"Und fünf, sechs, sieben, acht!" Wir halten die Schlussposition noch kurz aus und stellen uns dann wieder gerade hin. "Gute Arbeit, Leute!", lobt uns Monika und klatscht begeistert in die Hände. Andrin, mein Tanzpartner, hält mir seine Hand hin und ich schlage ein. "Wieder voll dabei und total bereit für die Aufführung!", freut er sich. Ich stimme ihm begeistert zu. Ich trainiere seit ich 14 Jahre alt bin, klassischen Tanz bei Monika. Diese Zeit die gefehlt habe und nichts trainiert hatte, merkte man mir schon ziemlich an. Doch ich hatte die Tanzschritte schnell wieder im Griff und so konnte ich heute im Training, zusammen mit Andrin fehlerlos die Choreografie unseres Tangos absolvieren. Wir trainieren in letzter Zeit ziemlich viel, da wir unbedingt vier Tänze können müssen um sie dann an der jährlichen Aufführung von Monikas Schülern zu präsentieren.
Darum ist es auch schon ziemlich spät, als wir das Tanzstudium verlassen. Draußen ist es bereits dunkel und ein eisiger Wind bläst durch die Strassen. "Hast du noch Lust etwas trinken zu gehen?", fragt mich Andrin und schielt unter seiner Kapuze hervor. Eigentlich wäre ich viel lieber nachhause gegangen und hätte mich in meinem warmen Bett verkrochen, aber Andrin und ich hatten uns schon lange Zeit nicht mehr gesehen und ein wenig Klatsch und Tratsch austauschen schadet bestimmt nicht. Also machen wir uns nebeneinander laufend auf den Weg in eine Bar.
Der Abend wurde noch ziemlich lang und wir verbrachten unterhaltsame Stunden miteinander. Als wir lachend die Bar verlassen zeigt die Uhr bereits Mitternacht an. Der Wind hatte sich gelegt, dafür flockt es jetzt dicke, weiße Schneeflocken vom Himmel. "Juhu, es schneit endlich!", rufe ich entzückt in die Nacht hinaus und drehe mich fröhlich im Kreis. Ich habe den Winter krass vermisst und freue mich jetzt wie ein kleines Kind darüber, dass es endlich schneit. Andrin schaut mir lachend zu, legt mir aber dann seinen Arm um die Schultern um mich zu stoppen. "Komm Lou, ich bringe dich jetzt nachhause. Sonst holst du dir noch eine Erkältung." Lachend und immer noch aufgewärmt vom warmen Pub laufen wir wieder in die gleiche Richtung aus der wir gekommen sind. Wir begegnen mehreren Menschengruppen die auf dem Weg zur nächsten Party sind und schon ziemlich nach Alkohol riechen. Plötzlich höre ich jemanden rufen: "Louisa!? Bist du das?" Ich versuche mit zusammengekniffenen Augen zu erkennen wer mich gerufen hat. Ich erkenne Mark, ein Schulfreund und eine Schar seiner Kumpels an einer Straßenecke stehen und rauchen.
"Was machst du um diese Uhrzeit noch hier draußen?", und ohne eine Antwort zu erwarten fährt er weiter: "Willst du mit uns noch ein wenig rumhängen?" "Danke aber ich geh lieber nachhause.", lehne ich sein Angebot dankend ab. Seine Freunde haben mich jetzt auch erkannt und kommen mich begrüssen. Plötzlich bemerke ich wer auch in dieser Gruppe dabei ist. Henning steht an eine Hausmauer gelehnt und unterhält sich mit einer Frau. Eifersüchtig blicke ich ihn ihre Richtung und beginne sie zu mustern. Sie sieht ganz okay aus und trotzdem kann ich sie nicht leiden, wie sie da steht und ganz offensichtlich mit Henning am flirten ist.
Mark hat sich Andrin geschnappt und plappert auf ihn ein, während er hilfesuchend zu mir blickt. Ich ignoriere seinen Blick und mach mich rüber zu Henning und seinem Mädchen. "Hallo Henning!", sage ich nüchtern und schenke seiner Partnerin ein kurzes Lächeln. Aus dem Lächeln das sich auf Hennings Blick bildet, kann ich nicht ablesen ob er sich nervt, dass ich ihn störe oder ob er erfreut ist mich zu sehen. "Hallo Louisa, mit dir hab ich nicht gerechnet.", meint er und drückt mich an sich. Ich halte ihn absichtlich ganz fest und ein wenig zu lang, bis er sich aus meiner Umarmung befreit. "Ähm, das hier ist Annika. Annika, Louisa", stellt er uns nun endlich vor. "Willst du einen Zug meiner Zigarre haben?", überspielt er die unangenehme Stille die darauf folgt, da wir zwei uns nur wie Rivalinnen mustern. Ich wende meinen Blick wieder zu Henning. "Nein Danke. Ich geh auch gleich wieder. Ich wollte nur kurz Hallo sagen. Ich bin mit einem Freund unterwegs.", erkläre ich und deute auf Andrin. "Wer ist das?", hackt Henning nach. Sein Ton hat sich verändert und es scheint ihm nicht zu gefallen, dass ich mit männlicher Begleitung unterwegs bin.
Ich mache einen auf zickig, da er mir ja auch nicht viel über seine Begleitung preisgibt. "Andrin ist ein Freund von mir. Wir kennen uns vom tanzen und er will mich noch nachhause begleiten." "Nachhause begleiten, also. Und dann bei dir noch ein Weilchen bleiben, oder so?", sagt er sichtlich nicht amüsiert von diesem Gedanken. Ich hasse mich zwar selber dafür, aber der Gedanke, dass das Henning nicht gefällt, verursacht ein Kribbeln in mir. "Mal schauen.", geb ich knapp als Antwort um gelassen zu wirken. "Also, habt noch einen schönen Abend ihr zwei.", verabschiede ich mich knapp, schnapp mir Andrin und haue so schnell und unauffällig wie möglich ab, die Strasse runter.
Meine Stimmung ist im Keller. Ich bin müde, erschöpft und leicht angetrunken und vor allem wütend auf Henning und seine doofe Annika die jetzt todsicher nur noch mehr versuchen wird, Henning um ihren Finger zu wickeln.
Irgendwie hat mich diese Begegnung mit Henning völlig aus der Bahn geworfen. Am folgenden Morgen liege ich den ganzen Morgen auf dem Bett und lasse die Szene über und über in meinem Kopf abspielen. Ich bin wütend auf Henning, obwohl er ja eigentlich gar nichts gemacht hat. Ich habe einfach etwas gesehen, dass ich nicht sehen wollte und schiebe die Schuld auf die Beteiligten um mich selber nicht zu verurteilen. Gleichzeitig habe ich stärker denn je das Bedürfnis bei Henning zu sein und seine Anwesenheit zu spüren. Einfach bei ihm zu sein. Ana, die mit ihrem Freund in Hamburg wohnt und dort studiert, ruft mir im Laufe des Tages an und rät mir nach meiner Erzählung, am Ball zu bleiben und auf keinen Fall aufzugeben.
Ich versuche in den folgenden Tagen so viel Kontakt wie möglich mit Henning aufzubauen, was sich aber als ziemlich schwierig erweist. Tagsüber ist er mit seinen Musikkollegen irgendwo am musizieren und am Abend wenn ich mit Sevi feiern ging, ist er entweder gar nicht dabei oder ein anderes Mädchen wackelte ihm bei jedem Schritt hinterher. Ich lasse mir dadurch meine Laune aber nicht verderben und habe auch ohne ihn meinen Spaß. Ich lerne neue Menschen kennen, tanze mit fremden Männern und erobere die Stadt zusammen mit Severin und anderen Freunden. Ich fühle mich nicht wohl dabei. Ich habe Angst Henning ein falsches Bild von mir zu geben und es fühlt sich auch nicht nach mir an so sorgenlos jeden Abend ausgehen. Mein Herz ist zu der Zeit sehr schwer, als ob ein Tumor daran hängen würde und es beinahe unmöglich wird zu schlagen und mir die nötige Kraft zum Leben zu geben. Ich versuche aber es mir nicht anmerken zulassen, dass es mir nicht gut geht. Ich will nicht schwach wirken.
Umso überraschter bin ich als alles eine Wendung zu nehmen scheint. An einem Abend Ende November hangen wir in Christophers Wohnung herum. Ich unterhalte mich gerade mit Noelle auf dem Sofa als Henning zu uns kommt und fragt: "Louisa, ich brauche noch jemanden der mir hilft neues Bier holen zu gehen. Willst du mir helfen." Ich kann seine Worte nicht fassen aber natürlich springe ich sofort auf, wirf mir meine Jacke über und mach mich mit ihm zusammen auf den Weg.
"Du ich muss mich bei dir entschuldigen.", beginnt Henning gleich und kommt so auch direkt zur Sache. "Ich bin in letzter Zeit echt nicht respektvoll mit dir umgegangen und du hast besseres verdient. Ich verstehe es also wenn du sauer auf mich bist." "Ich bin nicht sauer auf dich. Ich habe mich schon gefragt ob du mir bewusst aus dem Weg gegangen bist aber wenn du dich jetzt entschuldigst ist alles okay, wirklich. Mach dir also keine Sorgen!", beschwichtige ich ihn. "Danke, dass beruhigt mich. Weisst du, ich habe nicht gewusst was ich wollte und ich musste viel nachdenken aber jetzt bin ich mir sicher die richtige Entscheidung getroffen zu haben." Wir lächeln uns beide glücklich an und obwohl wir auf verdeckte Weise sehr offen gesprochen haben, frage ich noch: "Also keine Annika mehr?" "Keine Annika mehr.", bestätigt er mir. Ich kann richtig spüren wie der Tumor an meinem Herzen verschwindet und mein Herz beinahe abhebt an der neu gewonnenen Leichtigkeit. "Darf ich dich umarmen? Mir geht es immer noch ein Stück besser wenn ich mit jemandem alles geklärt habe und ich ihn umarmen kann." Henning hält an und nimmt mich in seine Arme. Seine Hand streichelt leicht über meinen Kopf und mir läuft ein Schauder den Rücken hinab. In dem Moment fühle ich eine extreme Verbundenheit und ein noch grösseres Vertrauen zwischen uns, dass noch sehr lange Zeit anhalten wird. Von diesem Moment an beginnt unsere Geschichte so wirklich.
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Wir zusammen sind Dies und Jenes, aber alles nix konkretes
FanfictionLouisa und Henning May besuchen zur selben Zeit das Schiller-Gymnasium in Köln. Jedoch lernen sie sich erst nach der gemeinsamen Schulzeit so wirklich kennen. Gemeinsam erleben sie schönere wie auch schwierigere Zeiten. Sie seien füreinander gemach...