Wein getrunken hast« »Wein würde mich niemals schwächen, wenn es um Zielsicherheit geht«.

Plötzlich erhob er sich und ging auf mich zu. In seinen Händen eine halb volle Karaffe Rotwein. Mit einer scheinbar mühelosen Bewegung seiner Hand hob er mein Glas auf und setzte es zurück auf den Tisch. Das perfekt glänzende Kristall spiegelte den sanften Schein der Kerzen wieder. Ich spürte, wie sich meine Muskeln im Rücken krampfhaft zusammen zogen. War es ein Kampf oder ein Beginn eines Krieges? Langsam füllte er mein leeres Glas und kehrte anschließend zu seinem Platz zurück.

»Er hat lang genug geatmet«, sagte der König »Ich denke, dass ein Burgunder aus dem Jahr 1990 nach 20 Minuten genießbar ist« »Ich trinke keinen Wein«, erwiderte ich »Meine Mutter war aus England: Das hieß nur Gin oder Ale zu besonderen Anlässen«.

Für einen kurzen Moment schien er überrascht. Ich griff hastig nach dem Glas und leerte es in einem Zug »Aber da das kein Grund zur Freude ist, verzichte ich auf alle Sentimentalitäten«.

»Auf unsere Mütter«, sagte er kalt und hob sein Glas. 

The Tale of Ice & BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt